Euro am Sonntag gibt Rat

Kehrseite der Corona-Hilfen: So gibt es keine Abschläge bei der Betriebsrente

30.01.21 22:54 Uhr

Kehrseite der Corona-Hilfen: So gibt es keine Abschläge bei der Betriebsrente | finanzen.net

Pandemie: Mit diversen Zuschüssen hilft der Staat Angestellten und Selbstständigen. Doch das kann unangenehme Nebeneffekte bei Betriebsrente und Einkommensteuer haben.

von Ulrich Lohrer, Euro am Sonntag

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil zeichnete Mitte 2020 ein geradezu lyrisches Bild: "Kurzarbeit ist unsere starke Brücke über ein tiefes wirtschaftliches Tal." Inhaltlich hat er noch heute recht. Durch Kurzarbeitergeld können Firmen ihre Mitarbeiter halten, die sie sonst wegen Umsatzeinbrüchen durch die Pandemie hätten entlassen müssen.

Der Mechanismus funktioniert so: Bei einer vorübergehend schlechten Auftragslage haben Arbeitgeber die Möglichkeit, Kurzarbeit anzuordnen und so ihre Personalkosten zu senken. Die Arbeitnehmer erhalten von der Bundesagentur für Arbeit Kurzarbeitergeld, das zu normalen Zeiten 60 Prozent der Differenz beim Nettoentgelt des Monats, in dem kurzgearbeitet wird, ausmacht. Im Zuge der Corona-Krise erhöhte die Bundesregierung die Sätze ab dem vierten Monat Kurzarbeit auf 70 Prozent (77 Prozent mit Kindern) und ab dem siebten Monat auf 80 Prozent (87 Prozent mit Kindern). Im September wurde diese zunächst auf 2020 befristete Regelung verlängert: Bis Ende 2021 erhalten Beschäftigte das erhöhte Kurzarbeitergeld, sofern der Anspruch bis zum 31. März 2021 entstanden ist.

Das Kurzarbeitergeld gleicht zwar nicht den vollen Einkommensverlust aus. Durch tarifliche oder arbeitsrechtliche Regelungen kann der Arbeitgeber die Zahlung aber durch Gehaltsanteile aufstocken. Für die Empfänger ist das Kurzarbeitergeld ein Vorteil. Denn trotz schlechter Auftragslage der Firma beziehen sie weiterhin den Großteil ihres Einkommens und haben eine gewisse Arbeitsplatzsicherheit. Doch es können sich unerwünschte Nebeneffekte ergeben. Weil es sich nicht um ein Arbeitsentgelt handelt, sondern um eine sogenannte Lohnersatzleistung, kann sich das Kurzarbeitergeld negativ auf die Betriebsrente und auf die Steuerrückerstattung auswirken.

Hintergrund: Bei der betrieblichen Altersvorsorge profitieren während der Ansparphase Arbeitnehmer durch die Gehaltsumwandlung. Arbeitgeber genießen bei der arbeitgeberfinanzierten Betriebsrente Vorteile durch Einsparungen bei den Sozialabgaben und der Einkommensteuer. Je nach Ausgestaltung der Betriebsrente kann eine Änderung des Arbeitsentgelts durch die Kurzarbeit merkliche Folgen haben.

Wird die Betriebsrente einzig vom Arbeitgeber mit einem festen Beitrag bezahlt, ändert sich durch die Kurzarbeit nichts. Denn der Chef zahlt dann weiterhin für seine Mitarbeiter die vollen Beiträge in die Betriebsrente ein. Anders dagegen bei der - in großen Unternehmen weit verbreiteten - mischfinanzierten Betriebsrente. Dabei zahlen, prozentual vom Gehalt, der Arbeitgeber einen bestimmten Anteil und der Arbeitnehmer den restlichen Anteil des Beitrags.

"Während der Kurzarbeit sinken entsprechend dem niedrigeren Gehalt die Beiträge und damit die Rentenansprüche", erläutert Markus Steiner, Finanzberater vom Verbraucherservice Bayern im KDFB in Passau. Ein Handlungsbedarf bestehe aber nicht, da der Vertrag zu den ursprünglichen Konditionen weitergeführt werde und nur die Auszahlung etwas geringer ausfalle.

Unterbrechung vereinbaren

Anders dagegen, wenn der Arbeitgeber zum Kurzarbeitergeld überhaupt kein Arbeitsentgelt mehr zahlt. Dann werden bei der gehaltsabhängigen Betriebsrente auch keine Beiträge mehr eingezahlt. Zwei Monate nach dem Mahnverfahren reagiert dann üblicherweise der Versicherer mit einem Angebot. "Die beste Lösung, die von guten Versicherern der Buchhaltung des Unternehmens angeboten wird, ist eine für drei Jahre mögliche Unterbrechungsvereinbarung", sagt Steiner.

Die Einzahlung wird bis Ende der Kurzarbeit unterbrochen und mit Wiederbeginn der Zahlung von Arbeitsentgelt fortgeführt. An den Bedingungen der Betriebsrente ändert sich nichts. In der Folge fällt nur die Ablaufleistung entsprechend der Unterbrechung geringer aus.

Deutlich schlechter ist es, wenn der Versicherer mit dem Arbeitgeber eine Beitragsbefreiung vereinbart. Die Versicherer kommen so aus den für die Arbeitnehmer oft besseren, aber für die Assekuranz ungünstigen Bedingungen des Altvertrags heraus. Der größte Nachteil ist dabei oft der Verlust eines hohen Garantiezinses des Altvertrags, was zu empfindlichen Verlusten bei der Ablaufleistung führen kann.

Auch kann am Ende der Beitragsbefreiung eine ungünstigere Kalkulationsgrundlage für die versicherten Risiken herangezogen werden. Wichtig: Wurde eine Beitragsbefreiung wegen der Kurzarbeit vereinbart, sollte der Arbeitnehmer darauf drängen, diese möglichst in eine Unterbrechungsvereinbarung zu ändern.

Am häufigsten verbreitet, vor allem bei mittleren und kleineren Unternehmen, ist die Direktversicherung gegen Gehaltsumwandlung. Kommt es wegen der Einstellung des Arbeitsentgelts zum Beitragsstopp, kann der Angestellte die Rentenversicherung aus seinem versteuerten Einkommen privat weiterführen. Dann bleiben die Konditionen des Vertrags bestehen, aber die Besteuerung ändert sich.

Während der Einzahlung aus dem eigenen Nettoverdienst in der Kurzarbeit entfällt der Steuervorteil. In der Auszahlungsphase kann dies aber berücksichtigt werden, dann gilt für die privat finanzierte Rentenversicherung statt der nachgelagerten Besteuerung die niedrigere Ertragsanteilbesteuerung. "Voraussetzung ist, dass der Versicherer dafür einen eigenen Gewinnverband ausweist", sagt Steiner. Der Arbeitnehmer solle deshalb mit der Versicherung klären, ob das bei ihr so ist.

Sind Arbeitnehmer unsicher, wie ihre Betriebsrente geregelt ist, sollten sie ihre "arbeitsrechtliche Vereinbarung zur betrieblichen Altersvorsorge" anschauen. Darin ist die Besteuerung und die Höhe eines eventuellen Arbeitgeberzuschusses zur Betriebsrente geregelt. Notfalls kann diese Vereinbarung in der Buchhaltung eingesehen oder kopiert werden.

Im Zweifel zum Fachberater

Auf der Basis dieser Unterlagen kann der Arbeitnehmer prüfen, ob für ihn durch die Kurzarbeit und den Wegfall des regulären Arbeitsentgelts ein Handlungsbedarf hinsichtlich seiner Betriebsrente besteht. Vor allem, wenn eine Beitragsbefreiung droht oder diese bereits angelaufen ist, sollte alles versucht werden, diese noch in eine Unterbrechungsvereinbarung umzuwandeln.

Mit Unterstützung des Arbeitgebers oder der Buchhaltung besteht dafür zumindest eine Chance, da die Versicherungsgesellschaften in der Regel an weiteren Abschlüssen der betrieblichen Altersvorsorge mit dem entsprechenden Unternehmen interessiert sind. Auch eine Weiterführung einer über Gehaltsumwandlung finanzierten Direktversicherung mit privaten Beiträgen aus dem versteuerten Einkommen ist in der Regel besser als eine Beitragsbefreiung.

Im Zweifel sollten Beschäftigte sich fachkundig beraten lassen. Eine Beratung zu den Folgen der Kurzarbeit bieten für die Betriebsrente zuständige Makler sowie spezialisierte Verbraucherberater an.

Einen weiteren Nebeneffekt der Kurzarbeit werden viele Arbeitnehmer erst nach ihrer Einkommensteuererklärung im Folgejahr sehen. Denn das Kurzarbeitergeld unterliegt zwar nicht der Einkommensteuer, aber dem sogenannten Progressionsvorbehalt. "Vor allem Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen müssen damit rechnen, dass sie aufgrund der Wirkung der Steuerprogression statt einer Erstattung eine Steuernachzahlung leisten müssen. Ich empfehle, dafür schon jetzt etwa die Hälfte des regulären Lohnsteuerabzugs für die Steuernachzahlung aufgrund der Kurzarbeitszeit zurückzulegen", sagt Johannes Nagler, Steuerberater in Freising bei München.

Nicht nur abhängig Beschäftigte, sondern auch Freiberufler und Soloselbstständige, die eine Corona-Soforthilfe beantragt haben, sollten Vorsicht walten lassen (siehe unten). Denn auch für sie gilt: kein Medikament ohne Nebenwirkung.


Was Für Selbstständige wichtig ist

Von Lockdown zu Lockdown: Im Frühjahr 2020 beschloss die Bundesregierung Finanzhilfen für Kleinst- betriebe und Soloselbstständige. Ergänzt wurde dies durch Soforthilfen der Bundesländer. Die Corona-Hilfe für Selbstständige und Freiberufler ist zwar nicht mehrwertsteuer-, aber als Einnahme einkommensteuerpflichtig. Wer eine Hilfe beantragt hat, sollte darauf achten, dass nur betriebsbedingte Kosten, etwa für die Büromiete oder Leasingaufwendungen, aber keine privaten Ausgaben wie die Wohnungsmiete angegeben wurden. Auch gilt das Verbot der Doppelförderung: Die Corona-Soforthilfen des jeweiligen Bundeslandes und des Bundes durften nur einmal beantragt werden.

Da "entscheidungserhebliche Falschangaben im Rahmen des Antrags auf den Corona-Zuschuss mehrere Straftatbestände erfüllen, die mit Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren geahndet werden können" (Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft), sollten Freiberufler und Selbstständige Vorsicht walten lassen. Angesichts des aktuellen zweiten Lockdowns beschloss die Bundesregierung weitere Zuschüsse, deren Regelung sich Selbstständige genau anschauen sollten. Infos unter: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Coronavirus/soloselbststaendige-freiberufler-kleine-unternehmen.html.









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