Widerrufsjoker: So gehen Sie beim Widerruf eines Darlehens richtig vor
Der Widerruf eines Kredits aufgrund einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung ist für viele Immobilienbesitzer derzeit verlockend.
Dies gilt umso mehr, also der Gesetzgeber eine zeitliche Beschränkung dieser Möglichkeit plant. Im Juni nächsten Jahres soll Schluss sein - zumindest für Darlehen, die bis 2010 geschlossen wurden. Mit dem erfolgreichen Ausstieg aus einer Baufinanzierung oder der Anpassung des Darlehens auf das aktuelle Zinsniveau lassen sich für die meisten mehrere Hundert Euro pro Monat sparen. Positiv ist, dass in vielen Fällen ein Wechsel der Bank gar nicht nötig ist. Doch wo soll man beginnen auf dem Weg zum erfolgreichen Widerruf?
Klar ist, dass die Widerrufsbelehrung des eigenen Kreditvertrags der Schlüssel zum Widerrufsjoker ist. Liegen Abweichungen vom gesetzlichen Mustertext vor, die die Belehrung schwer verständlich oder unklar machen, dann bestehen gute Chancen. Viele Webseiten bieten daher die Mustertexte der Widerrufsbelehrungen an und laden den Leser damit ein, eine eigenständige Prüfung ihres Kreditvertrags vorzunehmen.
Doch ist das sinnvoll? Ich meine: nein. Ein Vergleich des eigenen Kreditvertrags mit dem zum Zeitpunkt des Abschlusses gültigen Mustertext kann bestenfalls ein brauchbarer Einstieg zum Widerruf eines Darlehens sein. Eine umfassende Information über die Aussichten kann er dem Laien jedoch nicht bieten.
Denn die Chancen auf einen Ausstieg aus einem Kredit oder auf die Rückzahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung hängen von mehreren Faktoren ab. Die Abweichung der eigenen Widerrufsbelehrung vom Mustertext ist nur ein Aspekt. Nur Bruchstücke davon können von einem juristischen Laien, der bislang keine Erfahrung mit der Widerruf eines Darlehens gesammelt hat, eingeschätzt werden.
Schauen wir uns also an, welche Punkte aus meiner Sicht entscheidend für die Aussichten auf einen erfolgreichen Widerruf sind.
1. Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung
Die Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung ist ein erster Faktor. Dabei kommt es jedoch nicht nur darauf an, wie stark der Text in ihrem Kreditvertrag vom Mustertext abweicht. Es kommt auch darauf an, wie die Widerrufsbelehrung optisch gestaltet ist. Ist sie ausreichend hervorgehoben? Ist sie klar genug formuliert? Gibt es zu den Abweichungen schon einschlägige Gerichtsurteile, mit denen man das Kreditinstitut konfrontieren kann?
2. Verhalten der Gegenseite
Ähnlich wichtig wie die Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung ist es, das Verhalten der Gegenseite einschätzen zu können. Selbst eine deutlich fehlerhafte Widerrufsbelehrung ist nur halb so viel wert, wenn das Kreditinstitut völlig ignorant reagiert. Bei der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info) wissen wir mittlerweile, welche Reaktion von den größeren Kreditinstituten zu erwarten ist und publizieren dies auch. Zeigt sich die Bank nämlich außergerichtlich nicht kompromissbereit, dann bleibt Ihnen nur der Weg zum Gericht - mit dem damit verbundenen Kostenrisiko.
3. Kostenrisiko
Für manchen Kreditnehmer ist eine Klage schon ein KO-Kriterium. Denn das damit verbundene Kostenrisiko liegt in der Regel im fünfstelligen Bereich - für viele zu hoch. Daher ist es wichtig zu prüfen, ob eine Rechtsschutzversicherung für die Übernahme der Kosten in Frage kommt. Dies ist dann der Fall, wenn es sich bei der Immobilie nicht um einen Neubau und auch nicht um ein vermietetes Objekt handelt. Scheidet eine Rechtsschutzversicherung aus, kommt vielleicht ein Prozessfinanzierer in Frage, um das Kostenrisiko abzufedern.
4. Gerichtsstand
Führt kein Weg an einer Klage vorbei, dann gibt es eine weitere Hürde. Denn leider ist die Rechtssprechung deutscher Gerichte zum Widerruf von Krediten sehr uneinheitlich. Der gleiche Fall kann in Frankfurt ganz anders beurteilt werden als in Berlin. Teilweise urteilen auch einzelne Kammern am gleichen Gericht unterschiedlich. Daher ist es wichtig zu wissen, an welchem Gericht eine Klage eingereicht wird. Je nach ihrem Wohnort und dem Sitz des Kreditinstituts gibt es hier einen Gestaltungsspielraum.
Fazit:
Unter dem Strich zeigen diese Punkte, dass eine seriöse Abschätzung der Chancen und Risiken eines Widerrufs durch einen Laien nicht möglich ist. Ich rate daher auf jeden Fall dazu, einen Experten zu befragen. Die IG Widerruf (www.widerruf.info) und ihre Kooperationsanwälte bieten eine kostenlose Prüfung ihres Kreditvertrags. Dazu kommt natürlich auch eine Einschätzung des zu erwartenden Verhaltens ihres Kreditinstituts - soweit wir dies aus unserer Erfahrung einschätzen können. Und natürlich wird auch geprüft, ob die Voraussetzungen für eine Rechtsschutzversicherung vorliegen.
Roland Klaus arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und ist Gründer der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info). Sie dient als Anlaufstelle für alle, die sich zum Thema Widerruf von teuren Kreditverträgen informieren und austauschen wollen und bietet eine kostenlose Prüfung von Widerrufsklauseln in Immobiliendarlehen an. Bekannt wurde Klaus als Frankfurter Börsenreporter für n-tv, N24 und den amerikanischen Finanzsender CNBC sowie als Autor des Buch „Wirtschaftliche Selbstverteidigung“. Sie erreichen Ihn unter kontakt@widerruf.info
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