Studie: Europäer waren noch nie so reich
Ein Rekord nach dem anderen: 2020 waren die Europäer so vermögend wie nie, die Deutschen sind erneut Europameister im Sparen. Das kann nicht nur trotz, sondern auch aufgrund der Pandemie beobachtet werden.
Die ING Deutschland und Barkow Consulting haben im Mai eine Studie namens "Geldanlage in Zeiten wie diesen" veröffentlicht. Es geht dabei vordergründig um einen Rückblick auf das vergangene Jahr und die Vermögensentwicklung in Europa. Die Studie arbeitet mit Daten von der Deutschen Bundesbank, der Deutschen Börse, der EZB, dem statistischen Bundesamt (Destatis) sowie Eurostat.
2020 sowohl der größte Vermögensverlust als auch der größte Vermögenszuwachs der Geschichte
Bereits mit dem ersten Blick auf die Diagramme erkennt man, dass 2020 für Sparer in (fast) ganz Europa ein gutes Jahr war: Lag das Volumen neuer Geldanlagen in den vergangenen Jahren und auch 2019 bei maximal rund 600.000 Euro, sparten die Europäer 2020 insgesamt 1,07 Billionen Euro neu an - das sind ganze 73 Prozent mehr als noch 2019. Zuzüglich Wertzuwächsen stieg damit das Finanzvermögen der europäischen Haushalte um 1,23 Billionen Euro (4,7 Prozent) auf ein Rekordhoch von 27,3 Billionen Euro.
Und das, obwohl europaweit im ersten Quartal 2020 mit einem Minus von 3,2 Prozent der laut Studie größte Vermögensverlust der Geschichte beobachtet wurde; bereits im zweiten Quartal habe mit einem Plus von 4,2 Prozent auch der größte Vermögenszuwachs der Geschichte stattgefunden. So lag das Finanzvermögen der deutschen Privathaushalte 2020 bei insgesamt 6,95 Billionen Euro - auch dies ist der Studie zufolge ein Rekord.
Jeder Europäer legte 2020 im Schnitt 3.121 Euro zurück
Den im Vorjahresvergleich größten Vermögenszuwachs konnten die ING und Barkow Consulting in Litauen beobachten (+19,3 Prozent), gefolgt von den Niederlanden (+9,5 Prozent) und Lettland (9,0 Prozent). Die Schlusslichter bilden laut der Studie Portugal (+3,9 Prozent), Italien (+2,2 Prozent) und Spanien, wobei letzteres 2020 das einzige der 19 berücksichtigten Länder mit einer Vermögensabnahme (-1,6 Prozent) ist.
In Sachen Sparen ist Deutschland "Europameister" - zum achten Mal in Folge: 2020 konnten die deutschen Privathaushalte insgesamt 388,5 Milliarden Euro zurücklegen, damit ist das Sparvolumen im Vergleich zum Vorjahr 2019 um 45 Prozent gestiegen. Am zweitmeisten wurde in Frankreich gespart (260,7 Milliarden Euro), gefolgt von Italien (122,7 Milliarden Euro) und Spanien (78,2 Milliarden Euro). In der Slowakei und in Malta nahm das Sparvolumen im Vergleich zum Vorjahresniveau um elf beziehungsweise zwölf Prozent ab. Und: Die deutschen Haushalte haben 2020 zwar europaweit am meisten angespart - am meisten im Vorjahresvergleich gestiegen ist das Sparvolumen jedoch in Italien (+175 Prozent), der Durchschnitt liegt bei 73 Prozent.
Im Schnitt hat jeder Europäer 2020 3.121 Euro auf die ein oder andere Art und Weise angespart, in Deutschland liegt dieser Betrag bei 4.671 Euro - das ist fast ein Drittel mehr als 2019 und ein weiterer Rekord. Destatis berichtet, dass die Sparquote der Deutschen 2020 mit 16,2 Prozent so hoch wie nie lag - die Deutschen legten also 2020 pro 1.000 Euro Einkommen 162 Euro zurück.
Aktien und Fonds gewinnen 2020 in Deutschland deutlich an Beliebtheit
Der Studie zufolge machen Spareinlagen aktuell knapp 36 Prozent des Finanzvermögens der Deutschen aus - das entspreche rund 2,6 Billionen Euro und seien 73 Prozent mehr als noch im Jahr 2008. Ganz besonders beliebt waren in Deutschland offenbar Aktienanlagen: Diese sind seit 2019 um 160 Prozent gestiegen (49 Milliarden Euro Investmentvolumen). Damit wurde laut Studie auch der bisherige Rekord aus dem Jahr 1999 um ungefähr das Doppelte übertroffen. Außerdem beliebt waren Fonds-Investments (41 Milliarden Euro Investmentvolumen) mit einem Plus von 32 Prozent gegenüber dem Vorjahr 2019 und dem höchsten Investmentvolumen seit 2001.
Thomas Dwornitzak, Leiter des Bereichs Sparen & Anlegen bei ING Deutschland, wird vom RND und der Tagesschau zu diesem Thema wie folgt zitiert: "Der massive Zuwachs bei Aktien- und Fondsinvestments erklärt sich auch damit, dass Vermögensaufbau mit klassischem Sparen kaum noch möglich ist". Er verweist damit auf den Leitzins der EZB, der seit einigen Jahren bei null liegt.
Gründe für das viele Sparen: 2020 knapp 120 Milliarden Euro weniger Ausgaben für die Freizeitgestaltung
Alles in Allem ist das Sparverhalten laut RND wohl unter anderem auf die Sorge vor Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit während der Pandemie zurückzuführen. Aber auch die verringerten Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung waren augenscheinlich Grund für die vermehrte Geldanlage: So besagt eine andere Studie der Barkow Consulting, dass 2020 in Deutschland im Vergleich zu 2019 zwar rund 21 Milliarden Euro mehr für Essen, Wohnen und Möblierung ausgegeben wurden - aber auch ganze 118 Milliarden Euro weniger für Hotels, Restaurants, Hobbys, Kleidung und andere Bereiche des Lebens.
Olga Rogler / Redaktion finanzen.net
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