Carter Benson-Chef: "Bei uns gibt es keinen Vandalismus"
Erik Brandenburg, der Geschäftsführer des Concierge-Dienstleisters Carter Benson, spricht mit €uro am Sonntag über den Werterhalt bei Immobilien, Rauschmittel, Friseurinnen und einen möglichen Börsengang.
von Bernhard Bomke, Euro am Sonntag
Mit Erik Brandenburg kann man über alles reden: Immobilien, Tattoos, Inflation, Freiheit, Mandelmilch, Düsseldorf, Hotelaktien - und über seine Firma Carter Benson. Deren Kerngeschäft ist der Concierge-Service in Wohnanlagen, Bürohäusern und Einkaufszentren. Diese Dienstleistung sorge nicht nur für eine Empfangskultur wie in Hotels, sagt er, sondern sie helfe, den Wert von Gebäuden zu erhalten oder gar zu steigern. Wir trafen den 38-Jährigen im Düsseldorfer Büroturm Sky Office. Dort hat Carter Benson seinen Sitz.
Euro am Sonntag: Herr Brandenburg, Bauen wird immer teurer: Die Preise für Baustoffe gehen durch die Decke, Bauland ist so kostbar wie nie, die ökologischen Standards werden immer schärfer - und jetzt kommen Sie und sagen, jede Immobilie brauche einen Concierge. Wer soll das alles bezahlen?
Erik Brandenburg: "Jede" muss man natürlich in Klammern sehen. Das ist ein Wunsch, den wir haben, weil wir es in der Tat für ideal halten, wenn eine Immobilie einen Concierge hat, der so etwas wie die Seele des Hauses ist und dem Gebäude eine menschliche Note gibt. Das gilt insbesondere für Wohn- und Büroimmobilien.
Alles schön und gut, aber bei Wohngebäuden geht es mittlerweile eher um bezahlbares Bauen und Wohnen. Ist ein Concierge-Service nur etwas für Leute, die noch Solidaritätszuschlag zahlen müssen?
Nicht unbedingt. Entscheidend ist eher, ob man Wert auf solch einen Service legt. Ich vergleiche das immer mit einem hochwertigen Essen im Restaurant. Wenn ich da Spaß dran habe, wird es mir das Geld immer wert sein. Wenn es einzig darum geht, satt zu werden, gibt es sicher Möglichkeiten, die günstiger sind. Wichtig ist grundsätzlich, dass ein Gebäude eine gewisse Größe hat. Dann zahlen viele Personen für den Service, und dem Einzelnen tut es nicht mehr so weh.
Sie werben mit einem Concierge- Service in Wohngebäuden für 20 Euro im Monat je Wohnung. Dafür setzt sich doch niemand von morgens bis abends an den Eingang, grüßt freundlich, passt auf, dass nicht die falschen Leute reinkommen - und kann davon leben.
Die 20 Euro setzen voraus, dass es um eine sehr große Wohnanlage geht. Also mindestens 180 Wohnungen. Dann muss noch entschieden werden, wie viel Zeit der Concierge vor Ort verbringen soll. Es ist ja ein Unterschied, ob er jeden Tag sechs, zwölf oder 24 Stunden da ist. Je mehr Zeit ein Concierge da ist, desto teurer wird es natürlich. Das Beispiel mit den 20 Euro ist sicher etwas extrem gewählt, aber am unteren Ende möglich.
Die Liste Ihrer Dienstleistungen ist lang: Tierbetreuung, Schuster-Service, Konzerttickets, Botengänge. Sie kaufen für die Leute ein, besorgen Blumen und lassen den Handwerker rein. Ist das alles inklusive?
Nein, nicht alles. Mit der Pauschale ist abgegolten, dass jemand da ist, mit dem Sie, wenn Sie mögen, einen Plausch halten können, und dass Sie auf jeden Fall jemanden ans Telefon bekommen. Und dass wir uns Gedanken machen, wenn es ein Problem gibt. Typisch ist es auch, wenn eine Seniorin am Nachmittag zum Kaffeetrinken beim Concierge vorbeikommt. Die möchte kein Ticket für ein Rockkonzert, sondern freut sich, wenn sie eine Stunde mit jemandem sprechen kann. Das ist für sie ganz wichtig, und auch für genau so etwas sind wir da. Generell sind wir oft die Schnittstelle zwischen Eigentümern oder Mietern einerseits und der Hausverwaltung oder dem Hausmeister andererseits.
Ist Conciergerie eher etwas für ältere Leute, also eine Art Unterkategorie von betreutem Wohnen?
Nicht wirklich. Es gibt auch Studenten, die einen Concierge zu schätzen wissen. Die sind heutzutage oft viel beschäftigt und sind froh, wenn jemand da ist, der einem Besucher schon mal den Wohnungsschlüssel gibt. Wir arbeiten ausdrücklich auch in Objekten, die nicht luxuriös sind. Sicherlich gehobener Standard, aber da parkt auch ein Ford Fiesta in der Tiefgarage. Da wohnen Menschen, die sagen, so ein Concierge-Service bietet Lebensqualität, und gern dafür bezahlen. Für ältere Leute ist ganz oft unser wichtigstes Produkt entscheidend: Small Talk. Für sie sind wir sozialer Halt. Das geht auf menschlicher Ebene häufig weit über den gebuchten Service hinaus. Manchmal sind wir auch in den letzten Augenblicken des Lebens eines Menschen dabei. Auch das ist Conciergerie für mich. Also, ganz sicher nicht einfach Hausmeister, wie das Wort eigentlich direkt aus dem Französischen übersetzt bedeutet, sondern Seele des Hauses. Klingt etwas pathetisch, trifft es aber ganz gut.
Noch mal kurz zurück zu dem, was wahrscheinlich nicht inklusive ist.
Extrakosten entstehen erst, wenn wir für unsere Tätigkeit das Haus verlassen müssen - also nicht mehr für alle zur Verfügung stehen, sondern individuelle Services für einzelne Kunden erbringen. Ganz gleich, ob wir Blumen besorgen, mit dem Hund Gassi gehen oder Ihre Schuhe zum Schuster bringen.
Berechnen Sie dafür einen Stundensatz wie in der Autowerkstatt?
Mit 25 bis 30 Euro pro Stunde sind Sie dabei. Das finde ich ganz fair, zumal unsere Kunden dafür auch einiges bekommen. Unsere Concierge-Damen und -Herren sind Fachkräfte, die in ganz vielen Bereichen Lebenserfahrung haben, oft mehrere Sprachen sprechen und persönlichen Einsatz zeigen.
Haben Sie ein Beispiel für besonderen Einsatz?
Da gibt es viele. Nehmen wir dieses: Eine Familie aus dem Rheinland wollte zu Weihnachten in die USA fliegen und stellte beim Umsteigen in Paris fest, dass sie die Reisepässe vergessen hatte. Die Leute riefen den Concierge an, der einen Schlüssel zur Wohnung hatte. Die Pässe lagen dort abreisebereit. Wir sind mit den Pässen zum Düsseldorfer Flughafen, telefonierten mit Air France und gaben dem Piloten der nächsten Maschine nach Paris die Pässe ins Cockpit. Der Pilot sorgte dafür, dass die Familie ihre Pässe in Paris bekam. Sie konnte dann noch am gleichen Abend nach Amerika fliegen. Die Reise und das Weihnachtsfest waren gerettet - und das vielleicht für gerade mal 100 Euro, die wir in Rechnung stellen mussten.
Ist das ein typisches Beispiel?
Typisch daran war jedenfalls, dass es sich um ein dreidimensionales Problem handelte. Da muss einer verfügbar sein und mitdenken können. Service eben. Die einfachen Dinge erledigen die Leute heutzutage selbst. Das gilt insbesondere auch in Bürohäusern, in denen wir am Empfang sitzen und für Concierge-Dienste da sind. Wir buchen viel weniger Taxis als früher. Da hat heutzutage jeder eine App. Wir bestellen auch keine Pizzas mehr, kein Sushi. Auch Blumen werden immer weniger. Unser Job wird also komplexer. Wir kommen dann ins Spiel, wenn menschliche Intelligenz gefordert ist. Wie bei der Familie mit den vergessenen Reisepässen. Das meine ich mit dreidimensional.
Klingt alles nicht nach, sagen wir, dem Typus Theo Lingen, der in alten Schwarz-Weiß-Filmen absolut Concierge-tauglich daherkam. Auch nicht nach Michael J. Fox im Kinofilm "Ein Concierge zum Verlieben" aus den 1990er-Jahren. Oder vielleicht doch Theo Lingen, nur in Farbe und mit Smartphone?
Nein, schon allein deswegen nicht, weil ein Concierge in die Umgebung passen muss. Bei uns kann ein Concierge auch tätowierte Arme haben und Hoodie tragen. Das ist okay, wenn wir in einem Gebäude tätig sind, in dem ein junges Start-up sitzt. Da passt keiner hin, der mit Krawatte am Empfang sitzt. Der Fünf-Sterne-Service sieht für jeden anders aus, und unsere Kunst ist die Anpassung.
Gibt es Kundenwünsche, die tabu sind? Also: Was bieten Sie ausdrücklich nicht an?
Wir haben Grenzen des Moralischen. Das heißt, wir lehnen Besorgungen ab, die jemandem schaden könnten. Also, eine Packung Zigaretten besorgen wir vielleicht noch, aber andere …
… Rauschmittel?
… Lifestyle-Substanzen, die organisieren wir definitiv nicht. Da gibt es ja obendrein gesetzliche Grenzen.
Also, Sie besorgen einem keine Knarre, Prostitution ist ein No-Go, harte Drogen sind es ebenso.
Das ist exakt so. Wenn uns jemand fragt, wo ein Etablissement in Düsseldorf ist, in das man zu später Stunde noch einkehren kann, würden wir sicherlich Auskunft erteilen. Das ist nicht verboten. Aber dann muss der Gast schon selbst sehen, wie er seinen Abend organisiert.
Wer Concierge hört, denkt gemeinhin an ein Hotel. Sie bieten Ihren Service jedoch ausdrücklich für Bürohäuser, Einkaufszentren und Wohnanlagen. Warum keine Hotels?
Auch ein Hotel als Kunde würde uns freuen, aber die meisten Hotels können das mit dem Service selbst sehr gut. Wir lassen uns von ihnen lieber inspirieren und übertragen die Servicekultur gezielt auf andere Immobilien. Wir behandeln sie so, als seien sie Hotels.
Nicht wirklich, oder?
Doch, das ist der Ansatz. Das geht alles zurück auf eigene Eindrücke nach meinem Studium. Da habe ich als Berater in einem Industrieunternehmen gearbeitet und bin ständig zwischen Hotels und Bürohäusern gependelt. Die Hotels machten es alle sehr gut damit, mir das Gefühl zu geben, dort gern meine Zeit zu verbringen. In den Bürogebäuden gab es zwar auch eine Lobby, aber nicht das Gefühl, mich in der Immobilie gern aufzuhalten. So entstand irgendwann die Idee, wenigstens ein bisschen Willkommenskultur in solche Immobilien zu bringen. Und diese sehr spezielle Atmosphäre in vielen Hotels, wo alle gleich behandelt werden, und zwar gleich gut. Ich war schon als kleiner Junge begeistert davon, dass die Beschäftigten am Empfang von Hotels keinen Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen oder zwischen unterschiedlichen Nationen machten. Alle wurden als ganz besondere Menschen behandelt. Und genau dieses Gefühl wollen wir auch in Wohn-, Einkaufs- und Büroimmobilien erzeugen.
Sie haben etwa 50 Kunden und betreuen mehr als 75 Objekte. Wie finden Sie die richtigen Leute für Ihre Firma? Concierge lässt sich ja weder lernen noch studieren.
Das stimmt. Der Concierge ist ein klassischer Quereinsteigerberuf. Die charakterliche Eignung, viel Neugier und Beharrlichkeit sind wichtig. Die meisten Damen und Herren bei uns kommen aus der Hotellerie oder der Flugbegleitung. Vielleicht überraschend: Nach unseren Erfahrungen sind Friseurinnen sehr gute Quereinsteigerinnen.
Warum das?
Sie haben häufig viel Empathie, können Kunden in kürzester Zeit lesen und verstehen es, sich in der Komfortzone von Kunden zu bewegen. Darum geht es bei unserer Tätigkeit ganz oft. Da gibt es viel Vertrautheit und zugleich unbedingte Diskretion. Ich selbst habe als Concierge schon alle möglichen Rollen eingenommen. Ich war Beichtvater, Eheberater und Erziehungsberechtigter - und hatte immer den Luxus, bei alledem kein Richter sein zu müssen.
Wie groß muss ein Bürohaus sein, damit sich ein Concierge rechnet?
Über den Daumen gepeilt sollte so ein Gebäude mindestens 10.000 Quadratmeter Mietfläche haben. Wenn es viele einzelne Büromieter gibt, geht es auch darunter.
Sie sagen, ein Concierge-Service trägt zum Werterhalt oder gar zur Wertsteigerung von Gebäuden bei. Sind nicht vielmehr die Lage und der Baustandard entscheidend?
Ein neues Haus zu vermarkten, ist einfach. Das sieht gut aus, ist effizient, tolle Lage, alles neu, alles schön. Aber in 30 Jahren, da ist die Lage vielleicht gar nicht mehr so toll, und die Haustechnik muss erneuert werden. Entscheidend wird die Frage sein: Wohnen die Leute noch gern dort? Gehen sie noch gern in ihr Büro? Da kann der Service eines Concierge sehr hilfreich sein, eine Immobilie langfristig attraktiv zu halten. Noch ein Detail: In allen Gebäuden, in denen wir präsent sind, gibt es keinen Vandalismus. Das ist gut für den Werterhalt.
Sollen Anleger ihre Immobilienfondsmanager fragen, ob die gehaltenen Objekte nur einen Hausmeister und eine Hausverwaltung haben oder auch einen Concierge?
Das wäre jedenfalls eine nicht ganz unwichtige Frage. Die Investoren bekommen ihre Rendite ja über die Mieteinnahmen. Die fließen am sichersten, wenn die Immobilie gut und dauerhaft vermietet ist. Da ist die Lage wichtig, klar, die Architektur, die Energieeffizienz, aber in Zukunft werden immer mehr Leute fragen: Wie sieht denn das Servicekonzept aus? Es werden nicht mehr nur Start-ups sein, die viel Aufwand dafür treiben, dass ihre Beschäftigten gern zur Arbeit kommen. Service wird bei Immobilien ein ganz entscheidendes Feature sein. Je professioneller er ist, desto sicherer und langfristiger werfen sie Rendite ab.
Mit welchen Geldanlagen machen Sie selbst Rendite?
Ich bin sehr breit investiert, und zwar über Aktien und ETFs. Grundsätzlich halte ich es mit Warren Buffett: Wenn du das Produkt verstehst, prima, wenn nicht, lass die Finger davon. Ich mache mir also sehr viele Gedanken darüber, in welche Werte ich investiere. Meine Anlagen sind in etwa gedrittelt. Ein Drittel steckt in langweiligen Werten, die Sicherheit bringen. Ein Drittel in offensiven Titeln und ein Drittel in Aktien, die zuverlässig Dividenden ausschütten. Ich bin ein großer Fan der Börse.
Also gehen Sie mit Carter Benson demnächst an die Börse?
Dafür sind wir jetzt noch etwas zu klein. Wir sind eine kleine Boutique mit einem hohen einstelligen Millionen-Euro-Umsatz im Jahr. Da ist es ganz gut, nicht allzu renditegetrieben erst mal stetig weiterzuwachsen. Wenn wir irgendwann eine Größe erreicht haben, in der ein Börsengang sinnvoll erscheint, warum nicht?
Spätestens dann werden die Leute Sie fragen, woher der Name Carter Benson kommt. Also: woher?
Das ist ein wohlgehütetes Geheimnis. Ich kann Ihnen nur verraten: Die Idee zu dem Namen entstand in meiner Zeit im Ausland, konkret: in London und Belgien. Ich wollte für mein Unternehmen einen Namen haben, der international funktioniert und der auch eine gewisse Aura mitbringt. Und der völlig losgelöst von meinem Namen steht. Zumindest Letztgenanntes scheint schon mal geklappt zu haben.
Vita:
Der Concierge-Master
Erik Brandenburg, Jahrgang 1983, legte in den Jahren 2003 bis 2007 die Grundlage für sein späteres Geschäft. Er studierte in Dortmund, London, Oxford und Gent Internationale Betriebswirtschaft und Strategisches Management. Seine Studien schloss er mit einem Master in General Management ab. Im Oktober 2007 gründete er mit seinem Partner Eric Bolkenius in Düsseldorf die Carter Benson GmbH, einen in Deutschland (und Wien) aktiven Anbieter von Concierge- und Empfangsdienstleistungen. Das Unternehmen betreut mehr als 75 große Immobilien.
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Bildquellen: Carter Benson GmbH