Warum man in einem Dorf in Spanien mit lokalem Dorf-Euro zahlen kann
Eine Gemeinde im Nordosten Spaniens hat sich entschieden, eine eigene Währung in der Dorfgemeinschaft einzuführen. Die Gründe dafür sind zahlreich - und der Plan scheint zu funktionieren, berichten die politischen Verantwortlichen der Gemeinde.
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Spanisches Dorf Deltebre führt Euro-Delta ein
In letzter Zeit häufen sich die Berichte von Gemeinden, die eine lokale Währung in ihrer Dorfgemeinschaft eingeführt haben. Auch in Deltebre, einem Dorf in der katalanischen Provinz Tarragona, hat die lokale Regierung diesen Schritt nun gewagt und eine eigene Zahlungsmöglichkeit geschaffen. Einkäufe können in der Gemeinde im Nordosten Spaniens nun nicht mehr nur mit dem Euro, sondern auch in sogenannten Euro-Deltas bezahlt werden. Der Wechselkurs ist dabei denkbar einfach: Mit einem Kurs von eins zu eins hat ein Euro-Delta den Wert von einem Euro.
Geld fließt an Selbstständige und Hilfebedürftige
Im letzten Jahr soll die lokale Regierung Berichten des Deutschlandfunks Kultur zufolge insgesamt 100.000 Euro-Deltas an seine Dorfbewohner ausbezahlt haben - in diesem Jahr sind es bereits 40.000 Euros, berichtet die lokale Regierung. Dabei wird die lokale Währung vor allem an Selbstständige, die aufgrund der Corona-Krise keine Einnahmen hatten, und an hilfebedürftige Menschen, die am Existenzminimum leben, ausgezahlt. Wer bei der spanischen Gemeinde einen Antrag stellt und diesen bewilligt bekommt, erhält nun alle drei Monate 120 Euro-Deltas von der lokalen Regierung - eine enorme Unterstützung für viele Dorfbewohner. Dabei wird jeder Euro-Delta-Schein bei Ausgabe mit dem Namen des Benutzers markiert.
Euro-Deltas unterstützen lokalen Einzelhandel
Doch das Geld kommt nicht nur den hilfebedürftigen Menschen zugute, die die lokalen Geldscheine von der Regierung beziehen. Auch lokale Geschäfte profitieren von der neu eingeführten Währung: Über 70 Geschäfte nehmen nach Berichten des Deutschlandfunks bereits an der Aktion teil und akzeptieren die Bezahlung ihrer Produkte mit der lokalen Währung. Neben Lebensmittelläden sollen sich mittlerweile auch einige Boutiquen und ein Friseur angeschlossen haben.
Der Vorteil: Vor allem die kleineren Geschäfte können sich mit Einführung der lokalen Währung über zahlreiche Neukunden freuen. Denn, um ihre Geldscheine auszugeben, suchen sich die Dorfbewohner neue Geschäfte zum Einkaufen, die den Euro-Delta als Zahlungsmöglichkeit anbieten, erklärt Lebensmittelladen-Besitzerin Maria-Dolores: "Für uns kleine Geschäfte ist das ein gutes System: So kommen Kunden, die vorher noch nie bei mir waren, weil es hier eben etwas teurer ist als im Supermarkt", sagt sie gegenüber Deutschlandfunk Kultur. "Ich bringe die Scheine dann am Monatsende ins Rathaus, zusammen mit den Kauftickets und bekomme den Kaufbetrag in echten Euros zurückerstattet", erzählt sie weiter.
Regierung will Euro-Deltas weiter durchsetzen
Es scheint so, als wolle die spanische Gemeinde auch weiterhin an ihrem Konzept festhalten. "Der Euro-Delta ist gekommen, um zu bleiben", meint Gemeindevorsteher Lluis Soler. Vor allem die dauerhafte Unterstützung des lokalen Einzelhandels und die Hilfe für bedürftige Dorfbewohner stehe dabei ganz klar im Vordergrund. "Dieses neue Image steht symbolisch auch für einen Politikwechsel. Als ich vor fünf Jahren hier anfing, gab es fast überhaupt keine lokalen Förderprogramme", erklärt der junge Politiker Deutschlandfunk zufolge.
Euro-Deltas bisher ausschließlich analog
Doch ist das System der lokalen Währung in Deltebre noch nicht vollständig ausgereift. So lassen sich die Geldscheine der Euro-Deltas beispielsweise nicht aufteilen, Wechselgeld gibt es keines. Wer daher in Beträgen unter fünf Euro einkauft, bekommt den Restbetrag nicht in Euros ausbezahlt, stattdessen verfällt dieser. Außerdem läuft die lokale Währung bisher ausschließlich analog. Doch das möchte die Regierung von Deltebre jetzt ändern: In Zusammenarbeit mit mehreren Sparkassen arbeitet die Kommune an einer Geldkarte, die die digitale Bezahlung mit Euro-Deltas ermöglichen und die centgenaue Bezahlung von Produkten gewährleisten soll. Die zukünftige einzuführende Karte bietet einen weiteren Vorteil: Mit der Bezahlung über die Geldkarte, wird es hilfebedürftigen Geringverdienern leichter gemacht, anonym zu bezahlen - denn einigen ist die Inanspruchnahme der Euro-Deltas von der Regierung unangenehm.
Lokale Währungen auch in anderen Gemeinden vertreten
Auch andere Gemeinden in Spanien haben bereits die Vorteile einer lokalen Währung für ihre Dorfgemeinschaft erkannt, wie Deutschlandfunk Kultur berichtet. So besitzt die 120.000-Einwohner-Stadt Santa Coloma de Gramenet in der Nähe von Barcelona schon seit 2017 eine lokale Währung - und gilt als Vorreiter für lokale Zahlungsmöglichkeiten in Spanien. Die sogenannten Gramas laufen ausschließlich digital und entsprechen - ähnlich wie die Euro-Deltas - ebenfalls dem Wert von Euros. Eingeführt wurden das digitale Zahlungsmittel ursprünglich, um den Abfluss von Geld aus der Kommune einzuschränken und Hilfebedürftigen und lokalen Geschäften unter die Arme zu greifen. Doch hatten die Gramas einen weiteren positiven Nebeneffekt, erklärt eine Dorfbewohnerin gegenüber Deutschlandfunk: Die lokale Währung habe das Gemeinschaftsgefühl der in der Stadt lebenden Menschen gestärkt und sie näher zusammengerückt.
Pauline Breitner / Redaktion finanzen.net
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