Was haben Strafzinsen mit Sozialismus zu tun?
Nun werden punktuell auch schon Strafzinsen auf größere Privatvermögen erhoben. Deutlicher kann die Bankrotterklärung für das gegenwärtige System des billigen Geldes nicht ausfallen.
Das Wort Sozialismus ist mit (mindestens) zwei Bedeutungen belegt. Für die wenigen verbliebenen Anhänger stellt der Sozialismus ein solidarisches und menschengerechtes System dar. Für die Mehrheit ist er gleichbedeutend mit Faulheit, Ineffizienz, Verschwendung und Vetternwirtschaft. Aber Vetternwirtschaft gibt es im Hyperkapitalismus auch, wo Politiker und die großen Finanzmarktakteure eine Allianz gegen die Sparerinnen und Sparer eingegangen sind.
Die Soziale Marktwirtschaft war gleichzeitig leistungs- und gemeinwohlorientiert. Sie hatte also Züge eines richtig verstandenen Sozialismus. Das zeigt sich zum Beispiel im Paragraphen 14 des Grundgesetzes über das Eigentum:
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz (...) er-folgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwä-gung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. (...)
Eigentum wurde eben nicht absolut gesetzt, wie es heute der Fall ist, sondern soll dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Heute sind wir im Bereich der grenzenlosen Privatisierung. Das Gesundheitssystem in den USA ist viel teurer als das Europäische - bei oft schlechteren Leistungen, gerade WEIL es voll privatisiert ist. Krebsbehandlungen kosten bis zum Dreifachen, weil es keine Krankenkassen gibt, die günstige Tarife aushandeln können.
Der Eigentumsparagraph des Grundgesetzes wird immer mehr unterlaufen. Eigentum dient eben nicht mehr dem Wohle der Allgemeinheit; hemmungslose Bereicherung ist an der Tagesordnung. Und die Bereicherung bei Investmentbanken und spekulativen Finanzmarktakteuren auf Kosten der Sparerinnen und Sparer geht weiter.
Strafzinsen sind ein Ausfluss der missglückten Politik der letzten Jahre, der Kaperung der Politik durch die Investmentbanken, an der sich auch in den Jahren nach der Finanzkrise wenig geändert hat. Eine leistungsorientierte und solidarische Gesellschaft - das ist kein Widerspruch! - sieht anders aus.
Das gegenwärtige System kommt langsam an sein Ende. Allerdings haben sich durch die Tatsache, dass über elektronischen Zahlungsverkehr die Märkte nun besser steuer- und manipulierbar sind als im real existierenden Sozialismus, die Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten erheblich er-höht. Es kann also sein, dass wir noch etliches mehr an Zwangswirtschaft ertragen müssen.
Als Bürgerinnen und Bürger können Sie sich nur durch eine vernünftige Anlagestrategie wehren. Der Staat wird vor allem da zugreifen, wo es etwas zu holen gibt und wo er die großen Finanzvermögen NICHT angreift: das sind vor allem Sparvermögen und Immobilien. Aktien und Gold sind aus meiner Sicht auch in dieser Hinsicht deutlich sicherer, weil die Bestände viel kleiner sind, es weniger zu holen gibt, und diese Vermögensgegenstände sich auch in den Portfolios der sehr Reichen befinden.
Prof. Dr. Max Otte ist Herausgeber des PRIVATINVESTOR (www.privatinvestor.de) und Gründer der IFVE Institut für Vermögensentwicklung GmbH. Das Institut analysiert nach der von ihm entwickelten Strategie der Königsanalyse © börsennotierte Unternehmen und setzt sich dafür ein, mit transparenten Informationen Privatanleger bei der Entwicklung nachhaltiger und langfristig ausgerichteter Aktienstrategien zu unterstützen. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.