So ziehen Kunden der ING Diba erfolgreich den Widerrufsjoker
Immobilienkäufer, die eine Baufinanzierung beim Marktführer ING Diba abgeschlossen haben, besitzen gute Chancen, den Widerrufsjoker erfolgreich zu ziehen - zumindest, wenn Sie den Kreditvertrag in einem bestimmten Zeitfenster abgeschlossen haben.
Rund 70 Prozent aller Baufinanzierungen, die zwischen November 2002 und 2011 in Deutschland abgeschlossen wurden, enthalten eine falsche Widerrufsbelehrung. Bei Verträgen mit diesen Mängeln beginnt die normale Widerrufsfrist von 14 Tagen nicht zu laufen. Als Folge können Millionen Deutsche durch diesen "Widerrufsjoker" auch heute noch, Jahre nach Abschluss des Vertrags, ihren teuren Kredit widerrufen und mit sofortiger Wirkung aussteigen. Darlehen, die beispielsweise 2008 zu einem Zinssatz von fünf Prozent abgeschlossen wurden und noch mehrere Jahre laufen, können auf diese Weise sofort auf einen Zinssatz von ca. zwei Prozent umgestellt werden. Das geht nicht in allen Fällen reibungslos. Manche Banken verweigern sich einer außergerichtlichen Lösung und stellen die Verträge erst um, nachdem der Kunde geklagt hat.
Besonders gute Chancen auf den Widerrufsjoker haben jedoch Kunden der ING Diba, die ihr Darlehen in den Jahren 2007 bis 2009 abgeschlossen haben. Unsere Erfahrung bei der IG Widerruf zeigt nämlich, dass die Diba bei bestimmten Widerrufsbelehrungen regelmäßig einknickt und auch ohne langwierigen Gerichtsprozess den Zinssatz reduziert, wenn der Kunde durch einen erfahrenen Anwalt vertreten wird. Es handelt sich dabei beispielsweise um einen in den Jahren 2007 und 2008 verwendeten Text der Widerrufsbelehrung, der folgenden Satz beinhaltet:
"Die Frist beginnt frühestens mit dem Tag des Eingangs des unterschriebenen Darlehensvertrages bei der ING Diba."
Diese Formulierung hat gleich zwei Probleme: Zum einen beinhaltet sie den Begriff "frühestens", der nach richterlicher Rechtssprechung für den Kunden nicht eindeutig genug ist, um festzustellen, wann denn nun seine 14tägige Widerrufsfrist genau zu laufen beginnt. Allerdings wäre dieser Begriff allein noch nicht das Problem. Denn er findet sich auch in dem bis 2008 gültigen Mustertext des Gesetzgebers. Dort heißt es nämlich:
"Die Frist beginnt frühestens mit dem Erhalt dieser Belehrung."
Hätte die Diba also diesen Text unverändert übernommen, dann könnte sie sich auf den Schutz des Mustertextes berufen. Dumm nur, dass dieser Mustertext für die Praxis der Diba nicht zu gebrauchen war. Denn der Gesetzgeber ging offenbar davon aus, dass der Kunde den Kredit in den Räumen der Bank unterschreibt und gleichzeitig eine Widerrufsbelehrung unterschreibt.
Die Praxis bei der Diba sieht aber anders aus. Hier bekommt der Kunde in der Regel ein sogenanntes Vertragsangebot, das auch die Widerrufsbelehrung enthält. Diese kann er dann innerhalb von 30 Tagen zurückschicken. Damit ist der Vertrag abgeschlossen. Vor diesem Hintergrund ist es natürlich nicht sinnvoll, die Widerrufsfrist "mit dem Erhalt dieser Belehrung" beginnen zu lassen, wie es der Mustertext des Gesetzgebers vorsah.
Die Änderung der Diba macht die Sache aber auch nicht besser. Denn der "Tag des Eingangs des unterschriebenen Darlehensvertrags" ist genauso unklar. Woher soll der Verbraucher wissen, wann der Vertrag, den er in den Postkasten geworfen hat, bei der Diba ankommt? Am nächsten Tag? Liegt ein Wochenende dazwischen? Hat sich der Briefträger den Magen verdorben und stellt nicht zu? Streikt die Post vielleicht sogar?
Unter dem Strich hat diese Widerrufsbelehrung also mindestens zwei gravierende Probleme: Durch die Veränderung des Mustertextes verliert die Diba die Schutzwirkung, die die Gerichte den Banken zusprechen, wenn sie den Mustertext unverändert übernehmen. Der Begriff "frühestens" wird also zum angreifbaren Fehler.
Zweitens ist der "Tag des Eingangs" kein Zeitpunkt, den der Kreditnehmer zweifelsfrei bestimmen kann. In der Kombination entsteht eine stark fehlerhafte Widerrufsbelehrung, mit der die Diba auch vor fast allen Gerichten baden gehen würde.
Das hat man in Frankfurt auch eingesehen und macht Kreditnehmern, die diese Widerrufsbelehrung in ihren Verträgen haben, ein vernünftiges Angebot, um sich schnell außergerichtlich zu einigen. Diese besteht in der Regel darin, den Kreditzins auf rund zwei Prozent zu senken und den Vertrag fortzuführen.
Auch in später verwendeten Formulierungen, bei denen das Wort "frühestens" nicht mehr vorkommt, sehr wohl aber weiterhin der "Tag des Eingangs" erwähnt wird, können attraktive außergerichtliche Vergleiche erzielt werden.
Natürlich muss der Kunde dieses Angebot nicht annehmen und kann stattdessen auch klagen. Allerdings raten die Anwälte der IG Widerruf angesichts des Kostenrisikos und der deutlich längeren Verfahrensdauer in der Regel dazu, dieses Vergleichsangebot anzunehmen. Kunden der ING Diba, die ihren Kredit im Zeitraum 2007/2009 abgeschlossen haben, sollten im ersten Schritt mit Hilfe der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info) kostenlos durch einen Anwalt prüfen lassen, ob ihr Vertrag für einen Widerruf in Frage kommt. Ist dies der Fall, vermitteln wir die anwaltliche Unterstützung für die Umsetzung, um das Darlehen erfolgreich zu widerrufen.
Die anwaltlichen Kosten werden dabei unter bestimmten Voraussetzungen von der Rechtsschutzversicherung übernommen. Auch ein Erfolgshonorar ist möglich, bei dem der Rechtsstreit nur dann bezahlt werden muss, wenn der Zins des Kredits erfolgreich reduziert wurde.
Roland Klaus arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und ist Gründer der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info). Sie dient als Anlaufstelle für alle, die sich zum Thema Widerruf von teuren Kreditverträgen informieren und austauschen wollen und bietet eine kostenlose Prüfung von Widerrufsklauseln in Immobiliendarlehen an. Bekannt wurde Klaus als Frankfurter Börsenreporter für n-tv, N24 und den amerikanischen Finanzsender CNBC sowie als Autor des Buch "Wirtschaftliche Selbstverteidigung". Sie erreichen Ihn unter kontakt@widerruf.info
Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.