Keine Erbschaftsteuer mehr ab Juli 2016?
"Minimalinvasiv und schnell" wollte Finanzminister Wolfgang Schäuble die Erbschaftsteuer reformieren. Anton Steiner, Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht, zu den Gründen für die Verzögerung.
Euro am Sonntag: Warum konnten sich die Regierungsparteien ein Jahr nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht auf ein Konzept für die neue Erbschaftsteuer einigen?
Anton Steiner: "Minimalinvasiv" und verfassungskonform zugleich, das geht schlichtweg nicht! Das bisherige Recht bevorzugt Betriebsvermögen sehr stark. Das Bundesverfassungsgericht lässt dies im Grundsatz nur noch zu, wenn ansonsten der Bestand des Betriebes gefährdet wäre. Ohne äußerst komplizierte Regelungen lässt sich dies nicht umsetzen.
Welche Fehler wurden von den Beteiligten gemacht?
Der Grundfehler ist, dass man zwischen "gutem" und "bösem" Vermögen unterscheiden möchte. Das gute Vermögen erhält Arbeitsplätze und soll daher stark privilegiert werden. Das schlechte Vermögen, beispielsweise Immobilien, soll entsprechend stärker besteuert werden. Der durch diese Grundentscheidung auftretende Interessenskonflikt ist unvermeidbar.
Wird innerhalb der von Karlsruhe gesetzten Frist bis Ende Juni 2016 die Erbschaftsteuerreform überhaupt in die Praxis umgesetzt werden?
Erfahrungsgemäß rauft man sich in letzter Minute zusammen.
Wie könnte ein tragfähiger Kompromissaussehen?
Geringe Steuersätze für alle. Dies ist aufkommensneutral, wenn die Privilegierungen für Betriebsvermögen gestrichen werden, im Gegenzug profitiert auch Betriebsvermögen von den geringen Steuersätzen, verbleibende Härten werden durch großzügige Stundungsregelungen abgefedert, so dass jeder Unternehmenserbe die bescheidene Erbschaftsteuer aus den laufenden Erträgen aufbringen kann. Dann gibt es keine Ungerechtigkeit mehr in der Behandlung von Betriebs- gegenüber Privatvermögen.
Wie ist die Rechtslage für Erben, wenn es der Gesetzgeber bis dahin nicht schafft, ein neues Erbschaftsteuerrecht zu verabschieden?
Das Bundesverfassungsgericht beantwortet die Frage in seiner Entscheidung nicht klar. Manche vertreten die Ansicht, in diesem Fall bleibt die Erbschaftsteuer erhalten und es entfallen lediglich die Privilegien für Betriebsvermögen. Richtiger Ansicht nach ist die Entscheidung aber so auszulegen, dass dann ab dem 1. Juli 2016 keine Erbschaftsteuer mehr erhoben werden kann.
Interview von Stefan Rullkötter, Euro am Sonntag
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Bildquellen: Christian Müller/Deutsches Forum für Erbrech e.V.