Euro am Sonntag

Kfz-Policen: Den Versicherer ausbremsen

04.06.16 03:00 Uhr

Kfz-Policen: Den Versicherer ausbremsen | finanzen.net

Je älter der Fahrer, desto höher die Prämie. Das stört vor allem rüstige Senioren. Mit einem simplen Trick können sie bares Geld sparen.

von Uwe Schmidt-Kasparek, Euro am Sonntag

Jahrzehntelang unfallfrei unterwegs, noch immer topfit, und trotzdem kassiert die Autoversicherung von Jahr zu Jahr mehr. Das ist ärgerlich, aber die bittere Wahrheit. Die Kfz-Versicherer verlangen von älteren Fahrern erhebliche Seniorenzuschläge. Jeder ist davon betroffen.



Wie das konkret aussieht, hat die Unternehmensberatung Nafi in Höxter ausgerechnet. Sie hat einen 60-jährigen mit einem 75-jährigen Autofahrer verglichen. Beide haben die Schadenfreiheitsklasse (SF-Klasse) 36 erreicht. Bei den meisten Kfz-Versicherern liegt im Test der Alterszuschlag bei über 40 Prozent, in der Spitze bei einigen Angeboten sogar bei über 60 Prozent (siehe Tabelle). So zahlt ein Münchner Autofahrer für seinen Peugeot 3008 Hybrid4 2.0 HDI (120 kW/163 PS) als 60-Jähriger bei der AachenMünchener Versicherung im Tarif Optimal pro Jahr 651 Euro. Von einem 75-Jährigen kassiert die Versicherung hingegen 1.053 Euro Jahresprämie - 402  Euro oder fast 62 Prozent mehr.

Solche Zuschläge ärgern nicht nur ­Autofahrer, sondern auch Verbraucherschützer. So hat das von der Kölner Journalistin Hanne Schweitzer geleitete Büro gegen Alters­diskriminierung (www. altersdiskriminierung.de) Beschwerden wütender Autofahrer gesammelt. Tenor: Die - rüstigen - Senioren sind sauer über den Alterszuschlag in der Kfz-Versicherung. "Rechtlich gilt der Zuschlag aber als legitim", so Schweitzer.


Das bestätigen unabhängig voneinander auch der Versicherungsombudsmann sowie die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Aus sachlichen Gründen darf nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) differenziert werden. Und hier sind die Zahlen eindeutig: Im Fall der Autoversicherung weisen alle Statistiken darauf hin, dass ältere Fahrer mehr Schäden verursachen als Fahrer mittleren Alters. Das ­unterstreicht bei Anfragen regelmäßig auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

Der Spartrick

Doch noch gibt es für viele verärgerte Senioren einen cleveren Ausweg: Ältere Fahrer können Zuschläge weitgehend vermeiden, wenn sie in den Vertrag ihrer Kinder eingeschlossen werden. So wie früher, als die Kinder bei den Eltern "mitfuhren". Doch anders als damals müssen die Senioren jedoch nicht bei ­ihren Kindern einziehen. Es macht bei den meisten Kfz-Versicherern kaum einen Prämienunterschied, ob die Eltern mit ihren Kindern in häuslicher Gemeinschaft leben oder nicht. "Sparen kann man in der Praxis aber nur, wenn der Schadenfreiheitsrabatt der Eltern weitgehend auf die Kinder übertragen wird", erläutert die Nafi-Geschäftsführerin Ivana Höltring.

"Eine Übertragung ist möglich, wenn das Fahrzeug von dieser Person regelmäßig genutzt wurde und glaubhaft versichert wird, dass die Anrechnung der SF-Klasse gerechtfertigt ist", heißt es bei dem nach Verträgen größten deutschen Kfz-Versicherer, der HUK-Coburg. Dabei wird der komplette Vertragsverlauf ab dem Zeitpunkt, zu dem der Führerschein ausgestellt wurde, inklusive angefallener Schäden einbezogen. Der Clou: In vielen Fällen muss der Versicherer der Darstellung seiner Kunden vertrauen. "In älteren Tarifen geht aus der Versicherungspolice der genaue Fahrerkreis nicht hervor", erklärt Höltring. Dann können Kinder ohne Weiteres das Fahrzeug mitgenutzt haben - zumindest lässt sich aus dem Altvertrag nicht das Gegenteil beweisen. In der Nafi-­Musterrechnung, bei welcher der Senior mittlerweile in SF-Klasse 36 angekommen ist, wurden somit auf ein 50-jäh­riges "Kind" insgesamt 32 schadenfreie Jahre übertragen. Der Vater fährt dann künftig als Mitversicherter im Vertrag seiner Kinder.

Günstiger als bei einem 60-Jährigen

Das Ergebnis ist erstaunlich. In einigen Fällen kostet die Versicherung sogar weniger als die Prämie für einen 60-Jährigen. Das gilt etwa bei der Allianz. Im Tarif "Mein Auto mit Vollkasko­Plus" zahlt ein 75-Jähriger mit Höchstrabatt 989 Euro pro Jahr. Steigt er mit Rabattübertragung bei seinen Kindern ein, kostet die Police im Jahr nur noch 653 Euro. Gegenüber einem 60-Jährigen Autofahrer mit Höchstrabatt, der 688 Euro zahlen muss, spart der Autofahrer sogar noch 35 Euro oder 5,1 Prozent. So günstig ist es nicht überall. Doch in vielen Fällen liegt der Zuschlag gegenüber dem 60-Jährigen immerhin nur zwischen acht und 28 Prozent. Bei einigen Versicherern klappt der Spartrick gar nicht. Dann müssen die Senioren den Versicherer wechseln.


Nach Einschätzung von Expertin Hölt­ring könnte es dauern, bis die Branche insgesamt auf den Trick reagiert und ihre Tarife neu justiert. Bis dahin brauchen Senioren keinen Alterszuschlag zu bezahlen - falls sie nette Kinder haben, die einen Vertrag mit ihnen teilen.

Wie viel Senioren sparen können (pdf)

Was noch geht:

Mit dem Partner: Besser fährt man, wenn man das Fahrzeug auf den jüngeren Partner versichert - falls es einen solchen gibt. Der Partner muss das Auto aber bisher mitgenutzt haben. Prüfen sollte man, ob die Ersparnis gleich hoch ist, wenn Halter und Versicherungsnehmer nicht identisch sind - falls nicht, sollte der Pkw umgemeldet werden.

Die "Zweitwagenregel". Wer als Senior viele Unfälle hatte, sollte das Fahrzeug verkaufen. Dann muss der Versicherer, weil es ja kein Risiko mehr gibt, die Prämie zeitanteilig zurückzahlen. Gleichzeitig kann der Autofahrer bei einem Verwandten oder Bekannten mitfahren. Der könnte den Wagen kaufen und ihn als Zweitwagen zulassen. Natürlich muss der Versicherer über alle Fahrer informiert werden. Doch in der Regel gibt es eine günstige Einstufung, beispielsweise in die Schadenfreiheitsklasse 4 (SF 4), wenn alle Fahrer über 24 Jahre alt sind und der Erstwagen besser als SF 1/2 eingestuft wurde. Besonders gut ist die Zweitwagenregelung bei Direct Line. Dieser Versicherer bietet nämlich eine Einstufung auf dem Niveau des Schadenfreiheitsrabatts des Erstwagens an. Hier gilt als Auflage lediglich, dass der Fahrzeughalter und der Versicherungsnehmer in den vergangenen zwölf Monaten keinen Unfall hatten. Mitfahrer werden nicht erwähnt. Auf keinen Fall sollte man das frühere Unfallfahrzeug anmelden. Denn findet der Versicherer heraus, dass der Wagen in der Vergangenheit mehrere Unfälle hatte, könnte theoretisch die Zeitwageneinstufung - sie ist freiwillig - abgelehnt werden.

Ganz aussteigen. Viel Fingerspitzengefühl gehört dazu, den Partner oder seine Eltern dazu zu motivieren, ganz aufs Autofahren zu verzichten. Sinnvoll ist das, wenn der Senior in jüngster Zeit Unfälle verursacht hat. Glimpfliche Unfälle und ein "Prämienschock" könnten ein Warnzeichen für Schlimmeres sein. Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung beim Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), hat ­einen "verpflichtenden Senioren-Eigentest", vorgeschlagen. Danach sollen Senioren künftig gesetzlich gezwungen werden, ihre Fahrtauglichkeit bei einer Fahrschule zu prüfen. Der Test soll aber keine rechtlichen Konsequenzen haben, sondern die Älteren lediglich in die Lage versetzen, ihre eigene Fitness für den Straßenverkehr besser beurteilen zu können. Schon heute können Senioren mit einem Vertrauten - der natürlich deutlich jünger sein sollte - privat eine solche Testfahrt absolvieren. So wird die Fahrtauglichkeit objektiviert. Zudem kann man dem Unfallfahrer auch vorrechnen, was ein Auto im Jahr an fixen Kosten verschlingt. Dafür dürfte so manche Taxifahrt drin sein.

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