WhatsApp und Arbeitsrecht: Besteht wirklich ein Kündigungsrisiko nach Kritik am Chef?
In der heutigen digitalen Welt ist es üblich, dass Mitarbeiter über verschiedene Plattformen wie WhatsApp kommunizieren. Diese Kommunikation kann jedoch auch zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen, wenn sie beleidigende oder schmähende Äußerungen gegenüber Vorgesetzten oder Kollegen enthält.
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Der Fall
Ein Vorfall aus Niedersachsen rückte ins Licht der Öffentlichkeit. Eine Gruppe von bis zu sieben Kollegen einer Fluggesellschaft, einschließlich zwei Brüdern, pflegte über Jahre einen aktiven WhatsApp-Chat über ihre persönlichen Smartphones, wie das ZDF in einem Online-Beitrag berichtet hat. Als die Fluggesellschaft vor Herausforderungen stand und Umstrukturierungen vornahm, stand für die Chatgruppen-Mitglieder der Wechsel in eine Transfergesellschaft im Jahr 2022 bevor.
Einige Monate zuvor wurde ein Auszug aus diesem Chat, in dem es harsche Kritik gegen einen der Vorgesetzten gab, kopiert und dem Betriebsrat sowie später dem Personalchef vorgelegt. Es handelte sich um ein Dokument von 316 Seiten, so das ZDF weiter. Ein Gruppenmitglied bestätigte schriftlich die Authentizität des Auszugs. Es wird vermutet, dass dies im Zusammenhang mit einem Arbeitsplatzkonflikt stand. Die Nachrichten beinhalteten beleidigende, rassistische und sexistische Bemerkungen, sowie gewaltverherrlichende Aussagen. Schließlich entschied sich der Arbeitgeber für fristlose Kündigungen, die vom Betriebsrat unterstützt wurden. Die betroffenen Mitarbeiter suchten rechtlichen Beistand und gingen sogar bis zur höchsten gerichtlichen Instanz, wie das ZDF berichtet hat.
Das Urteil und die rechtliche Lage
Das ZDF hatte daraufhin berichtet, dass das Arbeitsgericht Hannover und das Landesarbeitsgericht Niedersachsen zugunsten der betroffenen Mitarbeiter urteilten. Als Begründung wurde angeführt, dass Äußerungen in einer privaten Chatgruppe verfassungsrechtlichen Schutz genießen, da sie als Ausdruck der Persönlichkeit gelten. Dieser Schutz kann dem Schutz der Ehre der beleidigten Person überwiegen, besonders wenn der Verfasser der Nachricht darauf vertrauen konnte, dass die Kommunikation vertraulich bleibt. Der Arbeitgeber wurde aufgefordert, ausstehendes Gehalt an die Mitarbeiter zu zahlen, so das ZDF weiter.
Das Bundesarbeitsgericht sah das vorherige Urteil kritisch. Es entschied, dass Arbeitnehmern bei öffentlich gewordenen menschenverachtenden Äußerungen eine fristlose Kündigung ausgesprochen werden kann. Das ZDF berichtete, dass ob Äußerungen vertraulich behandelt werden, sowohl von der Art der Nachrichten als auch von der Größe der Gruppe abhängt. Das Gericht hat den Fall für weitere Untersuchungen an die Vorinstanz zurückgegeben. Dabei soll die Vorinstanz den Inhalt der Nachrichten sowie die Größe und die Mitglieder der Chatgruppe erneut prüfen. Es ist noch offen, zu welchem Schluss das Gericht kommt. Sicher ist jedoch, dass dieser Fall bedeutende Fragen bezüglich Datenschutz und Meinungsfreiheit am Arbeitsplatz stellt.
Ein weiteres Beispiel
In einem anderen Fall tauschte ein technischer Leiter eines auf Flüchtlingshilfe spezialisierten Vereins in einer vertraulichen WhatsApp-Gruppe Nachrichten mit zwei Kollegen aus. Überraschend gelangten die Chatprotokolle in die Hände des Vereins, der feststellte, dass der technische Leiter sich abfällig und fremdenfeindlich über Geflüchtete äußerte, wie anwalt.de in einem Online-Beitrag berichtet hat. Nachdem diese Kommentare an die Presse gelangt waren, entfachte dies eine Debatte in der Öffentlichkeit.
Angesichts dieser kontroversen Bemerkungen sah sich der Verein zur Kündigung des technischen Leiters veranlasst. Der Leiter vertrat jedoch die Ansicht, dass seine private Kommunikation und Meinungsfreiheit infrage gestellt wurden und reichte eine Kündigungsschutzklage ein, so anwalt.de weiter. Der Verein behauptete vor Gericht, dass die Schwere der Äußerungen eine Kündigung rechtfertige und schlug vor, das Arbeitsverhältnis gegen eine Abfindung zu beenden, sollte das Gericht anderer Meinung sein.
Das Urteil des Landesarbeitsgerichts
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg fand, dass die Kündigung unbegründet war, da die Kommentare eindeutig im privaten Kontext erfolgten und der technische Leiter die Vertraulichkeit der Unterhaltung vorausgesetzt hatte, so anwalt.de. Es wurde jedoch betont, dass, obwohl seine Äußerungen bedenklich waren, sie seine beruflichen Aufgaben oder die Mission des Vereins nicht direkt beeinträchtigten.
Anwalt.de berichtete jedoch, dass das LAG den Antrag des Vereins auf Vertragsauflösung anerkannte und gewährte dem technischen Leiter eine Abfindung. Die Gründe hierfür lagen im beschädigten Ruf des Vereins durch die Äußerungen, der die künftige Personalrekrutierung und PR-Aktivitäten beeinträchtigen könnte, so anwalt.de abschließend.
D. Maier / Redaktion finanzen.net
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