Niedrigzinsen kosten Bürger Milliarden
Deutschlands Sparern gehen durch die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank alljährlich Milliarden Euro verloren.
Die jährlichen Zinsgutschriften auf Spareinlagen sind von 2009 bis 2015 auf ein Drittel ihrer früheren Höhe geschrumpft - von 13,8 auf 4,4 Milliarden Euro, wie aus den in den Monatsberichten der Bundesbank veröffentlichten Zahlen hervorgeht.
Die großen Gewinner hingegen sind Bund und Länder: Die Ausgaben für die Schuldzinsen sind stark geschrumpft - allein der Bund zahlte 2015 fast 15 Milliarden Euro weniger als 2009, abzulesen an den Haushaltszahlen von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).
Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) fordert eine Wiedergutmachungsaktion: Es wäre "mehr als gerechtfertigt, wenn insbesondere der Bund durch eine stärkere Unterstützung des Sparens einen Teil dieser Vorteile wieder an die benachteiligten Sparer zurückgäbe", sagte Präsident Georg Fahrenschon in dieser Woche.
Die CSU verlangt Ausgleich in anderer Form: "Dieses Geld muss an die Menschen zurückgegeben werden", sagte Bayerns Finanzminister Markus Söder auf Anfrage. "Die Zeit ist reif für Steuerentlastungen. Wir wollen die Bezieher kleinerer und mittlerer Einkommen um mindestens 10 Milliarden Euro entlasten." DZ-Bank-Chefvolkswirt Stefan Bielmeier hatte am Freitag einen staatlichen Altersvorsorgefonds angeregt, der aus den Zinsersparnissen der öffentlichen Hand finanziert werden soll.
Der Anlass dieser Forderungen: 2009 zahlte der Bund noch 38,1 Milliarden Euro Kreditzinsen an die Banken. Im vergangenen Jahr waren es laut Finanzbericht 2016 des Ministeriums lediglich 23,2 Milliarden
- obwohl der Schuldenberg der Bundesregierung von über einer Billion
Euro seit 2009 weiter gewachsen ist.
Wie sehr der Bund von der Nullzinspolitik profitiert, macht eine andere Rechnung noch sehr viel deutlicher: der Vergleich mit den ursprünglichen Befürchtungen im Hause Schäuble. So prophezeiten die Bundeshaushälter im Jahr 2011 für 2015 noch eine Zinsbelastung von 49 Milliarden Euro, nachzulesen unter anderem im damaligen Jahresbericht des Bundesrechnungshofs. Tatsächlich wurde wegen des Zinsverfalls dann weniger als die Hälfte dieser Summe fällig.
Für die Bürger wiederum sind die tatsächlichen Nullzins-Verluste weit höher als nur die verlorenen Zinsgutschriften auf dem Sparbuch. Nicht enthalten in den monatlich veröffentlichten Zahlen der Bundesbank zu den Spareinlagen sind die Verluste bei Bausparverträgen, Lebensversicherungen und anderen Kapitalanlagen.
"Die anhaltende Niedrigzinsphase bringt zunehmend die persönliche Lebensplanung von Millionen Bundesbürgern in Gefahr", kritisiert Sparkassenpräsident Fahrenschon. "Viele Menschen sehen es realistisch und gehen daher davon aus, dass sie wegen fehlender Zinserträge nicht mehr zum vorgesehenen Zeitpunkt in Rente gehen werden können." Fahrenschon fordert vom Bund eine Änderung des Vermögensbildungsgesetzes, mit der der Bund seine Förderung des Sparens aufstocken würde.
BERLIN (dpa-AFX)
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