Keine Überhitzung am Immo-Markt
In Deutschlands Ballungsräumen steigen seit Jahren kontinuierlich die Preise für Häuser und Eigentumswohnungen. Und manch einer warnt vor einer drohenden Überhitzung des Marktes.
von Oliver Postler, Gastautor von Euro am Sonntag
Die Entwicklung des Immobilienmarktes wird derzeit besonders kritisch beäugt. Kein Wunder, begann doch die globale Finanzkrise, deren Folgen wir immer noch nicht ganz verdaut haben, 2007 mit einer Immobilienkrise in den USA. Sie hatte sich über Jahre angebahnt und war unter anderem die Folge einer deutlichen Überbewertung von Wohneigentum und einer allzu laxen Kreditvergabe. Nun steigen in vielen Regionen Deutschlands die Preise, und manche warnen schon vor einer Spekulationsblase.
Anhaltend niedrige Zinsen tragen ihren Teil dazu bei, dass Immobilien für viele Anleger immer interessanter werden. Schließlich hat man da einen "Wert, der bleibt" und der Sicherheit für das Alter gibt. Und damit haben die Anleger durchaus Recht. Denn den Pessimisten zum Trotz gibt es derzeit nach wie vor keine deutlichen Anzeichen für eine Immobilienblase. Ungeachtet der zum Teil rasant ansteigenden Immobilienpreise in Deutschland liefern die Fundamentaldaten keine Signale für eine flächendeckende Überhitzung des Marktes.
Das bestätigt auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, das 2014 die Entwicklung der Immobilienpreise in 127 Städten untersucht hat und ebenfalls zu dem Schluss kommt, dass wichtige Indizien für spekulative Immobilienblasen fehlen - wie etwa ein starker Anstieg der Kreditvergabe oder kürzere Zinsbindungen. Zwar gebe es regionale oder lokale Märkte, in denen die Entwicklung der Mietpreise nicht einhergehe mit der Entwicklung der Kaufpreise. Aus volkswirtschaftlicher Sicht bereite dies jedoch keinen Anlass zur Sorge.
Strukturell gesunder Markt
ohne Hinweise auf Blasen
Der Markt für Wohnimmobilien wird durch diverse Faktoren beeinflusst. Um eine Über- oder Unterbewertung der Immobilienmärkte zu erfassen, müssen verschiedene Indikatoren genauer angeschaut werden. Setzt man wirtschaftliche Fundamentaldaten in Beziehung zu Immobilienpreisen, dann lässt sich daraus ein "Überhitzungsbarometer" ableiten.
Doch diese Daten allein reichen nicht aus, sie liefern nur einen groben Wert für die Bewertung des Wohnungsmarktes. Das Überhitzungsbarometer berücksichtigt darum viele weitere Faktoren, wie zum Beispiel das Kreditwachstum, die Verschuldung von Privathaushalten, Finanzierungskosten oder auch Regulierungen wie etwa die sogenannte Mietpreisbremse, die dieses Jahr in Regionen mit "angespannten Wohnungsmärkten" in Kraft tritt. Von ihr erwarten die Marktanalysten beispielsweise, dass sie potenzielle Kapitalanleger davon abhalten könnte, in den Mietwohnungsbau zu investieren. Und dass die Mieten von Neubauwohnungen kräftig steigen werden, da die Mietpreisbremse bei einer Erstvermietung noch nicht greift.
Obwohl in Deutschland die Preise für Immobilien vor allem in den Ballungsräumen stark gestiegen sind, gibt es aber keinen Grund zur Sorge. Selbst für die zehn größten Städte, die als besonders anfällig für Überhitzung gelten, steht unser Barometer insgesamt auf Stufe eins von fünf, was einem geringen Risiko entspricht. Und ja, das gilt auch für die üblichen Verdächtigen wie München, Stuttgart und Frankfurt. Nur in Berlin und in Köln wurde der Anstieg der Immobilienpreise nicht ganz durch steigende Einkommen ausgeglichen.
Im internationalen Vergleich können die Preise für Immobilien in Deutschland sogar als moderat bezeichnet werden. Während in vielen Ländern wie Irland, Großbritannien, Spanien und USA die Preise seit Ende der 90er-Jahre kräftig stiegen, waren sie bei uns insgesamt rückläufig und trotz der derzeitigen Entwicklung liegen die Werte in realen Zahlen - also unter Berücksichtigung der Inflation - noch unter dem Niveau von 1995.
Unterstützt wurde der Anstieg der Häuserpreise in der jüngsten Zeit durch sehr niedrige Hypothekenzinsen. Lag der Wert 1990 noch bei 9,7 Prozent in Deutschland, sank das Zinsniveau auf durchschnittlich 6,7 Prozent im Jahr 2000 und lag im Jahr 2013 schließlich bei 2,9 Prozent - ein wesentlicher Grund für die Erholung des Häusermarktes nach dem Kollaps 1999 bis 2000, als die Preise für Wohnimmobilien Tiefstwerte erreichten.
Auch bei einem weiteren wichtigen Indikator wie der Kreditvergabe gibt es keine Auffälligkeiten: Kredite und Hypotheken sind im vergangenen Jahr gerade mal um 0,7 Prozent angestiegen. Ein sprunghafter Anstieg der Kreditvergabe wäre ein Anzeichen für eine spekulative Preisblase. Spanien ist dafür ein gutes Beispiel: Ein Jahr, bevor dort im Herbst 2007 der Immobilienmarkt kollabierte, betrug der Zuwachs stolze 21 Prozent. Auch sind keine Anzeichen ersichtlich, dass Investoren sehr viel Fremdkapital einsetzen und ihre Immobilien nach kurzer Zeit wieder verkaufen. Dies wäre ein weiterer Indikator für eine Spekulationsblase.
Trotzdem: Immobilienkauf
will gut überlegt sein
Entwarnung also: Trotz steigender Preise macht der Immobilienmarkt einen stabilen Eindruck. Gleichwohl will ein Immobilienkauf gut überlegt und solide geplant sein. Unter Anlagegesichtspunkten ist ein wichtiger Aspekt die Lage der Immobilie. Experten erwarten, dass aufgrund der demografischen Entwicklung in Zukunft in vielen Teilen Deutschlands Häuser leer stehen werden, während in Ballungszentren die Nachfrage weiterhin sehr groß sein wird. Aber auch in den Städten gibt es mehr oder weniger begehrte Quartiere, die den Immobilienpreis beeinflussen.
Darüber hinaus sollte man sich bei seiner grundsätzlichen Entscheidung für eine Immobilie nicht von den aktuell niedrigen Kreditzinsen blenden lassen. Läuft der Hypothekenkredit nach zehn oder 15 Jahren aus, ist die Immobilie in der Regel nicht abbezahlt. Steigen die Zinsen bis dahin wieder, wovon ausgegangen werden muss, wird der Anschlusskredit gegebenenfalls deutlich teurer. Das sollte man einkalkulieren.
Und unabhängig davon, ob man die Immobilie als Eigenheim oder Kapitalanlage nutzt, ist sie eine langfristige Wertanlage und nicht kurzfristig austauschbar. Zudem muss sie gepflegt und instand gehalten werden. Ein Reparatur- oder Modernisierungsstau kann sehr schnell teuer werden. Darum ist der Zustand einer Immobilie ein wichtiger Entscheidungsfaktor beim Kauf. Am besten lässt man sich von einem Gutachter beraten.
Kurzvita
Oliver Postler,
Chief Investment
Officer der
HypoVereinsbank Private Banking
Postler ist seit 2007 verantwortlich für die Anlagestrategie, Investmentkommunikation und Vermögensverwaltung der HypoVereinsbank. Der zertifizierte Financial Planner (EBS) und Stiftungsberater der Uni Jena verantwortet ferner die Anlagestrategie für den Pensionsfonds der Bank.
HypoVereinsbank Private Banking ist auf die Beratung vermögender Kunden spezialisiert. Mit rund 44 000 Kunden, einem verwalteten Volumen von etwa 30 Milliarden Euro sowie etwa 370 Beratern und 46 Standorten von Sylt bis Garmisch-Partenkirchen verfügt die Bank über eines der dichtesten Betreuungsnetze für Private-Banking-Kunden in Deutschland.
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