Weg vom Negativ-Image: So kann Klatsch und Tratsch im Büro die Karriere ankurbeln
Klatsch und Tratsch unter Arbeitskollegen hat oft einen negativen Beigeschmack. Zu Unrecht, wie Kommunikationsexpertin Dominique Darmon findet. So kann das Tratschen im Büro einige Vorteile mit sich sich bringen, wenn richtig angewendet.
Schlechter Ruf nicht gerechtfertigt
Im Arbeitsalltag werden längst nicht alle Informationen auf offiziellen Wegen mitgeteilt. So findet oftmals ein informeller Austausch zwischen Kollegen statt, der unter zahlreichen Bezeichnungen bekannt ist - wie Flurfunk, Lästern, Klatsch und Tratsch. Im Englischen ist außerdem der Begriff "Gossip" geläufig, den Kommunikationswissenschaftlerin Dominique Darmon für treffender hält, wie sie gegenüber dem "Handelsblatt" erklärt. So implizieren die geläufigen Begriffe oftmals etwas Negatives, bemängelt die Expertin. Dies sei oftmals aber gar nicht der Fall. "Gossip ist, wenn zwei Menschen über eine dritte, nicht anwesende Person sprechen", so Darmon. Dies müsse nicht zwangsläufig etwas Schlechtes sein. "Gossip hat zu Unrecht einen schlechten Ruf", lautet das Urteil der Forscherin.
Abgrenzung zum Gerüchtestreuen
"Die meisten Menschen denken sofort an Gerüchte, wenn sie das Wort ,Gossip‘ hören", erzählt die Expertin. Dies sei jedoch nicht der Fall. So werden Gerüchte über mehrere Beteiligte weitegetragen, ähnlich wie es beim Kinderspiel "Stille Post" der Fall ist. Hier kann es schnell passieren, dass Details hinzugefügt oder gar weggelassen werden, auch Überspitzungen seien möglich. Ob das Erzählte tatsächlich der Wahrheit entspricht, kann dann gar nicht mehr geprüft werden, weil die Gesprächspartner das Ereignis beide nicht miterlebt haben. Beim Tratschen gehe es hingegen um das Berichten von Erfahrungen, die man auch tatsächlich selbst gemacht habe. Darmon rät daher dazu, ausschließlich das weiterzuerzählen, was man auch tatsächlich bezeugen kann. Sollte man jedoch falsche Nachrichten weitererzählt haben und kann dies auch auf einen zurückgeführt werden, sei dies der Stimmung im Büro hingegen nicht besonders dienlich.
Neutrale oder wohlwollende Themen
Und auch die Psychologen Megan Robbins und Alexander Karan von der University of California in Riverside halten den schlechten Ruf des Tratschens für nicht angemessen. In einem 2019 veröffentlichten wissenschaftlichen Paper untersuchten die Experten, wie getratscht wird und von wem. Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" kam dabei heraus, dass nicht nur intrigante Mitarbeiter, sondern jeder Klatsch und Tratsch nutzt. Auch seien die Gespräche in der Regel weniger boshaft als vielleicht erwartet. So werde meistens harmlos, oft sogar wohlwollend getratscht. Auch sei bei den Untersuchungen herausgekommen, dass Frauen zwar etwas mehr über nicht anwesende Personen reden, dies in der Regel jedoch neutral und nur in Ausnahmefällen abwertend sei. "Das passt zu bekannten Befunden, wonach Frauen schlicht häufiger miteinander über soziale Themenbereiche sprechen", so die Autoren.
Stress wird abgebaut - Beziehungen werden aufgebaut
Richtig angewendet, kann Flurfunk jedoch zahlreiche Vorteile mit sich bringen. Das befand auch eine Studie von Kathryn Waddington und Clive Fletcher, die in Pflege- und Gesundheitsorganisationen durchgeführt und 2005 veröffentlicht wurde. "Die Ergebnisse zeigten, dass Klatsch verwendet wird, um eine Reihe von Emotionen auszudrücken, darunter Fürsorge und Sorge um andere, Wut, Verärgerung und Angst, mit emotionalen Folgen, zu denen das Gefühl der Beruhigung und Unterstützung gehört", heißt es darin. So dient Lästern nicht nur dem Stressabbau, sondern bringt auch soziale Funktionen wie die Verbundenheit zu Kollegen mit sich - wenn auch nicht unbedingt zu denen, die Thema des Gesprächs sind.
Tratschen als Karriere-Booster
Darüber hinaus kann Lästern also nicht nur den Umgang mit Emotionen und den Aufbau von Beziehungen auf der Arbeit fördern, sondern nebenbei auch noch die eigene Karriere voranbringen, findet Darmon. "Bürotratsch hat viele verschiedene Funktionen, die unserer Karriere extrem nützen können", so die Wissenschaftlerin gegenüber dem Blatt. Wer sich jedoch gänzlich aus Gesprächen dieser Art heraushält, für den verlaufe ein beruflicher Aufstieg deutlich schwieriger. Damit ruft Darmon Arbeitnehmer aber nicht dazu auf, ungehemmt zu tratschen, denn wer als Plappermaul gilt und in negative Verhaltensmuster abrutscht, dürfte es ebenfalls schwer haben. Wichtig sei es demnach, die richtige Balance zu finden.
Klatsch und Tratsch empfohlen - aus den richtigen Gründen
So rät die Wissenschaftlerin dazu, ausschließlich aus den richtigen Gründen zu tratschen. "Wenn Ihr Gesprächspartner spürt, dass Sie ihm etwas erzählen, um ihn zu warnen, zu schützen oder zu helfen, dann haben Sie einen Verbündeten gewonnen", erklärt Darmon gegenüber dem Handelsblatt. Damit kann man von Kollegen als deutlich sympathischer wahrgenommen werden. Vorsicht ist jedoch geboten, wenn man gerade erst neu in einem Unternehmen angefangen hat und noch nicht sicher sagen kann, ob ein Gesprächspartner die Informationen nicht gegen einen verwendet. Dies lässt sich erst mit der Zeit herausfinden.
Auch rät Darmon dazu, zu Beginn des neuen Jobs nicht gleich voll ins Lästern einzusteigen, sich aus solchen Gesprächen aber auch nicht vollkommen zurückzuziehen. Stattdessen sollte man den Inhalt des Gesprächs genau verfolgen und so selbst profitieren. Lässt sich ein Vorgesetzter etwa über einen Kollegen aus, der ständig zu spät kommt, könne es sich lohnen, auf Details zu achten. Daraus lässt sich dann ablesen, worauf es demjenigen ankommt - und welche Fehler man selbst besser nicht machen sollte.
Besondere Hausforderungen im Homeoffice
Darüber hinaus sollten Arbeitnehmer darauf achten, Klatsch und Tratsch aus dem Homeoffice heraus sehr bedacht anzuwenden, so die Wissenschaftlerin weiter. "Wenn Sie bei Slack oder Teams tratschen, können Sie eher missverstanden werden, weil Ihr Gegenüber Ihre Körpersprache und Gestik nicht sieht", warnt sie. Eine unmittelbare Reaktion ist damit nicht zu erkennen, wodurch die Möglichkeit, die Aussage zu relativieren oder auszuführen, wegfällt. Auch hier soll außerdem darauf geachtet werden, mit wem man auf diese Art und Weise kommuniziert. So bestehe beim Online-Gossip immer die Gefahr, dass eine Nachricht doch den Weg an die Öffentlichkeit findet und damit auch an die Person geht, die Gegenstand des Gesprächs ist.
Nicht beim Tratschen erwischen lassen
Dies gilt es jedoch tunlichst zu vermeiden, so Darmon weiter. "Die Essenz des Gossip ist es, dass die Person, über die gesprochen wird, außer Hörweite ist", betont die Expertin. "Googeln Sie einfach mal ,Beim Tratschen erwischt‘ und Sie werden sehen, dass viele Menschen deswegen sogar schon ihre Jobs verloren haben." Im schlimmsten Fall sei auch eine Anzeige wegen Diffamierung möglich. Aber nicht nur die rechtlichen Konsequenzen einer ans Licht gekommenen Lästerattacke seien zu vermeiden. Schließlich dürfte die Person, über die geredet wird, sich gekränkt fühlen, wenn sie davon Wind bekommt. Dies kann auch ohne Kündigungen und Strafanzeigen zu Unruhen in der Firma führen. Daher empfiehlt Darmon abschließend: "Gossip ist gut. Solange er ein Geheimnis bleibt."
Redaktion finanzen.net
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