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Jared Kushner: Wer ist der Machtmensch hinter Trump?

01.05.17 20:36 Uhr

Jared Kushner: Wer ist der Machtmensch hinter Trump? | finanzen.net

100 Tage ist Donald Trump als US-Präsident im Amt. In dieser Zeit hat sein Schwiegersohn Jared Kushner seinen Einfluss im Weißen Haus immer weiter ausgebaut.

von Peter Balsiger, Euro am Sonntag

Es herrscht Kriegszustand zwischen Jared Kushner, Donald Trumps Schwiegersohn und Chefberater, und Steve Bannon, dem Chefstrategen des Präsidenten. Ein "Infight" im politischen Zen­trum der Weltmacht, bei dem es um mehr geht als um einen Kampf unter Alphatieren: Es geht darum, welche Richtung Trumps Präsidentschaft in Zukunft nehmen wird, wer seine Politik mitbestimmt.



Geht Trumps Politik in Richtung der nationalistischen und rechtspopulistischen "America First"-Strategie von Steve Bannon, jenem düsteren Visionär, der gegen Einwanderung ist, gegen die Globalisierung, für wirtschaftlichen Protektionismus, gegen militärische Interventionen im Ausland und gegen die Politeliten in Washington ("Ich will alles zum Einsturz bringen und das komplette Establishment zerstören")? Oder setzt sich der pragmatische und lösungsorientierte Jared Kushner durch, den das angesehene Magazin "The New Yorker" bereits Trumps "Kronprinzen" nennt, ein gemäßigter Realpolitiker, der für Weltoffenheit und Kooperation steht und dem man in Washington zutraut, dass er einen mäßigenden Einfluss auf den oft unberechenbaren Schwiegervater ausüben kann?

Nach den ersten 100 Tagen von Trumps Amtszeit ist der Ausgang dieser Palastin­trige offen. Immerhin wurde Bannons Entlassung aus dem Nationalen Sicherheitsrat, dem zentralen Steuerungsinstrument der amerikanischen Innen- und Außenpolitik, bereits als Zeichen dafür gewertet, dass der Chefstratege an Macht verliert und sein Stern am Sinken ist. Auch Amerikas Militärschlag gegen eine Luftwaffenbasis des Assad-Regimes war eine Niederlage für ihn. Er hatte sich gegen eine militärische Antwort auf den Chemiewaffenangriff des Re­gimes ausgesprochen. Durchgesetzt hatte sich Kush­ner, der bei Trump für eine begrenzte Vergeltungsaktion plädierte.

Der klassische Siegertyp

Der Schwiegersohn hat ein eigenes Büro im West Wing und wacht darüber, wer zum Präsidenten vorgelassen wird - und wer nicht. "Super Jared" nennt ihn die "New York Times". Ex-Außenminister Henry Kissinger bezeichnet ihn als "Trumps wichtigsten Vertrauten". Er und seine Ehefrau Ivanka, die "First Daughter", die als Daddys Liebling gilt, verkörpern zudem geradezu das Ideal des ehrgeizigen, kultivierten und gut aussehenden amerikanischen Powerpaars. Sie bedienen so den Voyeurismus der US-Öffentlichkeit und deren Sehnsucht nach Glamour.

Eigentlich ist Jared Kushner nur unbezahlter Chefberater. Aber die Aufgabenbereiche, die ihm Trump zugewiesen hat, machen ihn richtig mächtig. Wie ein Außenminister reiste der politisch völlig unerfahrene Kushner in den Irak und traf sich dort - eine Panzerweste über dem eleganten Blazer - mit amerikanischen Generälen und dem irakischen Premierminister.



Kushner hat den Besuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in den USA vorbereitet. Seine beiden Kinder Arabella und Joseph durften den Gästen aus Fernost sogar ein chinesisches Volkslied vortragen. Er soll als Trumps Sonderberater für Frieden zwischen Israelis und Palästinensern sorgen, sich um die Betreuung der US-Kriegsveteranen kümmern, den Drogenmissbrauch bekämpfen, die Strafjustiz reformieren und mit einem "Amt für amerikanische Innovation" die Bundesverwaltung aufbrechen. Die Regierung, so Kushners Ansicht, solle wie ein großes amerikanisches Unternehmen funktionieren. Dafür hat er sich Berater aus dem Silicon Valley geholt.

"Es ist eine Ämterhäufung im Familienkreis, wie man sie eher aus autokratischen Regimen in Zentralasien kennt", spottete "Der Spiegel". In China würden Leute wie er "Prinzlinge" genannt, sie seien die Kinder der Mächtigen und würden Privilegien genießen, die Normalsterbliche nicht hätten. Viele in Amerika zweifeln, ob Kushner für dieses anspruchsvolle Aufgabenportfolio die nötigen Qualifikationen mitbringt.

Aber Kushner ist ein Siegertyp. Er hat in seinem Leben schon mehrfach bewiesen, dass er auch unmöglich scheinenden Herausforderungen gewachsen ist. Und für Trump ist sein Schwiegersohn "ein schlauer Kerl", der loyal zu ihm stand, als seine Präsidentschaftskam­pagne im Chaos zu versinken drohte. In der Liste von Trumps wichtigsten Werten steht Familie auf Platz 1 - und ­Loyalität auf Platz 2.

Jared Corey Kushner wurde 1981 in New Jersey geboren. Sein Vater Charlie war ein erfolgreicher Immobilienunternehmer, sein Großvater Joseph, ein polnischer Holocaust-Überlebender, war 1949 nach New York ausgewandert. Ein Handwerker, der nachts auf den Baustellen schlief, um das Busticket zu sparen, und der sein Erspartes in Immo­bilien investierte. Sein Sohn Charlie machte einen MBA-Abschluss an der New York University, gründete 1985 die Kushner Companies und baute das Unternehmen zu einem Immobilienimperium mit gewerblichen Objekten und 25.000 Apartments aus.

Charlie Kushner, der regelmäßig hohe Summen für Kandidaten der Demokratischen Partei spendete, war ein begabter, aber rücksichtsloser Geschäftsmann. Er zwang sich eine spartanische Selbstdisziplin auf, legte vor Arbeitsbeginn 180 Bahnen im Pool des Hilton Hotels zurück oder trainierte für den nächsten Marathon. Er kam mit einem Minimum an Schlaf aus, war Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr, seine Frau kaufte beim Billigdiscounter ein. Er propagierte ein Außenseiterimage. Sein Lieblingsfilm war "Das dreckige Dutzend", und er arbeitete am liebsten mit harten Typen zusammen, die auch mit den Schattenseiten des Lebens vertraut waren.

Über Nacht an die Macht

Jared Kushner war erst 24, als er nach seinem Jura- und Betriebswirtschaftsstudium die Führung des elterlichen Milliardenunternehmens übernehmen musste. Nicht ganz freiwillig: Sein Vater wurde wegen illegaler Wahlkampf­finanzierung, Steuerhinterziehung und unerlaubter Zeugenbeeinflussung zu zwei Jahren Haft verurteilt.

Der Fall wurde zum Skandal und zu einer Soap-Opera, die von den Boulevardmedien genüsslich ausgeschlachtet wurde: Charles Kushner hatte seine Schwester und deren Mann verdächtigt, mit der Staatsanwaltschaft kooperiert zu haben - um sich zu rächen, heuerte er eine Prostituierte an, die seinen Schwager verführte. Das Schäferstündchen ließ er heimlich filmen und schickte die kompromittierenden Aufnahmen seiner betrogenen Schwester. Der Staatsanwalt, der ihn ins Gefängnis schickte, war übrigens Chris Christie, der später gegen Trump als Präsidentschaftskandidat antreten sollte.

Jared Kushner hatte eben sein Studium beendet. Praktisch über Nacht wurde er nun zu einem wichtigen Player in der New Yorker Business­arena. Er stand zu seinem Vater und flog jede Woche nach Alabama, um ihn im Gefängnis zu besuchen. Der Skandal schweißte die Familie zusammen, sie fühlte sich als Justizopfer. Kushners erster Deal: Er kaufte 2006 die angesehene, aber etwas elitäre Wochenzeitung "New York Observer", ein auf lachsfarbenem Papier gedrucktes Blatt für die bessere Gesellschaft der Stadt. Einer der Gründe für den Kauf war wohl sein Wunsch nach sozialer Anerkennung. Er wollte nach oben, und das Blatt öffnete ihm die Tür zur Welt der New Yorker ­Society. Der smarte Unternehmer wurde zu den Partys der "Men’s Vogue" eingeladen, die Glamourpostille "Vanity Fair" interviewte ihn, Zeitungsmagnat Rupert Mur­doch empfing ihn auf seiner Jacht.

Kurze Zeit später lernte Kushner bei einem Businesslunch Ivanka Trump kennen. Nach einem etwas holprigen Beziehungsstart heirateten sie 2009, Ivanka konvertierte zum Judentum. Das Paar befolgt die Sabbatruhe, schaltet am Freitag nach Sonnenuntergang die Telefone ab. Trump soll mit Rücksichtnahme auf Kushner präsidiale Ankündigungen schon so terminiert haben, dass sie nicht auf den Sabbat fielen. Kushner hatte anfänglich wohl großen Respekt vor Trump: Er soll seinen Schwiegervater noch mit "Mister Trump" angesprochen haben, als er Ivanka bereits geheiratet hatte.

Geschäfte für 14 Milliarden Dollar

Als Immobilienunternehmer war Kushner sehr erfolgreich. So kaufte er 2007 für 1,8 Milliarden Dollar ein 41-stöckiges Hochhaus an der vornehmen Fifth Avenue in Manhattan, einer der teuersten Immobiliendeals in der Geschichte der Stadt. Ferner das New Yorker Times Square Building für 295 Millionen Dollar.

Laut "Wall Street Journal" tätigte Kushner Geschäfte im Umfang von 14 Milliarden Dollar. Im Dezember 2016 besaßen die Kushner Companies insgesamt 1,2 Millionen Qua­dratmeter an vermietbarer Bürofläche sowie 20.000 Apartments in sechs Bundesstaaten. Außerdem hält er eine indirekte Beteiligung an der mit 1,5 Milliarden Dollar bewerteten Risikogesellschaft Thrive Ca­pital seines Bruders Joshua. Heute schätzt "Forbes" das Vermögen von Jared Kushner, seinem Bruder Josh und seinen Eltern auf mindestens 1,8 Milliarden Dollar. Die Hälfte davon besteht aus Immobilienbesitz.

In Trumps Wahlkampf entwickelte Kushner die als wahlentscheidend geltende digitale Kampagne mit dem Codenamen "Alamo". Damit sollte wohl bewusst an die zum Symbol des texanischen Unabhängigkeitskrieges gewordene Schlacht um das Fort Alamo 1836 erinnert werden, wo knapp zwei Hundertschaften annähernd zwei Wochen den Truppen des mexikanischen Diktators Santa Anna widerstanden. Von San Antonio aus, wo die Überreste des Forts heute als Gedenkstätte besucht werden können, leitete er sein Kampagnenbüro mit über 100 Internetspezialisten und Datenanalysten aus dem Silicon Valley. Hier wurden Facebook-Kam­pagnen geplant, Spenden gesammelt und Videos produziert. Dies alles mit einem kleinen Budget.

"Ich habe mich gefragt: Wie kann ich Trumps Botschaft für einen möglichst niedrigen Preis an die Verbraucher bringen?", so Kushner. Eric Schmidt, der Exchef von Google, anerkennend zu "Forbes": "Kushner ist die größte Überraschung dieser Wahl. Er hat den Wahlkampf gemanagt, fast ohne Mittel."

Wie lange wird Kushner noch seine Rolle als Einflüsterer des Präsidenten spielen? "Ich gehe davon aus, dass er während der gesamten Präsidentschaft von Donald Trump im Weißen Haus bleiben wird", so Rupert Murdoch. Während der nächsten vier oder acht Jahre werde Kushner dort eine starke Rolle spielen, "vielleicht sogar die wichtigste nach dem Vizepräsi­denten". Vita
Kushners Weg an die Spitze
Jared Kushner wurde 1981 geboren. Er besuchte eine private jüdische Highschool und bekam anschließend einen der begehrten Studienplätze an der Eliteuniversität Harvard - nachdem sein Vater der Universität 2,5 Millionen Dollar gespendet hatte. Sein kombiniertes Jura- und Betriebswirtschaftsstudium schloss er mit einem Doktortitel und einem MBA an der New York University ab. Auch dieser Uni hatte Vater Kushner vorher eine Spende von drei Millionen Dollar zukommen lassen. Mit 24 übernahm Kushner die Immobilienfirma ­seines Vaters.

Bilanz
100 Tage Trump

Nur 42 Prozent der Amerikaner sind nach 100 Tagen im Amt mit der Arbeit Trumps zufrieden. So geht er als unpopulärster US-Präsident der modernen Geschichte in sein 100-Tage-Jubiläum. Noch im Wahlkampf hatte er wegweisende Reformen versprochen, die er schnell umsetzen würde. Nachdem Richter sein Einreisedekret stoppten und die Abschaffung der Krankenversicherung Obamacare scheiterte, bastelt Trump derzeit an einer großen Steuerreform.

Bildquellen: CJCS/Dominique A. Pineiro/CC BY 2.0