Jack White: "Künstler treffen keine Vorsorge"
Erst Profifußballer, dann einer der erfolgreichsten Musikproduzenten Deutschlands - hinter Jack White liegt eine bemerkenswerte Karriere. Über seine Erfahrungen an der Börse und die Liebe zur GEMA.
von Christoph Platt, Euro am Sonntag
Hitproduzent, Sänger, Fußballspieler - Jack White (74) hat Karrieren gemacht, die gleich für mehrere Leben reichen. Die erfolgreichste davon ist seine Arbeit als Musikproduzent. Vermutlich kennt jeder Deutsche einen oder mehrere seiner Hits. Evergreens wie "Schöne Maid" von Tony Marshall oder "Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben" von Jürgen Marcus gehören genauso dazu wie Songs, mit denen White in den USA erfolgreich war. Mit Laura Branigan eroberte er zweimal die Spitze der US-Charts ("Self Control", "Gloria"). Auch "When the Rain Begins to Fall" von Pia Zadora stammt von ihm.
€uro am Sonntag traf den Produzenten, der am Mittwoch 75 Jahre alt wird, in seinem Berliner Büro. Dicht an dicht hängen dort Dutzende seiner mehr als 400 Goldenen Schallplatten, der Couchtisch ist eine Hommage an 45 Jahre Musikgeschäft mit Zeitungsausschnitten über Whites Leben. Ein Gespräch über den Hass auf einzelne Aktien, einen verkorksten Börsengang, abgehobene Künstler und das Talent, einen Hit zu schreiben.
€uro am Sonntag: Herr White, vor etwas mehr als einem Jahr haben Sie Ihren Rückzug aus dem Musikgeschäft bekannt gegeben. Wie fühlt sich die Rente an?
Jack White: Rente darf man in meinem Fall ja nicht sagen. Ich bin auf dem Weg zum Privatier. Ein bisschen Musik mache ich schon noch, aber eigentlich lasse ich alles auslaufen. Stattdessen beschäftige ich mich mit der Börse.
Mit was genau? Mit Aktien einzelner Unternehmen?
Auf gar keinen Fall. Ich hasse Einzelwerte. Früher habe ich regelmäßig Aktien gekauft, bin damit aber
öfters auf die Nase gefallen. Schon vor vielen Jahren habe ich die Entscheidung getroffen: keine Einzelaktien mehr!
In was investieren Sie stattdessen?
In Fonds. Ich liebe Fonds. Ich habe gelernt: Fondsmanager, die sich von morgens bis abends mit dem Zeug beschäftigen, sollen entscheiden, was gekauft und verkauft wird und wie sie ihr Portfolio zusammenstellen.
Welche Fondsgattungen bevorzugen Sie?
Aktien- und Mischfonds, am liebsten global. Einzelne Länder interessieren mich nicht, so was würde ich nie kaufen. Klar hätte man zum Beispiel ahnen können, dass in Indien die Kurse nach der Wahl des neuen Premierministers im Mai 2014 steigen. Aber die Richtung möchte ich nicht vorgeben, sondern einem globalen Fondsmanager überlassen. Der soll die Entscheidung treffen, ob er nach Indien geht oder nicht.
Lassen Sie sich beraten, welche Fonds gut sind?
Ich treffe die Entscheidungen im Team. Meist rufe ich einen guten Freund an, der früher Fondsmanager bei einer Liechtensteiner Bank war. Das ist ein sehr konservativ anlegender Mensch. Einen Finanzberater habe ich natürlich auch. Mit dem wähle ich die Anlageklasse aus und dann sucht sein Computer die fünf, sechs besten Fonds dafür. Deren Entwicklung kann man dann übereinanderlegen und so bekomme ich ein gutes Bild.
Wonach wählen Sie aus, in welches Produkt Sie investieren?
Ich schaue mir immer einen etwas kürzeren Zeitraum von vielleicht zweieinhalb Jahren an und einen mittleren von fünf Jahren - weil da das schwierige Jahr 2011 dabei ist. In diesem Jahr sollte der Fonds zumindest eine schwarze Null erzielt haben. Eine Ausnahme von dieser Regel mache ich nur, wenn er seitdem brutal performt hat.
Verfolgen Sie die Entwicklung
Ihres Portfolios täglich?
Nein, ich zwinge mich, es nicht zu tun. Das würde mich verrückt machen. Ich habe in Ihrer Zeitung mal ein Interview mit einem Multimilliardär gelesen, der nur alle drei Monate in sein Depot guckt. Da musst du hinkommen, Jack, habe ich mir gedacht. Ich habe auch absichtlich kein Smartphone, weil ich dann jeden Tag 100-mal auf die Börse gucken würde.
Wie ist Ihr Vermögen angelegt?
Da habe ich eine gesunde Mischung. Neben den Fonds besitze ich natürlich auch Immobilien, momentan sechs oder sieben. Und natürlich Cash. Ich habe ein Leben lang dafür gesorgt, dass ich nie in Liquiditätsengpässe gekommen bin. Das ist ganz wichtig.
Sie haben vorhin eine Lanze für die Arbeit von aktiven Fondsmanagern gebrochen. Besitzen Sie auch ETFs, die einem Index folgen?
Nein, obwohl das Thema immer wieder an mich herangetragen wird. Ich habe mich an die Philosophie gewöhnt, dass ein Fondsmanager entscheidet, was zu kaufen ist.
Was ist mit Anleihen?
Die werden mir auch fortwährend empfohlen. Du musst diversifizieren, auch Anleihen kaufen, sagen meine Vermögensberater. Ja, ich sollte mich damit beschäftigen, aber im Moment will ich das noch nicht tun. Ich habe allerdings die Entscheidung getroffen, mich in nächster Zeit von zwei oder drei meiner Immobilien zu trennen. Sobald ich die verkauft habe, werde ich definitiv nicht nur in Aktienfonds gehen, sondern auch in defensivere Geschichten, und Anleihen werden eine große Rolle spielen. In den kommenden 20, 25 Jahren, die mir hoffentlich auf dieser Welt noch bleiben, werde ich aus der Aggressivität etwas rausgehen.
Mit 74 Jahren kaufen die wenigsten Anleger noch groß Aktienfonds ...
Reinhard Mohn, der frühere Bertelsmann-Chef, hat einmal gesagt: Nichts zu riskieren, ist das größte Risiko. Nach diesem Motto lebe ich im Moment.
Stammt Ihr Interesse am Thema Geldanlage aus der Zeit, als Sie mit Ihrer eigenen Firma börsennotiert waren?
Bevor wir mit Jack White Productions 1999 an die Börse gegangen sind, wusste ich nicht mal, wie man das Wort "Aktie" schreibt. Ich bin zum Börsengang gekommen wie die Jungfrau zum Kind. Damals haben viele auf mich eingeredet: Du musst das unbedingt tun! Und plötzlich wollten Analysten ständig Prognosen von mir haben. Ich habe dann gesagt: Ich kann das nicht. Man kann doch nicht prognostizieren, ob eine Platte ein Hit wird oder nicht. Auch wenn ich dafür ein gewisses Gespür habe - vorhersagen lässt sich das nicht. Hier geht es um den Unterschied, ob ein Song 5.000-mal verkauft wird oder fünf Millionen Mal.
Besonders gut waren Ihre Erfahrungen mit dem Börsenparkett nicht. Der Kurs der Aktie stürzte von 45 auf zwei Euro ab.
Schrecklich. Es dauerte fünf Jahre, bis der Kurs wenigstens wieder zweistellig war. Auf diese Weise habe ich die Börse kennengelernt. Aber das Kapitel JWP liegt hinter mir. Mit meinen heutigen Investments läuft es besser.
Haben Ihnen Ihre Erfahrungen im Musikgeschäft bei Ihrer Geldanlage etwas genutzt?
Nein, eigentlich nicht. Doch es gibt immer wieder abschreckende Beispiele von Stars, die mit dem vielen Geld, das sie verdienen, nicht umgehen können. Künstler neigen dazu, einen Erfolg nicht zu verkraften und zu vergessen, dass es nicht ewig so weitergehen kann. Die treffen keine Vorsorge. Mit manchen Sängern haben wir Millionen von Platten verkauft - und heute geht es ihnen richtig schlecht. Ein Teil meines Berufs ist es aufzupassen, dass die Künstler nicht abheben.
Sie haben Ihr Geld besser zusammengehalten …
Ich hatte immer ein Sicherheitsdenken. Das hat mit meiner sehr unschönen Kindheit zu tun. Unser Vater hat uns verlassen, als ich zwölf und meine Schwester elf Jahre alt war. Mit meiner Mutter mussten wir in einem Bunker leben und haben gehungert. Das hat mich geprägt. Schon damals habe ich mir vorgenommen: Wenn’s dir mal gut gehen sollte, machst du alles ein bisschen anders.
Was war Ihr bestes Investment?
Die Antwort wird Ihnen nicht gefallen, denn sie wird Ihren Lesern nicht helfen. Der liebe Gott hat mir das Talent in die Wiege gelegt, dass ich Hits schreiben kann. Ich habe "Schöne Maid" - und bitte lachen Sie nicht - in 25 Minuten geschrieben. Mein bestes Investment waren immer die Lieder, die letztlich meine Evergreens geworden sind. An denen verdiene ich dank GEMA, die die Verwertungsrechte von Urhebern geltend macht, solange ich lebe und meine Erben bis 70 Jahre nach meinem Tod. Gehen Sie zum Oktoberfest, da werden Sie jeden Abend sechs, sieben meiner Lieder hören. Und immer wieder kassiert die GEMA. Das ist wunderbar.
Vom Fußball zur Musik
Jack White ist einer der erfolgreichsten deutschen Musikproduzenten. Zahlreiche Evergreens, vor allem aus den 70er-Jahren, stammen aus seiner Feder. In den USA gelingen ihm Anfang der 80er-Jahre zwei Nummer-1-Hits. White, mit bürgerlichem Namen Horst Nußbaum, wird am 2. September 1940 in Köln geboren. Nach schwieriger Kindheit wird er Fußballspieler und mit dem PSV Eindhoven niederländischer Vizemeister. 1966 beendet er seine Profikarriere und versucht sich, nunmehr als Jack White, erfolglos als Sänger.
Als Musikproduzent gelingt ihm der endgültige Durchbruch mit dem Lied "Schöne Maid" von Tony Marshall, das sich millionenfach verkauft.
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Bildquellen: Jack White Production AG