Die finanzielle Mitte: Gehaltsrahmen der Mittelschicht in Deutschland
Die Mittelschicht gilt oft als das soziale Rückgrat einer jeden Nation. Ihre Größe und Wirtschaftskraft sind Indikatoren für den Wohlstand und die Stabilität einer Gesellschaft. In Deutschland ist die Zugehörigkeit zur Mittelschicht traditionell eng mit dem Einkommen verknüpft. Doch wie definiert sich die Mittelschicht genau im Hinblick auf das Einkommen? Und wie hat sich diese definierende Einkommensspanne über die Jahre verändert?
Definition der Mittelschicht
Die soziale Struktur in Deutschland ist vielschichtig und wird durch verschiedene Faktoren geprägt. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Einkommensverteilung, die oft als Indikator für die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Schicht herangezogen wird. Die Mittelschicht bildet in dieser Hinsicht eine zentrale Gruppe und wird oft als Stabilisator der Gesellschaft betrachtet. Die Zugehörigkeit zur Mittelschicht in Deutschland wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst, einschließlich des Einkommens, der Haushaltsgröße und des Wohnortes. Dabei spielen sowohl individuelle als auch statistische Aspekte eine Rolle. Die Einkommensgrenzen, die die Mittelschicht definieren, können dabei je nach Quelle und Methode der Berechnung variieren.
Eine weit verbreitete Definition stammt von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Laut OECD zählen jene Personen zur Mittelschicht, die ein Einkommen zwischen 75 und 200 Prozent des mittleren Einkommens der Gesellschaft erzielen. Diese Definition stellt eine relative Einkommensspanne dar und ermöglicht so eine flexible Einordnung, die sich an die allgemeine Einkommensentwicklung anpasst.
Die Einkommensspanne der Mittelschicht
Eine überwiegende Mehrheit von über 80 Prozent der Deutschen sieht sich selbst als Teil der Mittelschicht. Doch die statistische Realität zeichnet ein differenzierteres Bild. Im Jahr 2019 zählten etwa 26,1 Millionen Haushalte in Deutschland zur Mittelschicht, was lediglich 63 Prozent, also weniger als zwei Drittel aller Haushalte ausmacht, wie aus einem Online-Beitrag des ifo Instituts hervorgeht. Die Zugehörigkeit zur Mittelschicht wird durch das verfügbare Nettoeinkommen definiert, wobei die Spannen je nach Haushaltskonstellation variieren.
So lag im Jahr 2019 für Alleinstehende die Einkommensspanne zwischen 17.475 und 46.600 Euro, während sie für kinderlose Paare zwischen 26.212 und 69.900 Euro betrug, wie das ifo Institut weiter berichtet. Familien mit zwei Kindern wurden statistisch der Mittelschicht zugeordnet, wenn ihr Einkommen im Bereich von 36.698 bis 97.860 Euro lag.
Eine Schätzung für das Jahr 2023 zeigt, dass ein monatliches Einkommen von 3.750 Euro als Größe für die Mittelschicht angesehen wird, wie deutsch-werden.de in einem Beitrag berichtet. Zum Vergleich: Das durchschnittliche monatliche Bruttogehalt für einen Vollzeitjob in Deutschland lag im Jahr 2022 bei 4.044 Euro, was auf das Jahr gerechnet etwa 48.538 Euro entspricht, so kununu in einem Online-Beitrag.
Schrumpfende Mittelschicht: Wie stark ist der Fall?
Die Mittelschicht in Deutschland, oft als das Rückgrat der Gesellschaft betrachtet, scheint dabei in den letzten Jahren eine Schrumpfung erfahren zu haben. Die Daten zeigen, dass diese soziale Schicht von 65 Prozent der Bevölkerung im Jahr 2007 auf 63 Prozent im Jahr 2019 geschrumpft ist. Diese Entwicklung wird von einer Studie des ifo-Instituts bestätigt, die auf einen Rückgang der Mittelschicht hinweist.
Interessant ist auch der internationale Vergleich: Dieser zeigt, wie sich die Mittelschicht in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern der OECD verändert hat, besonders bei den jüngeren Erwachsenen. Laut Bertelsmann Stiftung ist im internationalen Kontext mit 25 anderen OECD-Ländern die Mittelschicht nur in Schweden, Finnland und Luxemburg stärker geschrumpft als in Deutschland.
Die Bertelsmann Stiftung betont dabei, dass jüngere Erwachsene in Deutschland in besonderem Maße betroffen sind. Der Anteil der 18- bis 29-Jährigen, die zur Mittelschicht gehören, ist überdurchschnittlich um zehn Prozentpunkte gesunken. Im Generationsvergleich ergibt sich, dass 71 Prozent der Babyboomer (Jahrgänge 1955 bis 1964) nach dem Start ins Berufsleben in die Mittelschicht aufgestiegen sind, im Vergleich zu 61 Prozent der Millennials (Jahrgänge 1983 bis 1996).
Der Bericht unterstreicht auch die zunehmende Bedeutung der Bildung: Der Anteil der 25- bis 35-Jährigen mit niedrigem oder mittlerem Bildungsniveau, die es in die Mittelschicht schaffen, ist im Vergleich zu 1995 überproportional gesunken. Für Personen ohne Abitur oder Berufsausbildung sank dieser Anteil um 27 Prozentpunkte (von 67 Prozent auf 40 Prozent), und für Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung oder Abitur um 12 Prozentpunkte (von 73 Prozent auf 61 Prozent). Der Rückgang für junge Erwachsene mit einem Meister- oder Hochschulabschluss lag mit fünf Prozentpunkten unter dem Bevölkerungsdurchschnitt.
Die OECD hebt hervor, dass eine starke und florierende Mittelschicht die Grundlage für eine gesunde Wirtschaft und Gesellschaft bildet, und die schrumpfende Mittelschicht in Deutschland könnte langfristige Auswirkungen haben.
Die genauen Ursachen für diese Entwicklung sind vielfältig und könnten mit der allgemeinen wirtschaftlichen Lage, der Steuerbelastung, der Inflation und anderen makroökonomischen Faktoren zusammenhängen. Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern wird die Mittelschicht in Deutschland durch eine der höchsten Steuer- und Abgabenlasten belastet. Bei einer Grenzbelastung von ungefähr 50 Prozent des Bruttoeinkommens im deutschen Steuer- und Transfersystem, behalten Menschen mit mittlerem Einkommen von jedem zusätzlich verdienten Euro effektiv nur die Hälfte, wie der Leiter des ifo-Zentrums für Makroökonomik und Befragungen abschließend betont.
D. Maier / Redaktion finanzen.net
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