Regionale Lebensmittel

Etikettenschwindel? Das bedeutet "regional" bei Rewe, Edeka und Co. wirklich

10.10.19 17:13 Uhr

Etikettenschwindel? Das bedeutet "regional" bei Rewe, Edeka und Co. wirklich | finanzen.net

Lebensmittel aus der Region werden immer beliebter. Was in der Nähe hergestellt wurde, hat keine langen Transportwege hinter sich, ist saisonal und gibt beim Einkauf ein gutes Gefühl. Doch wie regional sind die regionalen Produkte von Rewe, Edeka und Co. wirklich?

Für mehr als drei Viertel der Verbraucher, in Summe 78 Prozent, ist es beim Einkauf von Relevanz, dass die Lebensmittel regional fabriziert wurden. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Forsa von 2018. Die Gründe dafür sind vielseitig. Vor allem scheint die Nachhaltigkeit ein großes Thema beim Kauf von regionalen Produkten zu sein - diese haben keine kilometerlangen Transportwege mit Schiff oder Flugzeug hinter sich und somit eine bessere CO2-Bilanz als vergleichbare Produkte aus Übersee. Außerdem haben regionale Produkte den Vorteil, dass sie erntefrisch und saisonal sind. Obst und Gemüse kann reif geerntet werden und reift nicht erst im Supermarkt nach dem Transport nach. Außerdem kann der Kauf von regionalen Lebensmitteln auch Arbeitsplätze in der Region schützen. Beim Einkauf erkennt man regionale Lebensmittel im Supermarktregal häufig an unterschiedlichen Kennzeichnungen oder Siegeln. Doch was genau bedeuten sie? Und bis zu welcher Entfernung gelten Produkte noch als regional?

Weder Rewe noch Edeka definieren Regionalität klar

Das ZDF hat im Beitrag "Rewe oder Edeka?" den beiden Supermärkten auf den Zahn gefühlt. In die Bewertung des Einkaufschecks zählte auch die Regionalität der als regional gekennzeichneten Produkte mit hinein. Das Ergebnis: Regionalität ist nicht klar definiert, die Entfernung kann erschreckend weit variieren.

So sieht es zumindest Rolf Lange, Leiter der Unternehmenskommunikation bei Edeka. Eine Definition von Regionalität könne es gar nicht geben, weil jeder Kunde Regionalität anders für sich selbst definiere. Auch von Rewe-Geschäftsführerin Maike Sanktjohanser bekommt das ZDF keine eindeutige Antwort auf die Frage, wie Regionalität in ihrem Geschäft definiert ist. Als Region verstehe man einen klar abgegrenzten Raum, den der Verbraucher nachvollziehen könne. Allerdings sei dieser Bereich sehr unterschiedlich, weder Größe noch Radius seien fest definiert. Doch kommen die "regionalen" Lebensmittel jetzt aus 20 Kilometer Entfernung, von 50 Kilometern weit weg oder legen sie vielleicht sogar deutlich mehr als 100 Kilometer Transportweg zurück?

Bei Edeka kommen regionale Produkte durchschnittlich aus 133 km Entfernung

In einem nicht wirklich repräsentativen Test ließ das ZDF regionale Produkte in Rewe- und Edeka-Filialen in Berlin, Hamburg, München, Bochum und Frankfurt kaufen und überprüfte die Entfernungen, die die Produkte bis zum Laden zurückgelegt hatten. Das Ergebnis: Bei Rewe kamen die testweise gekauften Produkte im Schnitt auf 118 Kilometern Entfernung, bei Edeka waren es 133 Kilometer. Regionale Produkte aus München können bei Edeka demnach auch aus Aalen, Regensburg oder Berchtesgarden kommen, Rewe-regional-Produkte in Hamburg können auch in Kiel, Schwerin oder Bremen produziert werden.

Die Herkunftsorte der Regionalprodukte finden sich auf den meisten Siegeln bei Rewe oder Edeka direkt mit Postleitzahl. Allerdings wird für den Kunden auch hierbei nicht auf einen Blick ersichtlich, von wie weit her das regionale Produkt kommt. Um einen eindeutigen Wert zu ermitteln, wie es auch das ZDF getan hat, muss die Entfernung händisch berechnet werden. Bundesweit gibt es auch das Regionalfenster, ein freiwilliges Siegel zur Kennzeichnung von regionalen Produkten. Hier sind entweder die administrativen Grenzen - zum Beispiel der Landkreis oder das Bundesland - angegeben, oder eine Entfernung in Kilometerangaben aufgedruckt.

Region beim Regionalfenster kleiner als die Bundesrepublik Deutschland

Doch selbst das Regionalfenster bleibt bei der Kennzeichnung und Definition von regionalen Produkten ziemlich vage. Wenn lediglich das Bundesland oder der Landkreis genannt wird, können die regionalen Entfernungen wiederum stark variieren. So hat Bayern als größtes deutsches Bundesland beispielsweise eine Nord-Süd-Ausdehnung von 362 Kilometern. Wer in Einödsbach - dem südlichst gelegenen Ort Bayerns - regionale Äpfel kauft, wird wohl kaum vermuten, dass regional dann auch bedeuten kann, dass das Obst aus dem nördlichsten Ort Bayerns, Weimarschmieden, stammt.

Als Angabe könnte auch "Karotten aus Norddeutschland (Bundesländer: SH, MV, HH)" ausreichen, was die Entfernung noch einmal vergrößert. Als Eingrenzung gibt das Regionalfenster-Siegel lediglich vor, dass die Region kleiner zu sein hat als die Bundesrepublik Deutschland und mindestens ein Teil von ihr in Deutschland liegt - Naturräume dürfen demnach Staats- oder Ländergrenzen überschreiten.

Verbraucherschutz verurteilt "Greenwashing-Strategie"

Rewe und Edeka bedienen sich bei ihren Regionallogos verschiedener Eingrenzungen innerhalb Deutschlands. So hat Edeka Deutschland für sich in sieben Genossenschaftsgebiete eingeteilt, für jedes Gebiet gibt es ein eigenes Regionalsiegel, das bezeugt, dass das Produkt innerhalb dieser Region produziert wurde. Rewe unterteilt Deutschland intern in sechs Vertriebsregionen, das Regionallabel ist jedoch in allen Regionen dasselbe - hier ist nicht auf den ersten Blick erkennbar, wie regional das Produkt tatsächlich ist.

Dr. Britta Schautz von der Verbraucherzentrale in Berlin sieht die unklare Definition des Begriffs "Regionalität" kritisch. Den Verbrauchern würde durch Regionallabels vorgegaukelt, regionale Produkte zu erwerben, die dann aber aus über hundert Kilometern Entfernung stammen. "Das ist für uns eine typische Greenwashing-Strategie. Wir vermitteln dem Verbraucher ein gutes Gefühl, dass er regional kauft, und eigentlich sind die Lebensmittel gar nicht regional."

Wem es wichtig ist, dass sein Obst und Gemüse, seine Milchprodukte und Eier, sein Wein und Bier tatsächlich aus unmittelbarer Entfernung kommen, der muss also genau hinschauen. Denn nur, weil regional draufsteht, ist nicht immer auch wirklich regional drin.

Theresa Rauffmann / Redaktion finanzen.net

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