Sichtbare Veränderungen

Dauerstress im Job: So beeinflussen Überstunden die Hirnstruktur

04.09.25 20:54 Uhr

Gehirn im Dauerstress: Überstunden und ihre Folgen! | finanzen.net

Nach einem überlangen Arbeitstag fühlt sich der Kopf wie vernebelt an - als würde das Gehirn buchstäblich rauchen. Eine neue koreanische Studie zeigt nun: Das könnte mehr als nur ein Gefühl sein.

Sichtbare Veränderungen in kritischen Hirnregionen

Die in der Fachzeitschrift "Occupational & Environmental Medicine" veröffentlichte Untersuchung analysierte die Gehirne von 110 Beschäftigten im Gesundheitswesen mittels Magnetresonanztomographie. 32 der Probanden arbeiteten regelmäßig mehr als 52 Stunden pro Woche und galten damit als überarbeitet. Das Ergebnis war eindeutig: Bei den überarbeiteten Personen zeigten sich deutliche Volumenzuwächse in bestimmten Hirnregionen, wie aus dem Beitrag von Fitbook.de hervorgeht.

Wer­bung

Besonders auffällig war eine Vergrößerung im mittleren Frontallappen - bei einigen Probanden um bis zu 19 Prozent. Diese Region ist entscheidend für kognitive Prozesse wie Entscheidungsfindung, Arbeitsgedächtnis und Impulskontrolle. Insgesamt identifizierten die Forscher mithilfe voxel-basierter Morphometrie Volumenzuwächse in 17 verschiedenen Hirnarealen, darunter auch Bereiche, die für emotionale Verarbeitung und soziales Verhalten verantwortlich sind.

Starker Zusammenhang zwischen Arbeitszeit und Gehirnveränderungen

Die Studie offenbarte einen direkten Zusammenhang: Je länger die wöchentliche Arbeitszeit, desto ausgeprägter zeigten sich die strukturellen Veränderungen. Diese Korrelation blieb bestehen, selbst nachdem Faktoren wie Rauchen, Alkoholkonsum und Sportverhalten rechnerisch ausgeglichen wurden. Die Forscher interpretierten die Befunde als neuroadaptive Antwort auf chronischen beruflichen Stress.

Doch die Vergrößerung bestimmter Hirnareale ist nicht zwangsläufig positiv zu bewerten. Während Hirnatrophie - also der Schwund von Hirnmasse - problematisch ist, bedeutet der Umkehrschluss nicht automatisch eine Verbesserung. Die Studienautoren vermuten, dass die Veränderungen eine Art Anpassungsreaktion auf anhaltenden Druck darstellen könnten, die jedoch gesundheitliche Risiken bergen.

Wer­bung

Stress und Schlafmangel als mögliche Auslöser

Als Erklärung für die beobachteten Hirnveränderungen ziehen Experten das Zusammenspiel aus Stress und Schlafproblemen heran. Wer viel arbeitet, schläft oft schlechter - und das kann die Dichte und Dicke der grauen Substanz im Gehirn beeinflussen, wie die Deutsche Apotheker Zeitung berichtet. Auch ein erhöhter Cortisolspiegel durch chronischen Stress spielt eine wichtige Rolle bei diesen strukturellen Anpassungen.

Eine frühere Studie aus dem Jahr 2022 hatte bereits gezeigt, dass leichter bis mäßiger Stress eine erhöhte neuronale Aktivierung bewirken kann, was das Arbeitsgedächtnis verbessert. Gleichzeitig warnten die Forscher jedoch davor, dass dauerhaft hoher Stress zu einer Vermehrung der weißen Hirnmasse führen und diese die wichtige graue Substanz verdrängen könnte.

Noch viele Fragen offen

Obwohl die Ergebnisse bemerkenswert sind, treffen die Studienautoren keine abschließende Aussage darüber, ob es sich bei den beobachteten Veränderungen um positive Anpassungen oder schädliche Effekte handelt. Auch bleibt unklar, ob die Veränderungen dauerhaft sind oder sich bei reduzierter Arbeitszeit zurückbilden können. Die Untersuchung war als Pilotstudie angelegt und lässt keine belastbaren Aussagen über langfristige Entwicklungen oder kausale Zusammenhänge zu.

Wer­bung

Die Erkenntnisse reihen sich in das bereits bekannte Wissen über die Gefahren übermäßiger Arbeitsbelastung ein. Nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation sterben weltweit jährlich über 800.000 Menschen an den Folgen von Überarbeitung. Die neue Studie erweitert dieses Verständnis um eine wichtige Perspektive und könnte Anstoß für politische Diskussionen über Arbeitszeitregelungen geben, um die mentale Gesundheit langfristig besser zu schützen.

D. Maier / Redaktion finanzen.net

Bildquellen: fizkes / Shutterstock.com, Antonio Guillem / Shutterstock.com