Tagesgeld & Festgeld: Wo es die meisten Zinsen gibt

Die Zinsen sinken weiter, bereits heute zahlen viele Banken nichts mehr. Was Sparer jetzt tun sollten und wo es noch vergleichsweise hohe Renditen gibt.
von Simone Gröneweg
und Markus Hinterberger, Euro am Sonntag
Wolfgang Schäuble mag die Europäische Zentralbank (EZB) und deren Präsidenten Mario Draghi nicht kritisieren, dazu sei er "zu gut erzogen", sagt er. Dennoch ist der Bundesfinanzminister nicht gerade glücklich über die Politik der EZB. Er nennt sie eine "Herausforderung" nicht nur für Banken und Versicherungen, sondern auch für Sparer, so Schäuble vor einigen Wochen bei einem Vortrag an der Frankfurter Uni.
Es gehört zum guten Ton zwischen Staaten und der EZB, einander nicht offen zu kritisieren. Aber Schäuble muss sich gar nicht verbal aus dem Fenster lehnen, das tun andere. Georg Fahrenschon ist seit einiger Zeit ein Gegner der Politik der EZB. Seitdem die Zentralbanker den Leitzins auf null gesenkt haben, hat der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands die nächste Stufe der Eskalation gezündet: Negativzinsen für Sparer seien nicht mehr auszuschließen. Und schuld daran sei die EZB, so Fahrenschon.
Max Herbst, der die Zinsmärkte seit über 20 Jahren beobachtet, erwartet noch andere Strafmaßnahmen für Sparer. "Die Banken werden neue, teurere Kontomodelle einführen und hier und da neue Gebühren verlangen, respektive sie erhöhen", so der Inhaber der FMH-Finanzberatung. Welche Blüten das treibt, zeigt sich bei einigen Sparkassen. Die Stadtsparkasse München hat neue Kontomodelle, bei denen das Bargeldabheben am bankeigenen Automaten eine kleine Gebühr kostet. Das war bislang kostenlos. Außerdem war die flächendeckende und kostenlose Bargeldversorgung stets ein Werbeargument der Sparkassen.
Auch bei den Zinsen geht es weiter bergab. Das Portal Verivox vergleicht regelmäßig über 800 Tagesgeldangebote. Die Zahl der Offerten ohne Zins ist nun auf 138 gestiegen, vor gut einem Jahr waren es noch 20. Das Gros der Tagesgeldkonten bietet zwischen 0,01 und 0,05 Prozent. Gerade einmal bei 25 Angeboten gibt es mehr als 0,5 Prozent.
Sparer im Dilemma
"Wir merken bei unseren Beratungsgesprächen, dass das niedrige Zinsniveau für sicherheitsorientierte Anleger zum Problem wird", erklärt Markus Feck von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Sparer sind in einem Dilemma: entweder Zinsen oder mehr Risiko. "Wer überhaupt kein Risiko eingehen möchte, muss sich damit abfinden, dass er nur noch wenig Zinsen bekommt - oder unter Umständen gar keine", ergänzt er.Sparer müssen ihren Kopf einschalten, denn Alternativen sind rar. Bei Angeboten fürs Tagesgeld tun sich die Direktbanken positiv hervor. Mitunter gehen einzelne Institute allerdings mit sogenannten Lockvogel-Angeboten an den Markt. Derzeit ist die Volkswagen Bank am großzügigsten. Das Online-Institut mit Sitz in Braunschweig bietet Neukunden derzeit 1,25 Prozent für vier Monate fix. Die Consorsbank lockt Neukunden mit einem Prozent aufs Tagesgeldkonto und garantiert diesen Zins ein Jahr lang. Den gleichen Zinssatz gibt es bei ING-DiBa, allerdings nur für vier Monate. Bei der 1822direkt gilt er gar nur für ein Quartal.
Diese Angebote haben jedoch zwei Haken: Einerseits ist die Anlagesumme begrenzt, so ist etwa bei Consorsbank und 1822direkt bei 20 000 Euro Schluss, und nach Ende der Zinsgarantie sinken die Zinsen drastisch auf 0,3 oder 0,4 Prozent oder noch niedriger. "Manche Sparer werden darum zu sogenannten Tagesgeld-Hoppern, um die attraktivsten Offerten zu nutzen", berichtet Verbraucherschützer Feck. Das bedeutet aber, dass der Bankkunde bereit sein muss, ständig sein Konto zu wechseln.
Nur wer permanent aufpasst und absolut flexibel ist, kann längere Zeit die besten Zinsofferten mitnehmen. Viele Banken bieten ihren Neukunden an, sich via Video-Identifikation auszuweisen, das mitunter zeitraubende Post-Identverfahren wird immer seltener verlangt.
Wer diesen Aufwand scheut, sollte sich ein attraktives Festgeldangebot suchen. "In den kommenden Jahren werden wir in Europa wohl kaum eine Zinswende erleben", meint Feck. Damit kann es sich lohnen, das Ersparte festzulegen. "Die Verbraucher müssen allerdings über den Tellerrand schauen", sagt Doris Kappes von der Verbraucherzentrale Hamburg und ergänzt: "Das beste Angebot findet man nicht unbedingt bei der Hausbank." Geldhäuser wie die französische Crédit Argicole, die niederländischen Institute LeasePlan Bank oder NIBC Direct bieten zum Beispiel attraktive Konditionen an. Unter den Anbietern mit erweiterter deutscher Einlagensicherung ist die Pbb Direkt bei längerfristigem Festgeld spitze. "Wir raten sicherheitsorientierten Verbrauchern, ihr Geld maximal zwei oder drei Jahre festzulegen - länger nicht", erklärt Kappes. Schließlich lässt sich nicht prognostizieren, welches Niveau die Zinsen in drei oder fünf Jahren erreicht haben.
Zinsvermittler wollen den Kunden die Angst, sich längerfristig zu binden, mit sogenannten Flexkonten nehmen. Dabei handelt es sich um Festgeldkonten, aus denen Kunden während der Zinsbindungsfrist aussteigen können und, je nachdem, wie lang sie bislang dabei wa- ren, einen bestimmen Zins ausgezahlt bekommen. Zinsexperte Herbst nennt diese Konstruktion sinnvoll. "Das wird den einen oder anderen, der sein Geld bislang nicht bei einer ausländischen Bank anlegen wollte, überzeugen."
Kombigeld als Alternative
Wer sich nicht zwischen Tagesgeld und Festgeld entscheiden kann, sollte sich die sogenannten Kombiprodukte anschauen. Einzelne Anbieter kombinieren mittlerweile beides zu einem Produkt. Dazu gehört etwa das VTB Duo der österreichischen VTB Direktbank. Das Prinzip: 80 Prozent des eingezahlten Geldes werden für eine bestimmte Laufzeit fest angelegt, 20 Prozent sind dagegen täglich verfügbar. Der Kunde erhält einen festen Zinssatz für den gesamten Anlagebetrag über die ganze Laufzeit. Derzeit zahlt die Bank für zwei Jahre 0,7 Prozent Zinsen und für drei Jahre 0,9 Prozent. Wer diese Möglichkeit nutzen möchte, muss mindestens 500 Euro anlegen, die Kontoführung ist kostenlos. Der Vorteil beim VTB Duo: Kunden können das verfügbare Geld abheben, aber auch wieder einzahlen.Die niederländische NIBC, die IKB und die Pbb Direkt bieten ähnliche Produkte an, allerdings nicht ganz so flexibel. Bei der Pbb Direkt nennt sich das Ganze Festgeld Plus. Der Nutzer kann beim Festgeld Plus - wie bei der VTB Bank - auf 20 Prozent des ursprünglichen Anlagebetrags zugreifen. Hat er das getan, besteht allerdings nicht die Möglichkeit, den Betrag wieder aufzustocken. Für ein Jahr gibt es dort 0,85 Prozent Zinsen, für zwei Jahre ein Prozent und für drei Jahre 1,2 Prozent. Wer dieses Angebot nutzen möchte, muss mindestens 5000 Euro mitbringen. Bei der NIBC sind sogar 50 Prozent des Anlagebetrags jederzeit verfügbar.
Drei Prozent, aber ...
Anleger, die ohnehin auf der Suche nach einer neuen Depotbank sind, haben mitunter die Möglichkeit, von besonders hoch verzinsten Lockangeboten zu profitieren. So bietet die Consorsbank Neukunden, die gleich auch noch ihr Depot im Wert von 6000 Euro mitbringen, drei Prozent Zinsen. Das Angebot ist für ein Jahr garantiert, aber bei 20 000 Euro gedeckelt. Bis zu 40 000 Euro können neue Depotkunden bei der Targobank auf ihr Tagesgeldkonto packen und dafür 2,5 Prozent Zinsen kassieren. Auch bei dieser Offerte ist der Zins ein Jahr lang sicher. Allerdings müssen Interessenten ein Depot von mindestens 7000 Euro übertragen und die Wertpapiere auch mindestens ein Jahr bei der Bank verwahren.Die gute Nachricht für alle Sparer: Die Inflation ist praktisch nicht vorhanden. Das heißt, dass selbst mittelmäßige Angebote noch nach Abzug der Abgeltungsteuer und des Soli Gewinn bringen. Das sollte aber niemanden dazu bringen, untätig zu bleiben. Denn - und das ist die schlechte Nachricht - die Zinsen werden im Durchschnitt weiter sinken. Wer flexibel sein will, sollte zum Zins-Hopper werden oder sich um ein Kombikonto kümmern, wer sein Geld längerfristig parken kann, sollte sich um ein hoch verzinstes Festgeld mit zwei bis vier Jahren Laufzeit kümmern.
Im Überblick: Tagesgeld und Festgeld: Wo es die meisten Zinsen gibt (PDF)
Glossar
Einlagensicherung. Die Europäische Union will Bankpleiten mithilfe eines Europäischen Sicherungsfonds verhindern. In diesen zahlt jede Bank der EU ein, bis dieser in acht Jahren 45 Milliarden Euro schwer sein soll. Ab 2024 soll die gemeinsame Einlagensicherung dann greifen. Bis dahin gelten aber noch die nationalen Sicherungssysteme.
Die 100.000-Euro-Grenze. Grundsätzlich gilt in Europa: Geht eine Bank pleite, haben alle Kontoinhaber einen Rechtsanspruch, ihr Geld bis zu 100 000 Euro (für Ehepaare mit Gemeinschaftskonto 200 000 Euro) zurückzubekommen. Dazu zählen Guthaben auf Giro-, Tages- und Termingeldkonten. Auch Zinsen, die zwar aufgelaufen, aber noch nicht gutgeschrieben wurden, werden erstattet. Seit dem 3. Juli 2015 darf das in Deutschland nur noch sieben Tage dauern. Kunden, die zwischenzeitlich mehr Geld auf dem Konto haben, etwa weil sie ihre Privatwohnung verkauft oder eine Abfindung bekommen haben, sind hierzulande besonders geschützt. Für sie gilt sechs Monate lang eine Sicherungsgrenze von 500 000 Euro.
Freiwillige Einrichtungen. Wenn Kunden einer Privatbank durch eine Bankpleite über 100 000 Euro verloren haben, steht die private Einlagensicherung des Bankenverbands (BdB) für über 100 000 Euro hinausgehende Beträge gerade. Welche Summe je Kunde maximal abgesichert ist, richtet sich nach dem haftenden Eigenkapital der jeweiligen Bank. Bis 2025 wird die Sicherungsgrenze schrittweise von derzeit 20 Prozent des haftenden Eigenkapitals auf 8,75 Prozent gesenkt. Selbst dann beträgt die Absicherung noch mindestens 437 500 Euro. Anders als die gesetzliche Einlagensicherung sichert der Fonds des Bankenverbands auch Fremdwährungskonten ab (mehr dazu unter www.bdb.de). Sparkassen und Genossenschaftsbanken haben eine Institutssicherung: Geht es einem Institut finanziell schlecht, wird es von den übrigen Verbandsmitgliedern unterstützt, bis es wieder solvent ist. Mehr dazu unter www.dsgv.de (Sparkassen) und www.bvr.de (Genossenschaftsbanken).
Sicherheit im Ausland. Die 100 000-Euro- Grenze gilt in der gesamten EU. In Staaten wie Großbritannien, die eine andere Währung als den Euro haben, wird entsprechend umgerechnet. Seit Juli 2015 erhalten Kunden von Banken aus dem Europäischen Wirtschaftsraum, die hierzulande eine Zweigstelle haben, im Ernstfall die Entschädigung von der deutschen Einlagensicherung (www.edb-banken.de). Sie müssen ihre Ansprüche nicht mehr im Ausland beantragen.
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