Ischgl-Impresario Günther Aloys: "Wir wollen eine Marke werden wie Gucci"
Der furchtlose Ischgl-Impresario - und Erfinder des Dosen-Prosecco - über seine Überforderung an der Börse, seine Wut auf Söder und sein Gefühl für Schnee.
von Michael Hannwacker, Euro am Sonntag
In einer Kurzerzählung des Corona-Jahres nähme der Tiroler Wintersportort Ischgl die Rolle des Epizentrums ein. Von seinen Après-Ski-Bars, so die Lesart, verbreitete sich das Virus über ganz Europa. Die Folge: ein gewaltiger Imageschaden. Jetzt will Günther Aloys den Ruf des Orts retten.
Mehr oder minder im Alleingang hatte der Hotelier in den vergangenen drei Jahrzehnten die Gemeinde in "das Ibiza der Alpen" verwandelt, mit Weltstars, die bei seinen "Top of the Mountain"-Konzerten vor Bergkulisse auftraten, und Plänen für Königspinguine am Wasserspeicher der Schneekanonen oder für einen Snowpark in Körperform von Pamela Anderson. Kollegin Paris Hilton spannte er als Markenbotschafterin seines Dosen-Prosecco ein.
Seit Monaten hängt Aloys in seinem Domizil auf Mallorca fest, wo er bis zum Verlust seiner Konzession 2017 den Nassau Beach Club betrieben hat. Dort rufen wir ihn an.
€uro am Sonntag: Wie viele Menschen werden heute Abend mit einer Dose Ihres RICH Secco auf das neue Jahr anstoßen?
Günther Aloys: Ich hoffe, es werden sehr viele sein. Ich rechne sicher mit um die 1,5 Millionen Dosen.
So viele?
Ja, das sehen wir an den Bestellungen unserer Vertriebspartner.
2006 haben Sie den Dosen-Prosecco mit Paris Hilton als Markenbotschafterin gelauncht …
… und ihretwegen wurde RICH Prosecco in kürzester Zeit fast weltweit bekannt. Sie war ja damals eine der bekanntesten Frauen der Welt und die erste Influencerin überhaupt. Und sie nutzte ihren Einfluss, um unseren Prosecco zu promoten.
Vor knapp zehn Jahren brachten Sie die RICH-Aktie, mit Paris Hilton als Stargast, an die Frankfurter Börse. Ein Fehlschlag?
Es war halt viel zu früh. Also haben wir vorsorglich eine Pause an der Börse vorgenommen. Es war für uns interessant zu sehen, wie funktioniert denn überhaupt Börse. Aber es hat uns damals überfordert.
Wie denn?
Wir haben viel Geld in RICH investiert und gedacht, das geht ganz schnell. Das war auch so. Aber wir haben unterschätzt, wie schnell wir Konkurrenz bekommen würden. Die Exklusivität für die Dosenabfüllung für Prosecco hatten wir ja nur für ein Jahr. Als das abgelaufen war, überschwemmten 35 Anbieter den Markt. Dadurch haben wir natürlich Umsätze verloren.
Ihre Gegenwehr?
Wir haben Lizenzverträge aufgesetzt. Ganz viele hatten ja unseren Namen verwendet, es gibt sogar einen Rich Energy Drink mit Schrift in Gold. Das geht nicht, dazu gibt es ja das ganze Markenrecht. Wir lagen sogar mit Veuve Cliquot im Clinch: "Ihr könnt nicht einfach den Namen Rich nehmen und in Gold auf Eure Flaschen schreiben." Und dann haben wir einen Deal gemacht: Für ein, zwei Jahre dürft Ihr Rich verwenden, wenn Ihr uns eine bestimmte Summe zahlt.
Keine Angst vor großen Namen. So haben Sie Promis wie Bill Clinton, Robbie Williams, Kylie Minogue oder Mariah Carey nach Ischgl geholt. Was ist Ihr Trick, um solche Leute für Ihre Zwecke zu gewinnen?
Voraussetzung sind kreative Konzepte, die dem Künstler auch die Aussicht darauf geben, seinen Bekanntheitsgrad weiter zu erhöhen.
Waren es nicht auch die Gagen? Bei Elton John etwa sollen es drei Millionen Dollar gewesen sein.
Trotzdem hat der ja null Interesse gehabt, in einem Micky-Maus-Wintersportort aufzutreten. Aber wir haben nicht lockergelassen und die Riesenbühne auf fast 3.000 Metern herausgestrichen mit 25.000 Leuten davor, alle in Skianzügen. Bis er einen Vertreter seiner Agentur hergeschickt hat. Es war ein wunderschöner Tag, und er hat gesehen, das schaut ja wahnsinnig aus. Und dann ist der Elton John halt gekommen.
Sie klingen immer sehr engagiert, wenn es um Ischgl geht. Könnten Sie auch andere Regionen touristisch beraten?
Theoretisch schon. Aber das ist ja gar nicht in meinem Sinn. Mir liegt in erster Linie daran, aus Ischgl wieder eine ganze besondere Highquality-Marke zu machen, einmalig im Ski- und Wintersport-Business, eine Marke wie Chanel, Hermès, Louis Vuitton oder Gucci. Aber natürlich kannst Du mit einem Dart-Pfeil auf jeden Ort schießen und ihn groß machen. Das geht schon. Wenn man weiß, wie es funktioniert.
Und woher wissen Sie das?
Unsere Vorbilder sind die Künstler. Sie haben die Denkfreiheit in alle Richtungen und können kreativ sein, verrückte, außergewöhnliche Dinge tun. Davon können wir lernen, auch im Tourismus und in der Freizeitgestaltung. Künstler haben keine Einschränkungen, keine Verbote, keine Sicherungen und vor allem keine Leitplanken.
In diesem Sinn haben Sie wohl auch das "erste Designhotel in den Alpen" errichtet, das Madlein in Ischgl. Setzt die Region denn sonst zu sehr auf Tradition?
Ach, ich wollte halt den Lederhosen-Look nicht zum x-ten Mal wiederholen. Sondern einmal ein Zeichen setzen und zeigen, dass man in den Alpen auch mit Design-Look Erfolg haben kann. Ich wollte dem Gast ein ganz anderes, Zen-philosophisches Erlebnis bieten mit nur einigen wenigen, aber ganz hochwertigen Materialien, mit einem Feuerraum, einem Wasserraum. Und siehe da: Alle Medien haben über uns geschrieben.
Dann kam Corona. Ist Ischgl vielleicht auch einfach der Prügelknabe? Schließlich wurden auch anderswo Fehler gemacht …
… klar, wir sind die Bösen. Obwohl wir das im Prinzip gar nicht waren. Logisch haben wir Fehler gemacht. Wir sind schließlich keine Virologen. Wir sind nur dem gefolgt, was die Landesregierung uns vorgeschrieben hat. Als die gesagt hat, jetzt müsst Ihr zusperren, haben wir zugesperrt. Aber es ist natürlich der Wahnsinn, wie die Medien weltweit bis heute auf uns einprügeln. Und der Söder bei jeder Gelegenheit vor "einem zweiten Ischgl" warnt. Der schadet uns total.
Überlegen Sie juristische Schritte?
Nein, das hat ja keinen Sinn. Pressefreiheit und Redefreiheit kann man nicht verbieten.
Gab es auch persönliche Fehler?
Das könnte ich gar nicht einmal sagen. Wir haben ja nichts Schlechtes gemacht. Sondern immer genau das, was man uns gesagt hat.
Wie hoch sind Ihre Verluste durch Corona bislang?
Wir haben durch die Schließung im März 2020 einen Großteil der Hochsaison verloren und damit Umsätze in Millionenhöhe.
Und wie wird Ihre Bilanz 20/21 im Vergleich zu 18/19 aussehen?
Wir hoffen, dass die Impfstoffe einen positiven Effekt haben und dadurch das Jahr 2021 anders gestaltet werden kann. Wir hatten ja viel Zeit, über unsere Zukunft nachzudenken. Es wird viele, auch positive Veränderungen geben.
Auch einen Verzicht auf Après-Ski?
Auf keinen Fall. Ohne diese einmalige Stimmung, ohne das Eintauchen in diese fantastische Atmosphäre ginge dem Wintertourismus etwas Besonderes verloren. Und das ist ganz unabhängig von Alkoholkonsum.
Und was ist mit Naturschutz?
Wir gehen ja hier im Samnauntal sehr behutsam mit Umwelt und Natur um. Weil wir wissen, dass wir durch diese Rücksichtnahme den Tourismus schützen und schonen. Der soll uns ja auch in Zukunft ernähren. Tatsächlich verwenden wir nur drei Prozent der Gemeindefläche für Tourismus. Unglaubliche 97 Prozent sind touristisch unberührt.
Ihre Vision bitte: Wie sieht der Wintertourismus in Tirol, überhaupt in den Alpen, in 20, 30 Jahren aus?
Keine Frage, Menschen wollen den Winter und den Schnee auch in Zukunft genießen. Vieles wird sich ändern - Hotelkonzepte, Lift- und Seilbahnanlagen sowie Techniken. Vieles wird aber auch bleiben, wie es war und ist. Und eines wird nie vergehen: die Liebe zum Schnee, zu einem tief verschneiten Wald und das Knirschen des Schnees bei einem Spaziergang im weißen Winter.
Keine Angst vorm Klimawandel?
Schon. Aber selbst wenn es ein, zwei Grad nach oben geht, ist es zwar schlecht für die Umwelt. Aber für uns spielt es keine so große Rolle. Unser Skigebiet reicht von 2.200 bis 3.000 Meter, da ist es immer noch kalt genug. Es ist natürlich schön, wenn’s schneit. Aber wenn nicht, haben wir 1.000 Schneekanonen, mit denen produzieren wir unseren Schnee selbst. So haben wir die Garantie, dass man bei uns Ski fahren und snowboarden kann. Die Menschen brauchen das ja, sie brauchen die weißen Schneeflächen, die entlasten und Depressionen auflösen. Diesen Punkt müssen wir vielleicht noch stärker rausarbeiten: Es ist wichtig, dass Du Deine Seele und Dein Herz belichtest.
Vita
Der Alp-Träumer:
Günther Aloys, 72 und zehn Jahre Vorstand des Tourismusverbands Ischgl, betreibt dort zwei Designhotels und ist Aufsichtsrat der Silvrettaseilbahn AG. 2006 launchte er unter dem Markennamen RICH und mit Paris Hilton als Testimonial einen Prosecco in goldener 200-ml-Dose. Der Vater dreier erwachsener Töchter ist verheiratet und lebt in Ischgl und auf Mallorca.
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Bildquellen: Workshop Ischgl