Geld-Studie

Vermögen von Babyboomern bis Millennials: Jüngere Generationen stärker auf Erbschaft angewiesen

29.07.21 22:51 Uhr

Vermögen von Babyboomern bis Millennials: Jüngere Generationen stärker auf Erbschaft angewiesen | finanzen.net

Das Arbeitseinkommen stagniert im Generationenvergleich, gleichzeitig steigt das vererbte Kapital - für die jüngeren Generationen bedeutet das eine größere Abhängigkeit vom Erbe und größere soziale Ungleichheiten zwischen Menschen mit unterschiedlich wohlhabenden Eltern.

Eine Ende April 2021 veröffentlichte Studie des britischen Institute for Fiscal Studies (IFS) beschäftigt sich mit der sozialen und finanziellen Bedeutung der Tatsache, dass in Großbritannien das Arbeitseinkommen im Generationenvergleich seit einigen Jahren stagniert oder gar sinkt und gleichzeitig das vererbte Kapital wächst. Den Forschern zufolge nimmt die Bedeutung von Erbschaft enorm zu und verstärkt soziale Ungleichheiten. Verglichen wurden die in den 1960er-Jahren geborenen Babyboomer mit der in den 1970er-Jahren geborenen Generation X und den Kindern der 80er-Jahre bis 90er-Jahre, also den Millennials.

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Erbe spielt für Millennials im Schnitt doppelt so große Rolle wie für Babyboomer - Tendenz steigend

So gehört zu den Erkenntnissen der Studie, dass das Erbe für die verschiedenen Generationen einen immer größeren Teil des Lebenseinkommens - also des Einkommens über alle Lebensjahre hinweg - ausmacht. Sind es für die Babyboomer im Schnitt neun Prozent und für die Generation X rund zwölf Prozent, so macht das Erbe für Millennials durchschnittlich bereits 16 Prozent des Lebenseinkommens aus. Das Erbe spielt für letztere also bereits eine fast doppelt so große Rolle wie für die Babyboomer, und die Tendenz ist der Studie zufolge für die Folgegenerationen steigend. Dabei handelt es sich um Mittelwerte: Während das Fünftel der Babyboomer mit den wohlhabendsten Eltern durch das Erbe ein bis zu 17 Prozent höheres Lebenseinkommen hat, liegt dieser Wert bei denjenigen mit den ärmsten Eltern bei gerade einmal zwei Prozent. Unter den Millennials liegen die Zahlen bei fünf und 29 Prozent.

In einer Pressemitteilung zur Studie führt das IFS ein Zitat Machiavellis an: "Ein Sohn kann den Verlust seines Vaters mit Gleichmut ertragen, aber der Verlust seines Erbes kann ihn in die Verzweiflung treiben." Dies entspreche mehr der Realität als je zuvor, man beobachte momentan eine Umkehr des Trends aus dem 20. Jahrhundert, in dem eigene Bemühungen einen besonders großen Einfluss auf die finanziellen und sozialen Chancen im Leben hatten. Es sei zu befürchten, dass sich die gesellschaftlichen Verhältnisse, die Schere zwischen arm und reich, denen des 19. Jahrhunderts annähern und das Vermögen der Eltern wieder eine (noch) größere Rollen spielen werde.

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Wer weiß, dass ein Erbe aussteht, kann schon vorher größere Risiken eingehen

Denn obwohl die jüngeren Generationen vermutlich nicht mehr das Einkommensniveau ihrer Eltern erreichen würden, können Personen, die wissen, dass sie später erben und das Erbe zur Finanzierung ihrer Rente nutzen werden, auch vor dem Erbfall größere Risiken eingehen: Es steht nicht so viel auf dem Spiel. Und so verändert die Aussicht auf ein Erbe das Sparverhalten. Gibt das Fünftel der Millennials mit dem geringsten Einkommen nur elf Prozent des Erbes bereits vor dem Erbfall aus, sind es bei dem Fünftel mit dem höchsten Einkommen ganze 33 Prozent. Die Ausgaben der Millennials, die ein Erbe erwarten, sind im Alter von 30 Jahren ein Prozent höher als die derjenigen ohne Erbe in Aussicht. Im Alter von 50 Jahren sind es sieben Prozent und im Alter von 80 Jahren 25 Prozent. Das Erbe hat also bereits vor Auszahlung großen Einfluss auf die finanziellen Möglichkeiten der Millennials. Hinzu kommt, dass das Fünftel mit dem größten eigenen Einkommen drei Mal mehr vom Erbe ausgibt, bevor es ausgezahlt wurde, als das Fünftel mit dem geringsten eigenen Einkommen. Die Zahlen werden den Forschern zufolge unter anderem für spätere Generationen aus dem Grund weiter steigen, dass Reiche meist Reiche heiraten und sich das Vermögen so an wenigen Stellen sammelt, zu denen weniger wohlhabende Personen keinen Zugang haben.

Forscher plädieren dafür, die Verhältnisse zu ändern, um das weitere Wachstum sozialer Ungleichheiten zu vermeiden

Das IFS schreibt in der aktuellen Pressemitteilung zur Studie: "Es ist schlimm genug, dass der elterliche Hintergrund eine so starke Determinante für den Bildungs- und Arbeitsmarkterfolg ist. Aber zumindest haben wir alle eine gewisse individuelle Verantwortung dafür, wie gut wir vorankommen, auch wenn einige deutlich bessere Chancen haben als andere. Unser Erbe können wir nicht kontrollieren." Deswegen plädieren die Forscher dafür, das Wachsen sozialer Ungleichheiten beispielsweise mit anderen Steuersätzen zu regulieren oder den Immobilienmarkt auch für jüngere Generationen wieder zugänglicher zu machen. Wenn schon das im Beruf hart verdiente Geld so hoch besteuert werde, dann doch erst recht das Geld, dass man ohne eigenes Zutun von einem Erblasser bekommt, heißt es etwa in der Pressemitteilung von 2017.

Olga Rogler / Redaktion finanzen.net

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