Euro am Sonntag-Interview

Schwester Bernadette: Seien Sie nicht zu gutgläubig!

21.04.19 15:00 Uhr

Schwester Bernadette: Seien Sie nicht zu gutgläubig! | finanzen.net
Schwester Bernadette

Finanzieller Missbrauch bei Patientenverfügungen: Rund 400 Fälle kennt Schwester Bernadette inzwischen. Was sie Familien rät.

von Maren Lohrer, €uro am Sonntag

€uro am Sonntag: Warum lässt Sie das Thema Erbschleicherei nicht mehr los?

Schwester Bernadette: Ich habe selbst einen Vorfall in meinem Bekanntenkreis erlebt, habe diese Hilflosigkeit und Ungerechtigkeit gespürt. Wie kann es sein, dass Menschen derart ausgenommen werden und man kann rechtlich kaum etwas dagegen unternehmen?

Wie können Sie den Opfern helfen?

Da ich keine Juristin bin, kann ich keinen Rechtsbeistand bieten. Aber ich kümmere mich um diese Menschen, höre ihnen zu. Diese Menschen sind ja nicht nur finanziell geschädigt, sie sind auch seelisch angegriffen. Viele Angehörige geben den juristischen Kampf irgendwann auf, weil ihnen die Kraft fehlt oder das Geld.

Wie gehen die Täter vor?

Zunächst erschleicht sich der Täter das Vertrauen seines Opfers. Dann wird die Person von ihrem bisherigen Umfeld, von Nachbarn, Familie und Freunden, isoliert. Danach wird sie manipuliert und unter Druck gesetzt, etwa mit der Drohung, sich nicht mehr zu kümmern, wenn keine Vollmacht gegeben wird, keine Schenkung, kein Testament. Kurz gesagt: anschleichen, andocken, abzocken.

Das klingt abgebrüht.

Absolut. Ich vermute, dass es Leute gibt, die das öfter machen, weil sie so professionell vorgehen. Die sind ganz raffiniert. Viele alte Menschen sind sehr gutgläubig, das macht es Betrügern oft so einfach. Durch Einsamkeit, Gebrechen oder Krankheit sind die Älteren angreifbar.

Was raten Sie?

Achten Sie auf Veränderungen bei Ihren Lieben, fragen Sie nach: "Oma, Opa, was ist los? Wer ist diese fremde Person? Was will sie von dir?" Viele Opfer schämen sich und reden erst, wenn man sie anspricht.






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Bildquellen: Fred Froese/iStock, privat