Euro am Sonntag-Interview

G7-Gastgeber Müller-Elmau: "Frau Merkel entscheidet alles"

23.03.15 03:00 Uhr

G7-Gastgeber Müller-Elmau: "Frau Merkel entscheidet alles" | finanzen.net

Am vergangenen Wochenende eröffnete der Schlossherr das Luxushotel, in dem Anfang Juni die Staatschefs des G 7-Gipfels tagen und nächtigen werden.

von Michael Hannwacker, Euro am Sonntag

Vor zehn Jahren stand Dietmar Müller-Elmau vor den Ruinen seiner Familien­geschichte. Schloss Elmau, der nur über eine Privatstraße zu erreichende Musentempel bei Mittenwald, war abgebrannt. Der Enkel des Erbauers beließ es nicht beim Wiederaufbau. Er schuf nach eigener, nicht ganz von der Hand zu weisender Einschätzung ­eines der besten Ferienhotels in Deutschland, wenn nicht der Welt. Im Januar vergangenen Jahres entschied sich Bundeskanzlerin Angela Merkel für den abgeschiedenen Ort als Schauplatz für das Gipfeltreffen der sieben führenden Wirtschaftsnationen am 8. und 9. Juni. Mehr als rechtzeitig hat Müller-Elmau den großzügigen Ableger seines Schlosses fertiggestellt, in dem Eifersüchteleien unter den Führern der freien Welt so gut wie ausgeschlossen sind. Jeder von ihnen bekommt 210 Quadratmeter Raum zur Verfügung.

€uro am Sonntag: "Schloss Elmau Retreat", soeben in direkter Nachbarschaft zu Ihrem Stammhaus fertiggestellt, hat acht gleich große Suiten. Das vermeidet, dass es unter den Staatschefs zu Zurücksetzungstraumata kommt. War das Ihre Idee ?
Dietmar Müller-Elmau:
Ich habe das Retreat als Hotel im Hotel bereits vor acht Jahren im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau des abgebrannten Schloss Elmau geplant. Mit dem Bau von 47 Suiten wollte ich nicht nur der Nachfrage von Familien nach großzügigen Räumlichkeiten entsprechen, sondern auch die Chance erhöhen, dass in Schloss Elmau eines Tages vielleicht ein G 7-Gipfel stattfinden könnte. Ich vermutete, die Möglichkeit einer absolut gleichwertigen Unterbringung der Staats- und Regierungschefs würde die Arbeit des Protokollchefs und damit eine Entscheidung zugunsten von Schloss ­Elmau erleichtern.

Sie hatten das damals schon im Kalkül?
Ich wusste, dass dieser Ort sich perfekt dafür eignet, ja.

Frau Merkel selbst kennt Schloss Elmau ...
… seit 2005. Kurz vor der Bundestagswahl hat sie anlässlich einer Tagung des German Marshall Funds hier einen Vortrag über das Verhältnis von EU und Türkei gehalten. Und als ihr Protokollchef Jürgen Christian Mertens im Mai 2013 die Eignung dieses Ortes auslotete, hatte ich gerade die Baugrube für das Retreat ausgehoben.

Werden die Führer der G 7 von der Aura dieses Ortes profitieren?
Die Bundeskanzlerin hat dieses Stück Landschaft sicherlich auch in der Hoffnung ausgewählt, dass die Begeisterung für die Schönheit des Ortes Gespräche und Kompromisse erleichtert.

Und die schönste Botschaft ...
... wäre, wenn Frau Merkel sagt, dieser Gipfel war ein Erfolg.

Hätten Sie Putin denn lieber dabei gehabt?
Ich freue mich über jeden Gast, der die Freiheit des anderen respektiert.

Empfinden Sie den Umstand, dass ihr Haus als Standort für den Gipfel ausgewählt wurde, nun als Ritterschlag?
Ich mag das Wort "Ritterschlag" überhaupt nicht. Aber es ist natürlich eine sehr große Auszeichnung, Deutschland von seiner schönsten Seite zeigen zu dürfen. Allerdings: Sie müssen dafür viel investieren, bereit sein, Risiken einzugehen und Vertrauen zu gewinnen.

Was zeichnet Elmau denn aus?
Schloss Elmau hat heute eine Qualität, die Sie vielleicht selbst in Amerika und in Asien nicht bekommen. Wir sind das erste Ferienhotel in Deutschland, das als Trendsetter international anerkannt wird. Im Ranking des Schweizer Wirtschafts­magazins "Bilanz" belegen wir seit Jahren erste Plätze. Das Schloss Elmau Retreat setzt als Hotel im Hotel neue Maßstäbe an Möglichkeiten und Großzügigkeit. Die durchschnittliche Zimmergröße der 47 Juniorsuiten und Suiten beträgt 75 Quadratmeter.

Aber wird sich das auch tragen?
Davon gehe ich aus, auch wenn die Ansprüche der Gäste immer höher sind als die Preise.

Warum sind eigentlich Hotels dieses Niveaus hierzulande so selten?
Weil die Deutschen keine Wertschätzung für das eigene Land haben. Selbst in den Städten überwiegt der Billigtourismus. In Berlin gibt es neun Motel One.

Und auf dem Land, unsere "Country­side"?
Erhält nicht die Wertschätzung, Investitionen und Kredite, die sie verdient. Deutsche geben im Ausland gern für weniger das Drei- bis Fünffache aus, ohne sich zu beschweren. Aber zu Hause wollen sie kein Geld ausgeben. Im ganzen Land gibt es vielleicht nur vier bis fünf Ferienhotels im Fünf-Sterne-Bereich: darunter Schloss Elmau, die Sonnenalp im Allgäu, das Hotel Bareiss und die Traube Tonbach in Baiersbronn. In St. Moritz versammeln sich doppelt so viele - in einem einzigen Dorf! Das sagt doch alles.

Tut sich Deutschland denn so schwer im Tourismus?
Leider ja. Dabei könnten wir auch im Ferientourismus wie in der Auto­industrie international spitze sein. Wir sind kreativ, produktiv, freundlich, weltoffen und wir haben eine erstklassige Infrastruktur.

Aber das Ausland ist attraktiver?
Ich wollte mal mit meinem Sohn ein paar Tage in das zehn Kilometer entfernte Leutaschtal auf der anderen Seite des Wettersteingebirges fahren. Da hat er protestiert, Papa, das sind doch keine Ferien. Warum sind das keine Ferien, habe ich gefragt. "Das ist doch überhaupt nicht weit weg." Die Deutschen assoziieren also Urlaub mit ganz weit weg

Heiligendamm hat vor acht Jahren eher nicht von dem Gipfeltreffen profitiert. Macht Ihnen das Sorgen?
Überhaupt nicht. Natürlich können Sie von einer solchen Veranstaltung nicht profitieren, wenn Sie kein geeignetes Produkt haben. Sie werden ja nicht wegen eines solchen Gipfels erfolgreich. Sie können die gesteigerte Bekanntheit nur nutzen, wenn Sie gut sind. Denn es entsteht ja die Erwartung: Da haben die Staatschefs logiert, das muss also das Nonplusultra sein. Und wenn Sie das nicht sind, dann haben Sie ein Problem. Das ist in Heiligendamm passiert. Elmau dagegen hat schon vorher bewiesen, dass es höchste Erwartungen erfüllen kann. Wir gehören zu den führenden Hotels in Deutschland und sind innovativ. Wir arbeiten seit der Eröffnung vor knapp acht Jahren erfolgreich.

Und der Ort selbst? Verträgt der so viel Rummel?
Schloss Elmau liegt so abgeschieden, dass der Gipfel die Bevölkerung kaum in Mitleidenschaft ziehen wird. Ja, wahrscheinlich werden ­einige Straßen kurzzeitig gesperrt. Aber was ist das schon angesichts des millionenschweren Investitionsprogramms zur Verbesserung der Infrastruktur, von dem die Region nachhaltig profitiert? Das ist doch das größte Geschenk, das die Region je von Bundes- und Landesregierung bekommen hat. Hier kann sich überhaupt niemand beschweren.

Auch nicht die Naturschützer?
Worüber denn? Dass hier eine Straße aufgebrochen und eine Leitung verlegt wurde? Das geschieht in Deutschland jeden Tag tausendfach und kein Mensch regt sich auf. Aber vielleicht geht es denen nur um Öffentlichkeit, die man nur bekommt, wenn man gegen einen Gipfel demokratischer Nationen protestiert. Obwohl die Bundeskanzlerin das Thema Klimaschutz ganz oben auf die Tagesordnung des Gipfels gesetzt hat, weil nach 20 Jahren endlich die Chance besteht verbindliche Grenzwerte zu vereinbaren, protestieren vermeintliche Naturschützer gegen diesen Gipfel.

Wie bereiten Sie sich auf die Gipfelgäste vor?
Gar nicht. Die Teilnehmer werden uns rechtzeitig sagen, was ihre Wünsche sind, und dann werden wir sie, soweit irgend möglich, auch erfüllen.

Falls die Gipfelteilnehmer ein bisschen Freizeit haben - wie sollten sie die gestalten?
Vielleicht nutzen sie eines der vielen Spa-Angebote und genießen die herrliche Ruhe und den spektakulären Blick auf die umliegenden ­Gipfel?

Dürfen Sie selbst Vorschläge zur Gestaltung machen?
Es machen sicher alle möglichen Leute jede Menge Vorschläge. Aber am Ende entscheidet die Bundeskanzlerin als Gastgeberin über jedes Detail. Das Wohl ihrer Gäste liegt ihr persönlich am Herzen.

Der Herbergsvater
Dietmar Müller-Elmau, 1954 in Elmau geboren und aufgewachsen, empfand das im 1. Weltkrieg von seinem Großvater errichtete Schloss in Kindheit und Jugend als "scheinheiliges Feindesland". Nach Studien der Betriebswirtschaft, Philosophie und Theologie belegt er Computer Sciences in den USA. 1988 gründet Müller-Elmau Fidelio, eine Firma für Hotelsoftware, die er an Micros Systems verkaufte. Nach dem Brand im August 2005 verwandelt der sechsfache Vater das Haus mit komfortablen Zimmern, zwei Spas, fünf Restaurants und einem gehobenen Bühnenprogramm in ein "Luxury Spa & Cultural Hideaway Resort".

Bildquellen: Ulrike Myrzik/Schloss Elmau