Haftung bei Impfschäden

Haftungsansprüche: Wer beim COVID-19-Impfstoff das Risiko trägt

10.05.22 06:32 Uhr

Haftungsansprüche: Wer beim COVID-19-Impfstoff das Risiko trägt | finanzen.net

Mit dem Beginn der Impfungen in Deutschland kommen allerhand Fragen im Bezug auf geltende Haftungs- und Versicherungsansprüche auf. Wir haben untersucht, wer bei Impffehlern haftet und welche Ansprüche bei eventuellen Impfschäden geltend gemacht werden können.

Seit dem 27. Dezember lassen sich Menschen in ganz Deutschland gegen das Corona-Virus impfen. Gemäß der vom Bundesministerium für Gesundheit beschlossenen Rangfolge werden dabei zunächst die über 80-Jährigen, die Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen und die Beschäftigten im Gesundheitswesen geimpft - erst später auch die breite Bevölkerung. So oder so stellt sich über kurz oder lang die Frage, welche langfristigen Auswirkungen die Corona-Impfungen auf die menschliche Gesundheit haben und wer im Falle eines Schadens haftet.

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Wer haftet bei Impfschäden?

Prinzipiell wird zwischen drei Auswirkungen von Impfungen auf den menschlichen Körper unterschieden. Die sogenannten Impfreaktionen stellen laut Robert-Koch-Institut typische Beschwerden nach einer Impfung dar - dazu gehören Rötungen, Schwellungen und Schmerzen an der Impfstelle sowie Allgemeinreaktionen wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen. Während diese in der Regel abklingen und daher keine Ansprüche auf Schmerzensgeld mit sich bringen, müssen die wesentlich selteneren Impfkomplikationen gem. §6 (1) Infektionsschutzgesetz (IfSG) sofort an das Gesundheitsamt gemeldet werden, das wiederum verpflichtet ist, die zuständige Landesbehörde und die Bundesoberbehörde, das Paul-Ehrlich-Institut, zu informieren.

Ergeben sich aus diesen Impfkomplikationen sogenannte Impfschäden, können gem. § 60 des Infektionsschutzgesetzes Versorgungsansprüche gegenüber der Bundesregierung geltend gemacht werden. Nach dem Bundesversorgungsgesetz stehen dem Geschädigten je nach Tatbestand bestimmte Ausgleichszahlungen wie Heilbehandlungskosten und Beschädigtenrente zu, wenn die Schutzimpfung durch eine zuständige Landesbehörde öffentlich empfohlen wurde. Ein Impfschaden liegt per Definition vor, "wenn die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion" hinausgeht.

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Weiterhin können nach dem Arzneimittelgesetz auch Ansprüche gegenüber dem Hersteller geltend gemacht werden. Dies gilt jedoch nur für gesundheitsschädliche Nebenwirkungen, über die vor der Impfung nicht ausreichend durch den Hersteller informiert wurde. Da die Impfung in Deutschland freiwillig ist, besteht in solchen Fällen also kein Anspruch auf Schmerzensgeld. Andernfalls haften die Hersteller für auftretende gesundheitliche und wirtschaftliche Schäden - gemäß §88 IfSG jedoch höchstens bis 600.000 Euro.

Deutschland macht Impfstoffherstellern Haftungs-Zugeständnisse

Während der Impfstoff in den USA, in Kanada und in Großbritannien bereits Anfang Dezember zum Einsatz kam, war der offizielle Impfstart in Deutschland erst am 27. Dezember. Und das hat einen ganz bestimmten Grund, wie die EU in einer Stellungnahme laut dem Deutschen Ärzteblatt erklärt: So hätte eine Notfallzulassung des Impfstoffs durch die Mitgliedstaaten dazu geführt, dass die EU den Hersteller bei Impfschäden "aus der administrativen und zivilrechtlichen Haftung" ausnehmen müsste, da sie den Vertrieb des nicht zugelassenen Impfstoffs explizit genehmigt hatte. In Folge würde also die EU anstatt des Herstellers haften.

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Trotz der herkömmlichen Impfstoffzulassung in Deutschland kam die EU laut Angaben des Talanx-Versicherungschefs Torsten Leue im Rahmen der Verhandlungsgespräche nicht darum herum, den Impfstoffherstellern Zusagen im Bezug auf mögliche Haftungsansprüche zu machen. So hätten die Hersteller dem Versicherungschef zufolge auf eine Beteiligung der Staaten gedrungen, da diese nicht das Risiko für eventuell in vielen Jahren auftretende Impfschäden tragen wollten. "Die Staaten übernehmen daher aufgrund fehlender Erfahrungswerte in der Kürze der Zeit dieses Risiko, weil es privatwirtschaftlich nicht kalkulierbar ist", erklärt der Experte gegenüber der "WirtschaftsWoche". Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, sollen die Mitgliedstaaten die Hersteller zwar für bestimmte, streng geregelte Haftungen entschädigen, "die Haftung verbleibt jedoch weiter bei den Unternehmen", betont ein Sprecher der Europäischen Kommission.

Wer haftet bei Impffehlern?

Wer haftet jedoch, wenn die zuständigen Ärzte bei der Corona-Impfung einen Fehler machen? Um Ärzte und Impfzentren bei Fehlern oder Unfällen vor Ort zu schützen, bieten viele Versicherungen eine Impf-Haftpflicht an. Im Zuge des Impfstarts in Deutschland haben die HDI Versicherung und die Deutsche Ärzteversicherung die Arzthaftpflichtdeckung um die Corona-Impfung ergänzt. So sind Ärzte, die zukünftig in den Corona-Impfzentren arbeiten, laut den Angaben des Deutschen Ärzteblattes bereits über die bestehende Police versichert. Das gilt auch für Impfungen, die im späteren Verlauf in den Praxen durchgeführt werden.

"Kein Arzt muss sich bei uns Sorgen machen, dass er keine Deckung hat", sagt Carsten Lutz, Leiter Produktmanagement Haftpflicht Heilwesen bei der HDI. Ärzte, die bei der HDI eine Versicherung abgeschlossen haben, sind also im Falle eines Fehlers automatisch abgesichert - ohne dem Versicherer ihren Einsatz in einem Impfzentrum vorher mitteilen zu müssen. Gleiches gilt für die Versicherten der Deutschen Ärzteversicherung.

Arbeiten Ärzte, die sich aktuell im Ruhestand oder in Elternzeit befinden und keine Berufshaftpflichtversicherung haben, in den Impfzentren, können diese mit einer neu von der HDI angebotenen Versicherung geschützt werden. Ob das mit der Impftätigkeit verbundene ärztliche Restrisiko bei anderen Versicherungen bereits über den Versicherungsschutz "gelegentlicher ärztlicher Tätigkeit" abgedeckt ist, sollte individuell mit den Versicherungsunternehmen geklärt werden.

Was passiert, wenn Impfstoff vernichtet oder geklaut wird?

Auch für sonstige Unfälle, Schäden und Vorfälle gibt es mittlerweile einige Versicherer, die eventuelle Risiken in ihrem Programm abdecken. Das auf die Logistikbranche in Deutschland spezialisierte Versicherungsunternehmen Schunck bietet mit seiner Corona-Impfstofftransportversicherung nach eigenen Angaben eine "Allgefahrenlösung", welche die drei großen Risiken Temperatur, Kühlkettenunterbrechung sowie Diebstahl abdeckt. Damit ist das Unternehmen nach eigenen Angaben eine der ersten Versicherungsoptionen auf dem deutschen Markt: "Wir versichern den Impfstoff vom Hersteller bis in den Blutkreislauf des Patienten", erklärt Thomas Wicke, Geschäftsführer bei Schunck, Berichten der Süddeutsche Zeitung zufolge.

Ein erstes Impfzentrum soll das Versicherungsunternehmen auch schon versichert haben. Dabei werden laut Angaben des Nachrichtenmagazins jedoch hauptsächlich Risiken vor Ort - beispielsweise ein überraschendes Feuer - abgesichert.

Pauline Breitner / Redaktion finanzen.net

Bildquellen: Lightspring / Shutterstock.com