SCHUFA-Macht: Was Verbraucher über den Datensammler SCHUFA wissen müssen
Wer seine Kreditwürdigkeit kennen will, fragt zum Beispiel die SCHUFA. Doch was weiß die eigentlich alles? Warum es gut ist, stets seinen SCHUFA-Score zu kennen.
von Sabine Hildebrandt-Woeckel, Euro am Sonntag
Ist irgendwo die Rede von der SCHUFA, weiß vermutlich jeder in Deutschland, worum es in etwa geht. Will man einen Kredit beantragen oder etwas auf Raten kaufen, ist die Anfrage bei der SCHUFA längst Standard. Auch wer auf Wohnungssuche ist, kommt an der in Wiesbaden ansässigen Auskunftei kaum noch vorbei. Ohne SCHUFA-Auskunft gibt es keine Wohnung. Doch kennen wir das System SCHUFA wirklich? "Nein", sagt Birgit Vorberg, die bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen für die Sachgebiete Kredit und Entschuldung zuständig ist. "Wie weit die SCHUFA tatsächlich in unser Leben hineinreicht, können sich die meisten nicht vorstellen."
Als Servicepartner für Unternehmen wie auch für Verbraucher und als Vermittler zwischen beiden sieht sich das Unternehmen selbst. Gegründet im Jahr 1927, sammelt es seither Daten über die Zahlungsfähigkeit von Verbrauchern. Seit 2007 errechnet es daraus dann einen Prozentwert, der die Erfüllungswahrscheinlichkeit von Verbindlichkeiten darstellt: den SCHUFA-Score. Die Vertragspartner der SCHUFA, die gleichzeitig auch die Lieferanten der meisten Daten sind, können ihn heutzutage praktisch in Sekundenschnelle online abrufen. Wobei es tatsächlich nicht nur einen Score gibt, wie SCHUFA-Sprecher Ingo Koch klarstellt, sondern mehrere.
Die Philosophie hinter dem SCHUFA- Geschäftsmodell ist ganz einfach: Wenn Unternehmen ihre Erfahrungen mit Kunden untereinander austauschen, hilft das beiden. Denn wer weiß, dass ein Kunde zahlungsfähig ist, kann ihm mehr oder teurere Produkte verkaufen. Und auch der Kunde profitiert, weil er sich durch Ratenzahlungen oder Kredite mehr leisten kann, als das Konto gerade hergibt. Daher der Name: Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung - SCHUFA.
Neben der SCHUFA gibt es in Deutschland noch andere Auskunfteien, etwa CRIF Bürgel, Infoscore Consumer Data (gehört zu Arvato Financial Solutions) und Creditreform Boniversum. Sie übernehmen teilweise auch noch andere Finanzleistungen wie Inkasso und haben einen sehr viel geringeren Marktanteil als der Platzhirsch SCHUFA.
Schon 97 Prozent sind eher negativ
Doch so einfach und nachvollziehbar die Idee, so folgenreich kann es für den Einzelnen sein. Und das betrifft keineswegs nur Schuldner, wie viele glauben. Die SCHUFA, erläutert Expertin Vorberg, beeinflusst die Ausgestaltung von sehr vielen Verträgen - und zwar von Anfang an. Die Betroffenen, die zuvor standardmäßig die Einwilligung zur SCHUFA-Abfrage auch ihrem Telekommunikationsanbieter oder einem Onlinehändler gegeben haben, bemerken davon oft gar nichts. Wer weiß schon, dass die Konditionen des Energieversorgers bei anderen besser sind oder der Nachbar auf Rechnung bezahlen darf, man selbst aber nicht?
Was Verbraucherschützer erstaunt: Viele Menschen kümmern sich überhaupt nicht um das Thema, glauben oftmals sogar, dass es sich um eine Behörde handelt, kennen ihren eigenen Score-Wert nicht - oder können ihn nicht deuten. Immer wieder erlebe sie, so Vorberg, dass Ratsuchende glauben, ein Score von 90 Prozent sei gut. "Dabei kann schon ein Prozentwert von 97 negative Auswirkungen haben".
Was die SCHUFA alles so sammelt
Verbraucher- und Datenschützer kritisieren keineswegs grundsätzlich das Konzept von Auskunfteien. Problematisch sei jedoch vor allem die Tatsache, "dass nicht veröffentlicht wird, wie sich ein Score genau zusammensetzt und welche Kriterien am Ende die Einstufung der Bonität bestimmen", findet Martin Jedwillat, Inhaber der unter anderem auf IT und Datenschutz spezialisierten Kanzlei Advomare in Rostock.
Die SCHUFA wiederum betont, dass sie sich stets im Rahmen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und des Bundesdatenschutzgesetzes bewege und alle gesetzlichen Transparenzvorschriften erfülle, mitunter sogar übererfülle. Tabu sind für die SCHUFA beispielsweise Daten zu Herkunft, Religion, Familienstand, Nationalität, Arbeitgeber, Einkommen, Guthaben und Wertpapierdepots.
Speichern darf sie hingegen:
Allgemeine Daten: Geburtsdatum, Geschlecht oder Anzahl von im Geschäftsverkehr verwendeten Anschriften.
Bisherige Zahlungsstörungen: Zum Beispiel Saldenmeldungen einer Bank, Mahnverfahren, Vollstreckungsbescheide oder Privatinsolvenzen.
Kreditaktivitäten: Etwa Kreditkartenanfragen, Kreditgewährungen.
Länge der (störungsfreien) Kredithistorie: Seit wann werden Kreditprodukte genutzt?
Anschriftendaten: Nur, wenn wenige personenbezogene kreditrelevante Informationen vorliegen.
Wie all die Informationen aber im Einzelnen gewichtet werden, darüber schweigt man sich in Wiesbaden unter Berufung auf das Geschäftsgeheimnis aus und bekam diesbezüglich 2014 vor dem Bundesgerichtshof auch recht (Az. VI ZR 156/13). Die Karlsruher Richter bestätigten zwar ausdrücklich den Anspruch auf Auskunft, welche personenbezogenen und insbesondere kreditrelevanten Daten bei der Auskunftei gespeichert sind. Sie verneinten aber einen Anspruch der Klägerin auf Informationen zu besagter Gewichtung der Merkmale und auf Angaben zu Vergleichsgruppen. Begründung: Geschäftsgeheimnisse wie eine sogenannte Score-Formel seien zu schützen.
"Ein Unding", findet Jedwillat, weil das dazu führe, dass Verbraucher ihren Score sogar unwissentlich negativ beeinflussen, etwa weil sie mehrmals umziehen oder häufiger ihren Energieversorger und ihr Telekommunikationsunternehmen wechseln. Wie auch andere Anwälte und Verbraucherorganisationen versucht Jedwillat seit Jahren, Licht ins Dunkel zu bringen.
Dabei konnten die Skeptiker in der Vergangenheit durchaus Erfolge verzeichnen. Zum Beispiel dürfen sogenannte Geodaten nur noch in Ausnahmefällen verwendet werden, also Ab- oder Aufwertungen, weil man in der falschen oder richtigen Gegend wohnt. Oder weil man sich nach Konditionen für einen Kredit erkundigt. Gab es davon früher zu viele Fälle, sank der Score - selbst wenn es der Kunde war, der sich gegen ein Angebot entschieden hatte.
Erst mal zwei Mahnungen
Ist ein Score negativ, lässt sich der Grund dafür oftmals weder für den Betroffenen selbst noch für Juristen nachvollziehen. "Viele Konten beispielsweise", so der Experte, "können negativ gewertet werden, aber auch positiv, wenn sie lange bestehen und störungsfrei laufen." Gleiches gilt für Kredite.
Einzelne Informationen haben somit für sich betrachtet, "keine oder nur eine sehr eingeschränkte Aussagekraft", bestätigt denn auch SCHUFA-Mann Koch. "Statistisch relevant sind insbesondere Abhängigkeiten einzelner Daten untereinander."
Trotzdem können einzelne Einträge katastrophale Auswirkungen haben. Viele Verbraucher unterschätzen die enorme Machtstellung der SCHUFA. Wer einmal eine Forderung nicht begleicht, kann unter bestimmten Voraussetzungen abgewertet werden. Wird die Forderung nicht bestritten und auch nach zweimaliger Mahnung nicht bezahlt, kann der Gläubiger dies an die SCHUFA melden, was den Score drastisch verschlechtert. Bleibt es bei dem einmaligen Vorfall, steigt der Score im Lauf der Zeit zwar wieder, aber der Eintrag führt weiterhin dazu, dass sich die Konditionen bei Geldgeschäften verschlechtern können.
Zahl der Fälle umstritten
Ein Effekt, der besonders dramatisch ist, wenn der Negativeintrag fälschlich erfolgt. "Test.de" etwa berichtete über eine Bankkundin, der ohne Vorwarnung die Kreditkarte gekündigt und der Dispokredit gestrichen wurde. Ursache: Ein Inkassounternehmen hatte zwei Namen verwechselt. "Kein Einzelfall", betont Maximilian Block, Gründer und Geschäftsführer von Advocado, einer auf Onlinevermittlung und Beratung spezialisierten Rechtsplattform.
Zwar behauptet die SCHUFA selbst, dass nur wenige Fehler passieren - und wenn, dann würden sie schnell korrigiert. Sie hat für Reklamationen Onlineformulare und als einzige Auskunftei immerhin einen Ombudsmann eingesetzt. Verbraucheranwälte können aber die offiziellen Zahlen, wonach im vergangenen Jahr 441 zulässige Verbraucheranliegen - darunter 31 berechtigte - eingegangen seien, nur schwer glauben. "Wir haben allein seit Mitte letzten Jahres 1.000 Fälle bearbeitet", sagt Block. "Tendenz steigend!"
Um unangenehme Überraschungen zu vermeiden, empfehlen Experten jedem, sich regelmäßig über die gespeicherten Daten und vor allem den Basisscore zu informieren. Hierfür stellt die SCHUFA eine kostenlose Datenkopie (nach Artikel 15 DSGVO) zur Verfügung, die auf der Internetseite meineschufa.de angefordert werden kann. Allerdings nur einmal im Jahr.
29,95 Euro für eine Mieterauskunft
Wer seinen Score engmaschiger kontrollieren will, muss ein Abo abschließen, das je nach Leistung von 3,95 bis 6,95 Euro monatlich kostet. Dass die SCHUFA hierfür Geld verlangt, ist ebenfalls ein großer Kritikpunkt der Verbraucherschützer. In bestimmten Situationen, so Expertin Vorberg, ist es trotzdem ratsam, etwa nach einem Umzug, beim geplanten Wechsel des Telefonanbieters oder des Energieversorgers: "Allein um sofort zu wissen, ob sich der Score dadurch verändert."
Auch Wohnungssuchende sollten überlegen, ein Abo abzuschließen, denn die SCHUFA-Auskunft, die sich immer mehr potenzielle Vermieter vorlegen lassen, kostet richtig Geld, satte 29,95 Euro. Im Rahmen eines Abos wird sie günstiger oder kostenlos.
Die SCHUFA-Holding und ihr Scoring
Bezeichnung: Die SCHUFA ist eine privatwirtschaftliche Wirtschaftsauskunftei mit Hauptsitz in Wiesbaden. Das Unternehmen hat über 900 Mitarbeiter und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von über 212 Millionen Euro (Stand: 2019). Laut eigenen Angaben speichert sie aktuell Daten von fast 68 Millionen Personen sowie sechs Millionen Unternehmen und verarbeitet pro Jahr 169 Millionen Anfragen und Meldungen. Ihren rund 10 000 Vertragspartnern, neben Banken unter anderem (Online-)Händler, Energieversorger oder Telekommunikationsunternehmen, stellt die SCHUFA branchenspezifische oder individuelle Scores zur Verfügung, die tagesaktuell errechnet werden. Unabhängig davon gibt es für jeden Verbraucher den sogenannten SCHUFA-Basisscore, eine branchenübergreifende Einschätzung der Bonität eines Verbrauchers. Hier erfolgt die Berechnung einmal pro Quartal auf Basis der zu einer Person bei der SCHUFA gespeicherten Daten.
Aufgeschlüsselt bedeuten die Prozentzahlen:
> 97,5 %: sehr geringes Risiko
95 % - 97,5 %: geringes bis überschaubares Risiko
90 % - 95 %: zufriedenstellendes bis erhöhtes Risiko
80 % - 90 %: deutlich erhöhtes bis hohes Risiko
50 % - 80 %: sehr hohes Risiko
< 50 %: sehr kritisches Risiko
Welche Daten meine Bonität bestimmen:
1. Behalten Sie Ihre Daten im Auge: Stellen Sie sicher, dass Ihre SCHUFA-Daten immer korrekt sind. Verlangen Sie bei falschen Angaben sofortige Korrektur.
2. Zahlen Sie alle Rechnungen immer pünktlich: Das gilt nicht nur für Kredite, sondern auch für Handy- und Stromrechnungen. Zwar darf nicht jeder Verzug gleich an die SCHUFA weitergegeben werden, denn zuerst muss zweimal gemahnt werden. Trotzdem empfehlen Experten, das Lastschriftverfahren zu nutzen und das Risiko somit zu minimieren.
3. Vorsicht beim Dispokredit: Die eingeräumte Höhe hat keinen Einfluss. Wird diese aber überzogen und das Konto gekündigt, folgt darauf ein Negativeintrag.
4. Suchen Sie bei Problemen das Gespräch: Wenn der Fall doch mal eintritt und Sie nicht pünktlich zahlen können, treten Sie aktiv an den Gläubiger heran. So lässt sich eine SCHUFA-Meldung oft vermeiden.
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