Darf ein Erbe die Passwörter des Verstorbenen nutzen?

von Maren Lohrer, Euro am Sonntag

Im Onlinedepot meines hochbetagten Vaters ­liegen mehrere Optionsscheine. Wir haben uns gefragt, was eigentlich mit diesen Wertpapieren passiert, wenn er verstirbt. Kann ich als Erbe ­eingreifen, wenn sie beispielsweise stark an Wert verlieren, auch bevor ein Erbschein vorliegt?

€uro am Sonntag: In der Regel sperren Onlinebanken bei Tod des Inhabers zunächst jene Kontoverbindung, für die keine Konto- bzw. Depotvollmacht vorliegt. Erben müssen sich für die Fälle, in denen es keinen Mitkontoinhaber oder Bevollmächtigten gibt, durch einen Erbschein, ein Testament mit Eröffnungsprotokoll oder eine Generalvollmacht legitimieren. Für Wertpapiere wie Optionsscheine, bei denen es wichtig ist, dass man sie beobachtet und un­ter Umständen verkauft, kann es eng werden. Denn Banken werden in der Regel erst dann tätig, wenn der Erbe legitimiert ist. Wer die Zugangsdaten des Verstorbenen findet und handelt, ohne sich legitimiert zu haben, verstößt gegen die Geschäftsbedingungen der Bank und macht sich unter Umständen strafbar, auch wenn er der Erbe ist.

Doch es gibt einen Ausweg: "Ist der Erbe bereits Mitkontoinhaber oder Bevollmächtigter über den Tod hinaus, so kann er direkt auf das Depot zugreifen", sagt Stephanie Herzog, Rechtsanwältin für Erbrecht in Würselen. Sie weist jedoch auch darauf hin, dass die Geschäftsbedingungen von Onlinebanken nach Paragraf 307 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) der Inhaltskontrolle durch die Gerichte standhalten müssen: "Ob die AGB dem entsprechen, ist bisher nicht geklärt und mehr als fraglich. Zumindest die Erben wird man nicht als Dritte im Sinne der AGB ansehen können, da sie nach Paragraf 1922 BGB vollumfänglich in die Rechtsstellung des Erblassers eintreten und damit nach meiner Rechtsauffassung auch befugt sind, Passwörter des Erblassers zu benutzen", so Rechtsanwältin Herzog.