Frauenquote

Studie: Geschlechterdiversität im Vorstand steigert Unternehmenswert

18.05.21 21:24 Uhr

Studie: Geschlechterdiversität im Vorstand steigert Unternehmenswert | finanzen.net

Seit 2016 gibt es in Deutschland eine Frauenquote - ungefähr zur gleichen Zeit haben auch andere EU-Staaten ähnliche Regelungen festgelegt. Nicht nur gesellschaftlich wurde in den letzten Jahren viel darüber diskutiert, auch die Wissenschaft hat sich mit dem Thema beschäftigt. Eine aktuelle Studie zeigt, dass Unternehmen mit Frauenanteil im Vorstand langfristig finanzielle Vorteile haben.

Bei 30 Prozent liegt die Frauenquote in Deutschland laut DIW Berlin seit 2016, in einigen EU-Staaten ist sie niedriger, in anderen deutlich höher. So wird in Großbritannien eine Frauenquote von 25 Prozent empfohlen, in den Ländern Norwegen, Italien, Spanien, Belgien, Frankreich und den Niederlanden sind es je 33 bis 40 Prozent. Unternehmensvorstände aus diesen sieben Ländern sind Forschungsobjekt einer Anfang dieses Jahres veröffentlichten Studie des ZEW Mannheim und der New Economic School Moskau. Die Studie untersucht den Zusammenhang zwischen Unternehmenswert und der Geschlechterverteilung im Vorstand - genauer: ob Frauen im Vorstand den Unternehmenswert steigern.

Datenlage: Steigt die Frauenquote, steigen auch Unternehmenswert und Buy-and-Hold-Rendite

Zunächst einmal konnten die Studienautorinnen Valentina Melentyeva und Olga Kuzmina herausfinden, dass sich die Frauenquote in Unternehmensvorständen überhaupt auf den Unternehmenswert und die Geschäftstätigkeit auswirkt - je höher die Quote, desto höher der langfristige Unternehmenswert.

Diese Beobachtung haben die Wissenschaftlerinnen in Zahlen festgehalten: Steigt die Frauenquote in einem Vorstand um zehn Prozent, steigt der Erhebung zufolge auch der Unternehmenswert um 2,1 Einheiten nach dem Indikator Tobin’s Q. Zudem wächst die Buy-and-Hold-Rendite um durchschnittlich 1,6 bis 3,8 Prozent und das Verhältnis von Marktwert des Eigenkapitals zu den Vermögenswerten um ganze 5,3 Einheiten.

Frauen setzen weniger auf externes Wachstum

Diese Zahlen finden ihre Begründung laut Studie nicht etwa in einer höheren Verschuldung oder einer größeren Dividendenausschüttung, sondern vielmehr darin, dass Frauen weniger zu "Empire Building" tendieren als ihre männlichen Kollegen und stattdessen daran arbeiten, ineffiziente Projekte abzubauen, die Ressourcen optimal zu verteilen und den Gewinn langfristig zu maximieren. Sie handeln der Erhebung zufolge außerdem mehr im Aktionärsinteresse als ihre männlichen Kollegen. Unter das sogenannte "Empire Building" fallen Fusionen und anderen Formen externen Unternehmenswachstums. Die Wissenschaftlerinnen konnten herausfinden, dass die Wahrscheinlichkeit für Fusionsausgaben mit einem zusätzlichen Frauenanteil von zehn Prozent im Vorstand um ebenfalls zehn Prozent sinkt. Außerdem werde weniger neues Anlagevermögen und neue Vermögensgegenstände erworben.

Vorübergehend führe dieser Führungsstil zu leicht sinkenden Umsatzzahlen - langfristig hingegen steige aber der Unternehmenswert, so Melentyeva gegenüber dem Informationsdienst Wissenschaft (idw): "Langfristig profitieren Investoren daher auch von der Gleichstellung von Frauen und Männern in Unternehmensvorständen."

Melentyeva: Politik steckt mit der Frauenquote nicht in einem wirtschaftlichen Dilemma

Großen Wert legen die beiden Wissenschaftlerinnen in ihrer Studie auf die Verdeutlichung der Tatsache, dass ihren Daten zufolge die Vorstände mit der Einführung und Umsetzung einer Quotenregelung nicht größer werden, sondern vielmehr Stellen neu besetzt werden - und darauf, dass sich mit der Frauenquote in den meisten Unternehmen folgende Merkmale des Vorstandes nicht verändert haben: Qualifikation, Durchschnittsalter, Erfahrung und Netzwerkgröße. Die einzige Veränderung findet sich den Daten zufolge in einer höheren Teilnahmequote bei Vorstandssitzungen. Dies belege, dass die Veränderungen bezüglich Unternehmenswert & Co. durch die Tatsache begründet werden können, dass Frauen zum Vorstand gestoßen sind und nicht etwa Menschen aus einer anderen sozialen Gruppe.

Gleich im Abstract der Studie wird außerdem erwähnt, dass es in der Vergangenheit einige Studien gab, die in der Einführung einer Frauenquote negative Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung von Unternehmen fanden. Die Autorinnen erklären, dass dies an einer nicht sinnvollen Auswahl der untersuchten Unternehmen liege, welche das Ergebnis ebenjener Studien verfälscht haben sollen. Neben der aktuellen Studie gab es jedoch auch in den vergangenen Jahren andere Erhebungen, die in einer Frauenquote einen finanziellen Vorteil für Unternehmen finden konnten - so etwa eine Erhebung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BmFSFJ) vor einigen Jahren.

Melentyeva erklärt gegenüber dem idw, dass Geschlechterdiversität in Vorständen ihrer wissenschaftlichen Ansicht nach sowohl für die Gesellschaft als auch für die Wirtschaftlichkeit von Unternehmen vorteilhaft sei - und Politiker bei der Frage über die Einführung einer Quotenregelung keinesfalls in einem wirtschaftlichen Dilemma stecken.

Olga Rogler / Redaktion finanzen.net

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