Euro am Sonntag-Interview

Spielerberater Roman Grill: Niemand ist so viel wert

aktualisiert 07.01.14 22:38 Uhr

Zum Auftakt des WM-Jahres sprach €uro am Sonntag mit dem Berater von Nationalmannschaftskapitän Philipp Lahm über die Verantwortung von Fußball-Millionären und Managerboni.

von Lucas Vogel, Euro am Sonntag

Nobelpreisträger Gabriel Garcia Marquez neben Fußballlehrer Louis van Gaal, drei Bände Dostojewski neben einem Buch von David Lama, dem jungen Sportkletterer - Roman Grills kleine Bürobibliothek bietet eine interessante Mischung. Doch uns ging es im Interview um ein ganz bestimmtes Thema: Fußball und Geld.

€uro am Sonntag: Ist die WM noch eine echte Spielerbörse oder ist schon alles gelaufen, wenn der Ball in Brasilien rollt?
Roman Grill:
Aus sportlicher Sicht ist die Entscheidung, einen Spieler zu verpflichten, bei Topvereinen schon vor der Weltmeisterschaft gefallen. Aber natürlich erleichtert ein guter Auftritt bei der WM einen Transfer. Die Vereine müssen heute den Fans, dem Umfeld, auch beweisen, dass der neue Spieler eine Verstärkung ist. Und: Ein WM-Star-Trikot verkauft sich einfach besser.

Stars sind teuer geworden. Im ­Sommer 2013 zahlte Borussia Dortmund für Henrich Mchitarjan 27,5 Millionen Euro, der 21 Jahre alte Mario Götze war dem FC ­Bayern 37 Millionen Euro Ablöse wert. Hat sich Fußball nicht komplett von der Realität entkoppelt?
Es steht für mich außer Frage, dass sich der Fußball von der Realität entkoppelt hat. Sind diese Gehälter gerechtfertigt? Auf den ersten Blick nein. Niemand ist so viel wert - am Ende ist es doch nur Fußball. Aber ein Profi, der zwischen 20 und 33 sehr viel Geld verdienen will, muss ab dem Alter von sieben bis acht Jahren zunächst sehr viel aufgeben und investieren, um dieses Ziel auch zu erreichen.

Ist es trotzdem gerecht, dass Fußballer so viel mehr verdienen als zum Beispiel Ärzte, die in ihrem Beruf Leben retten?
Der Begriff Gerechtigkeit ist hier nur schwer zu verwenden. Fakt ist: Fußball boomt, und die Gehälter kommen über das große Interesse der Öffentlichkeit, von uns allen - über Werbung, Fernsehrechte und Sponsoring. Kommt Deutschland ins Finale in Brasilien, schauen wahrscheinlich 35 Millionen Deutsche zu. Nur elf Fußballer von sechs Millionen können da auflaufen. Der Weg in dieses Finale ist sehr weit.

Da sind die Chancen ähnlich hoch wie die auf einen Lottogewinn.
Richtig. Kann man einem Lottogewinner böse sein? Um in die Nationalmannschaft zu kommen, muss das Talent riesig sein. So ein Talent ist ein Geschenk. Genauso ist es ein Geschenk für einen jetzt aktiven Spieler, dass Fußball heute eine so große Bedeutung hat und so hohe Gehälter ermöglicht.

Wissen die Spieler, wie groß dieses Geschenk ist?
Wir versuchen, unseren Spielern das klarzumachen, und auch, dass dieses Geschenk Verantwortung mit sich bringt. Dazu muss man den ­jungen Menschen auch beibringen, warum sie so viel Geld verdienen. Denn Talent führt nur im richtigen Umfeld von Familie und Unterstützern zu großem sportlichem und finanziellem Erfolg.

Den finanziellen Erfolg machen auch Menschen wie der Milliardär Roman Abramowitsch möglich, der Unsummen ausgibt, um für den Londoner FC Chelsea eine Fußballmannschaft zusammenzukaufen. Was halten Sie davon?
Ob es sinnvoll ist, für eine Fußballmannschaft so viel Geld auszugeben, sei dahingestellt. Aber immerhin hat es Roman Abramowitsch geschafft, innerhalb von drei Jahren eine europäische Spitzenmannschaft zu kreieren. Das war sein strategisches Investment.

Mit dem Geld von Investoren ist Fußball nicht nur teurer, sondern auch professioneller geworden. Kann man das über die Berater auch sagen, die ja immer noch den Ruf halbseidener Geschäftemacher haben?
Ich denke schon - vor allem in der Spitze. Das viele Geld, das in den Fußball gekommen ist, zieht mehr Konkurrenz an. Die wird auch durch die neuen Möglichkeiten des Internets und der Medien verschärft. Heute können Sie jedes Zweitliga­spiel aus ganz Europa ansehen und vom Sofa aus Spieler aus aller Welt beobachten.

Aber zieht das Geld nicht einfach mehr windige Berater an?
Auch. Aber mehr Wettbewerb bedeutet - wie in jeder Branche -, dass man besser werden muss. In der Spitze ist die Spielerberatung des­wegen professioneller als vor zehn Jahren.

Gilt das nur für die Spitzenspieler?
Ja. Denn eine ordentliche Beraterleistung ist unterhalb des Bundes­liga­niveaus kaum möglich. Das Durchschnittsgehalt in der zweiten Liga liegt ungefähr bei 25.000 Euro pro Monat. Bei einer üblichen Provision von fünf bis zehn Prozent des Gehalts müssen Sie schon eine Menge Spieler unter Vertrag haben, damit sich das unternehmerische Risiko lohnt. Aber dann kann man nicht mehr so gut beraten.

Was ist denn für Sie gute Beratung für Profisportler?
Unsere Dienstleistung ist in erster ­Linie, es dem Sportler möglich zu machen, seine Ziele zu erreichen. Das gilt für die sportlichen Ziele, die finanziellen Ziele, aber auch für die Ziele der Lebensplanung nach der Karriere. Denn das Leben ist ja mit Mitte 30 nicht vorbei.

Wie helfen Sie denn, die Ziele zu ­erreichen?
Wir versuchen ein Umfeld zu schaffen, das dem Profi Zeit gibt, sich auf seinen Beruf zu konzentrieren. Wir kümmern uns um Versicherungen, selektieren Banken für die Geldanlage, helfen, den Sponsor zu finden, der auch zum Spieler und zu seinem Image passt, bereiten Termine mit Sponsoren vor und so weiter. Es geht so weit, dass wir bei Verletzungen zweite und dritte Meinungen von Ärzten einholen.

Gehört dazu auch Imageberatung?
Ja klar. Spitzenfußballer sind heute mehr als Sportler. Sie sind gesellschaftliche Vorbilder. Damit muss man als junger Mann Anfang 20 erst einmal umzugehen lernen. Das ist ein enormer Druck.

Wie bereiten Sie Jugendliche auf Misserfolg vor?
Wir machen von Anfang an klar, wie wenige Spieler das höchste Ziel Bundesliga erreichen. Wer aber am Schluss nur in der dritten Liga spielen kann, muss sich ein zweites Standbein mit einer Ausbildung schaffen. Und wenn es nicht reicht, muss man das rechtzeitig erkennen und dem Spieler auch klarmachen.

Wollen die Jungen Profi werden, um einmal vor 80.000 Leuten zu spielen, oder wollen sie das Geld?
Wer so talentiert ist, will am Anfang vor allem eines: zu den Besten gehören. Das ist der reine sportliche Wettkampf. Dass es um viel Geld geht, realisieren die Spieler aber spätestens mit dem ersten Profivertrag. Da verdienen sie auf einmal sehr viel Geld - viel mehr als Gleichaltrige, die einen normalen Beruf erlernt haben.

Und wenn die Spieler mal Millionen verdienen, geht es dann noch um Punktprämien?
Da sind Spitzensportler genauso wie andere Spitzenverdiener: Man vergleicht sich, will zumindest so viel verdienen wie jemand mit ähnlichem Stellenwert. Da unterscheidet sich eine Fußballmannschaft kaum von einem Vorstandsgremium. Das ist Wettbewerb.

Aber Vorstände verdienen erst nach Jahrzehnten harter Aus­bildung und 60-Stunden-Wochen viel Geld. Wieso regen sich die Menschen über Bankerboni auf - und nie über Millionengehälter von 20-Jährigen, die lediglich ­Fußball spielen?
Ganz einfach: Vor der Bankenkrise haben viele Menschen Fehler gemacht. Dann ist das System zusammengebrochen und hat viele Schäden verursacht. Die Banker sind aber nicht persönlich zur Rechenschaft gezogen worden. Die Regeln dieses Spiels haben versagt. Das trägt dann die Öffentlichkeit nicht mit.

Kann das dem Fußball auch einmal passieren ?
Sicherlich kann auch Fußball die Akzeptanz verlieren. Wenn beispielsweise die finanziellen Regeln nicht einheitlich sind, mehrere Vereine in Europa deshalb irgendwann kollabieren, kann es durchaus sein, dass die Fans das Interesse verlieren.

zur Person:

Der bayerische
Berater

Seit 2006 betreut Roman Grill mit seiner Beratungsagentur acta7 und sechs Mitarbeitern in München Spitzensportler. Die meisten sind Fußballprofis aus der Jugendabteilung des FC Bayern wie Philipp Lahm, An­dreas Ottl und Owen Hargreaves. Mit Viktoria Rebensburg hat Grill aber auch eine Olympiasiegerin im Riesenslalom als Mandantin. Grill spielte elf Jahre bei den Amateuren des FC Bayern, gehörte eine Saison (1995/96) zum Profikader. Auf drei Jahre Jugendtrainer beim Rekordmeister folgten drei Jahre in der Presseabteilung und der Weg in die Selbstständigkeit mit seiner Agentur. Grill fordert härtere ­Lizenzauflagen für Spielerberater, um den Beruf des Spielerberaters aufzuwerten und dessen Arbeit transparenter zu ­machen. Grill wohnt in seinem Heimatort Hausham in der Nähe des Schliersees, 50 Kilometer südlich von München.