Steuerexperte Fischler: "Abgeltungsteuer reformieren"
Christian Fischler » Der KPMG-Steuerexperte spricht im Interview mit €uro am Sonntag über die Verlustverrechnung bei Kapitaleinkünften.
von Stefan Rullkötter, €uro am Sonntag
€uro am Sonntag: Wie bewerten Sie die konkretisierte neue Verlustverrechnung?
Christian Fischler: Die Ausführungen im Schreiben des Bundesfinanzministeriums belegen eindrucksvoll, wie komplex und fragmentiert die Verlustverrechnung bei Kapitaleinkünften mittlerweile geworden ist. Nun gibt es drei gesonderte Verlustverrechnungskreise. Dieses Ergebnis ist für den Steuerpflichtigen kaum noch nachvollziehbar und führt den - im Jahr 2008 ursprünglich beabsichtigten - Vereinfachungseffekt durch die Abgeltungsteuer praktisch ad absurdum.
Was ist dem Finanzministerium bei den
neu etablierten Verrechnungsregeln für Börsenverluste konkret vorzuwerfen?
Die geltende Rechtslage ist steuersystematisch und verfassungsrechtlich höchst bedenklich. Insgesamt stehen auch die neuen Verlustverrechnungsbeschränkungen für Termingeschäftsverluste und Verluste aus Wertlos-Ausbuchungen und dem Ausfall von Kapitalforderungen im Widerspruch zur gesetzgeberisch beabsichtigten vollen Erfassung der Vermögensebene, also der Erfassung von Gewinnen und Verlusten. Der hiervon abweichenden Besteuerungspraxis der Finanzverwaltung hat der Bundesfinanzhof (BFH) bereits mehrfach widersprochen.
Der BFH hält auch die beschränkte Verrechenbarkeit von Aktienverlusten für eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung. Welche Folgen hat dieser neue Beschluss?
Meines Erachtens ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch die weiteren Verlustverrechnungsbeschränkungen beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe auf den Prüfstand gestellt werden. Das System der Abgeltungsteuer offenbart in seinem 13. Jahr deutlich erkennbare Abnutzungserscheinungen und ist dringend reformbedürftig. Nur so wird eine Pauschalabgabe auf Kapitaleinkünfte als grundsätzlich positive Idee in Zukunft fortbestehen können.
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Bildquellen: KPMG AG