Euro am Sonntag-Meinung

Altersvorsorge: Ein Plädoyer für die Lust am Sparen

04.11.18 16:00 Uhr

Altersvorsorge: Ein Plädoyer für die Lust am Sparen | finanzen.net

Gern betont die Politik die Bedeutung der privaten Altersvorsorge. Doch mehr Steueranreize für die Mitte der Gesellschaft sind dringend geboten, denn bei den meisten Formen des Sparens greift im Rentenalter der Fiskus zu

von Ralf W. Barkey, Gastautor für €uro am Sonntag

Man kann nicht Wohlstand schaffen, indem man die Lust zum Sparen nimmt." Schon Abraham Lincoln (1809 - 1865), der 16. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, brachte auf den Punkt, was auch heute gilt: Sparen und Wohlstand sind unauflöslich miteinander verbunden. Gerade Deutschland kann auf eine ausgeprägte Spar- und Vorsorgekultur bauen: Laut Daten der Fondsgesellschaft Union Investment aus der genossenschaftlichen Finanzgruppe sparen mehr als 66 Prozent der Deutschen regelmäßig. Am 30. Oktober begehen die deutschen Banken den Weltspartag. Viele Kinder bringen an diesem Tag ihr Sparschwein zur Bank vor Ort. Eingeführt wurde der Weltspartag, um den Gedanken des Sparens weltweit zu erhalten und weiterzugeben.



Bis vor gar nicht allzu langer Zeit war das Sparen auch frappierend einfach: Früher war eine Verzinsung von drei bis vier Prozent normal. Damit konnte man sein Erspartes in 20 Jahren verdoppeln. Bei den heutigen Zinsen würde man dafür 170 Jahre benötigen. Trotz stetig steigender Lebenserwartung ist das keine realistische Perspektive, das Sparen mit viel Zinseszins wird keine auskömmlichen Erträge mehr erwirtschaften.

Eifrig fürs Alter gespart - und dann kassiert das Finanzamt

Sparen muss sich aber lohnen - was als Binsenweisheit daherkommt, ist keineswegs trivial. Das zeigt ein Blick auf die von den Kunden der 402 Volksbanken und Raiffeisenbanken im 14 Bundes­länder umfassenden Verbandsgebiet des Genossenschaftsverbands - Verband der Regionen getätigten Anlagen:



1. Die Einlagen stiegen seit dem Ausbruch der globalen Finanzkrise 2008 bis zur Jahresmitte 2018 von 218 Milliarden Euro auf 325 Milliarden Euro. Dieses Wachstum dokumentiert beachtliche Marktanteilsgewinne im Kundengeschäft, getrieben vom Wunsch nach der Sicherheit der Geldanlage.

2. Die Struktur hat sich massiv verschoben: Das Einlagenwachstum geht im Wortsinn ausschließlich auf das Konto der Sichteinlagen - ihr Anteil beträgt jetzt zwei Drittel gegenüber 37 Prozent zum Jahresende 2008. Damals waren Spareinlagen, Termingelder und Sparbriefe mit 63 Prozent noch deutlich populärer, weil sie einen Beitrag zur Vermögensmehrung leisteten.


Eine paradoxe Entwicklung: Je weniger Verzinsung, desto mehr wird zinslos geparkt. Darin spiegelt sich ein hohes Maß an Verunsicherung und Verlustangst. Angesichts der wachsenden Gefahr einer Vorsorgelücke stehen die Volksbanken und Raiffeisenbanken in der Verantwortung, ihre Kunden für die Vorteile einer stärker diversifizierten Geldanlage zu sensibilisieren. Immerhin stimmt laut aktuellen Daten der Union Investment die Hälfte der Anleger der Aussage voll und ganz zu, dass die gesetzliche Rente allein nicht reichen wird, um den aktuellen Lebensstandard auch im Alter halten zu können. Zugleich macht sich Frust breit: 40 Prozent haben angesichts der niedrigen Sparzinsen keine Lust, die Rendite von verschiedenen Geldanlagen mit­einander zu vergleichen.

Die derzeitige steuerliche Förderung der Altersvorsorge beschränkt sich im Wesentlichen auf die betriebliche Altersversorgung sowie die Riester- und Rürup-Rente. Da aber deren Aufbau aus unversteuertem Einkommen gebildet wird, unterliegen die späteren Auszahlungen der regulären Einkommensteuer. Für die künftigen Rentnerinnen und Rentner bedeutet das: Haben sie eine Anlageform gewählt, für die sie steuerfrei Altersvorsorge aufbauen konnten oder für die sie staatliche Zu­lagen erhalten haben, müssen sie die Rente mit ihrem persönlichen Steuersatz versteuern, der abhängig vom Gesamteinkommen des Ruheständlers ist. Dies gilt für alle geförderten Anlagen, also sowohl für Versicherungen, Pensionsfonds und Pensionskassen, als auch für Fonds- oder Banksparpläne.

Langfristig den höchsten Ertrag versprechen allerdings Aktien und auf ­Aktien basierende Wertpapiere oder Fonds. So kann man auch in Niedrigzins­phasen mit Sparplänen von zehn bis 35 Jahren Laufzeit auf deutsche Aktien nach Abzug aller Kosten und vor Steuern lukrative Renditen erzielen. Unterstellt man, dass rund fünf bis sieben Prozent im Jahr möglich sind, könnte beispielsweise bei einer Investition von monatlich 100 Euro in Anteile deutscher Unternehmen nach 30 Jahren ein Gewinn von mehr als 65 000 Euro realisiert werden. Das dafür über die Jahre eingesetzte Kapital beliefe sich auf lediglich 36 000 Euro.

2005 wurde die Besteuerung der Renten neu geregelt. Bis dahin waren die Renten nur mit dem sogenannten Ertragsanteil zu versteuern, doch seitdem steigt der steuerpflichtige Anteil der Rente kontinuierlich, bis er im Jahr 2040 bei 100 Prozent liegen wird. Die Rente wird dann also komplett besteuert. Gleichzeitig können die Beiträge zur Rentenversicherung während des Arbeitslebens schrittweise steigend steuerlich abgesetzt werden.

Steuervorteile begünstigen vor allem die Mitte der Gesellschaft

Doch das geschieht nicht in gleichem Maße. Das Problem ist der Regierung seit Langem bekannt - aber es passiert: nichts! Wir fordern nachdrücklich, dass der Gesetzgeber wirksame und nachhaltige gesetzliche Rahmenbedingungen schafft, welche die steuerliche private Altersvorsorge auf Basis von Sparplänen in Aktien oder Fondssparplänen fördern und dem Sparer Rechtssicherheit bis ins Rentenalter garantieren. Soweit diese Sparpläne auf Aktien oder Fondssparplänen in der Ansparphase nicht steuermindernd geltend gemacht werden können, bedarf es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch keiner nachgelagerten Besteuerung bei Auszahlung.

Zu diesem Zweck wäre denkbar, dass die aus den entsprechend zertifizierten Sparprodukten erzielten Renditen bei Fälligkeit entweder voll oder zum größten Teil steuerfrei gestellt werden. Dies könnte bei einer vorgeschriebenen Mindestlaufzeit von zehn bis 35 Jahren zum Beispiel nach Fristen gestaffelt erfolgen.

Den sich hieraus ergebenden Minder­einnahmen aus Steuern stehen - wenn eine breite Schicht der Bevölkerung mit geringen und mittleren Einnahmen als Arbeitnehmer von dieser Sparmöglichkeit Gebrauch macht - mit hoher Wahrscheinlichkeit Einsparungen etwa aus Wohngeld oder Grundsicherung gegenüber. Diese müsste der Staat leisten, weil die gesetzliche Rente im Alter nicht zum Leben ausreicht. Steuervorteile begünstigen also nicht Großverdiener und Spekulanten, sondern Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, und sie tragen dazu bei, diese Mitte zu verbreitern.

Kurzvita

Ralf W. Barkey
Vorstandschef beim Genossenschafts­verband, Verband der Regionen
Barkey arbeitete nach seinem Studium der Rechtswissenschaften unter anderem als Justiziar des Westdeutschen Handwerkskammer­tages, seit 2018 ist er Vorsitzender des Vorstands beim Genossenschaftsverband - ­Verband der Regionen e. V., Frankfurt/M.
Der Genossenschaftsverband - Verband der Regionen ist Prüfungs- und Beratungsverband, Bildungsträger und Interessen­vertretung für rund 2800 Mitglieds­genossen­schaften.





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