Campen in der Wildnis - Umweltschädlicher Corona-Trend?
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Wildcampen, ob mit dem Auto, Zelt oder unter freiem Himmel - besonders seit der Corona-Pandemie erfährt das Übernachten in der Natur einen neuen Aufschwung. Nicht alle freut das. Denn nicht selten sind genervte Anwohner, gestresste Tiere und verschmutzte Natur die Hinterlassenschaften von Wildcampern. Doch es gibt auch Ausnahmen und Alternativen.
Während der Corona-Pandemie waren viele Hotels geschlossen. Dennoch haben sich die Menschen nach Abwechslung und Urlaub gesehnt. Die Folge: Ein Boom im Camping, der wohl noch einige Zeit lang anhalten dürfte. Dieser bringt einige Herausforderungen mit sich.
Das Problem
Raus in die Wildnis, die Stille genießen und als Nachbar die Bäume oder naturbelassene Gewässer haben. Immer mehr Menschen zieht es für einige Urlaubstage oder auch nur für eine Nacht zwecks Auszeit in die Natur. In Deutschland ist das sogenannte Wildcampen oftmals verboten. Doch nicht selten werden die Verbote ignoriert. Viele campen in Landschaftsschutzgebieten, stören beispielsweise durch Lagerfeuer den Rhythmus der Tiere und hinterlassen Abfall in der Natur. Für Naturschützer ist das Egoismus auf Kosten der Umwelt. Die Pandemie hat dem Boom einen zweifelhaften Ruhm beschert.
Rechtslage in Deutschland
Während man in Skandinavien fast überall in freier Natur sein Nachtlager aufschlagen darf, sollte man sich hierzulande zunächst über die jeweiligen Bestimmungen in den einzelnen Bundesländern informieren. Während man beispielsweise in Baden-Württemberg generell nicht in der Natur übernachten darf, ist dies in Brandenburg und Schleswig-Holstein zumindest für eine Nacht erlaubt, erklärt das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Wenn Wildcampen nicht ausdrücklich gestattet ist, kann man davon ausgehen, dass es verboten ist, erklärt das RND unter Berufung auf Swen Walentowski vom Rechtsportal anwaltauskunft.de. In Naturparks, Naturschutzgebieten und anderweitig geschützten Naturräumen sei es grundsätzlich verboten. Und auch frei zugängliche Wald- und Wiesenflächen können in Privatbesitz sein, und sind damit als Nachtlager ohne Absprache mit dem Besitzer nicht erlaubt. Dies treffe immerhin auf knapp die Hälfte aller Wald- und Wiesenflächen zu, erklärt Walentowski dem RND weiter. Auskunft bekäme man am besten beim Naturschutzamt, beim örtlichen Forstamt oder Umweltamt.
Auch der ADAC beschreibt die Rechtslage in Deutschland als eindeutig: Nur um die Fahrtüchtigkeit wiederherzustellen, dürfe man auch außerhalb von Stell- oder Campingplätzen übernachten. Die Nacht sollte dabei auf zehn Stunden begrenzt sein. Wer diese Regel nicht einhält oder Campingstühle aufstellt, macht sich strafbar und muss mit einem Bußgeld rechnen.
Und was ist mit Biwakieren? Biwakieren beschreibt das Schlafen unter freiem Himmel, also ohne Zeltlager. Das sei nach Einschätzung von Walentowski ebenfalls nicht erlaubt, auch wenn der Gesetzgeber dies nicht explizit definiert. Ausnahmen bilden natürlich Notsituationen.
Naturparks sind überlaufen
Wildcamper sind auch in den Nationalparks hierzulande durchaus ein Problem. Im Nationalpark Sächsische Schweiz hat man in den Jahren 2017 bis 2019 zwischen 20.000 und 35.000 Menschen gezählt, die in den Boofen übernachtet haben, sowohl legal als auch illegal, erklärt das RND. Das sind 80 Menschen pro Tag - man bedenke, dass diese auch mal auf die Toilette müssen. Boofen beschreibt das freie Übernachten und ist in der Sächsischen Schweiz eigentlich nur in Zusammenhang mit der Ausübung des Klettersports erlaubt.
Auch Social Media spiele dabei eine große Rolle, erklärt Hanspeter Mayr, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit des Parks, dem RND. Die Natur werde zu Selbstinszenierung genutzt und Follower würden von Influencern an einsame Orte geführt, die schon bald überlaufen seien.
"Ich bin für jeden Tag dankbar, an dem das Wetter schlecht ist", erklärt Hanspeter Mayr gegenüber dem RND. Das schütze die Natur. Er rechne jedoch insgesamt damit, dass 2021 genauso schlimm wird wie das vorherige Jahr.
Deutlicher Zuwachs von Wohnmobil-Zulassungen
Wie der Caravaning Industrie Verband (CIVD) zeigt, der die Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes auswertet, gibt es bei den Wohnmobilen einen enormen Zuwachs. Knapp 45 Prozent mehr Neuzulassungen wurden 2020 bei den Wohnmobilen verzeichnet. 1,3 Millionen Reisemobile und Wohnwagen waren zum Stichtag 31.12.2019 registriert. Seit 2010 ist die Anzahl der Wohnmobile um satte 61 Prozent gestiegen, die der Wohnwagen um 20 Prozent.
Studie zeigt Herausforderungen und Potenzial
Auch eine jüngst von der Unternehmensberatung GSR und dem Marktforschungsinstitut Puls durchgeführte Studie zu Caravans und Reisemobilen in Deutschland zeigt, dass es immer mehr Fahrzeuge gibt. Doch den Studienerhebern nach muss sich die aktuell auf Wachstum ausgerichtete Branche zukünftig einigen Herausforderungen stellen. So gebe es zwar immer mehr zugelassene Wohnmobile und Camper, doch die Anzahl der Campingplätze könne nicht mehr mithalten. Das stelle nicht nur die Campingplatzbetreiber vor Probleme - auch die Hersteller, Kommunen und die gesamte Touristikbranche seien davon betroffen.
Der Studie nach beschäftigen sich allein in Deutschland über 18 Millionen Menschen mit dem Caravaning - "sei es als Besitzer, Mieter oder mit der Absicht zum Kauf oder zur Miete eines Reisemobiles oder Wohnwagens in nächster Zeit." Und sie sind jünger als man annehmen mag: Mit einem Durchschnittsalter von 44 Jahren wendet sich eine neue, deutlich jüngere Zielgruppe dem Caravaning zu.
Für die "Masterstudie Caravans und Reisemobile" wurden im Juli 2020 10.600 Menschen interviewt. Reiner Strobel, Geschäftsführer der GSR Unternehmensberatung, empfiehlt im Ergebnis den Ausbau von Stellflächen in Kooperation mit Kommunen, Regionen und Tourismusverbänden. So könne man unerlaubtes Wildcampen und Umweltverschmutzung weiter eingrenzen. Im Ergebnis sehen die Studienerheber auch großes Potenzial für die Dienstleister, Industrie und den Tourismus in Deutschland.
Die Alternativen
Neben explizit ausgewiesenen Camping- und Stellplätzen gibt es weitere Möglichkeiten für Camper. So kann man auf der Internetseite AlpacaCamping von Bauernhöfen, Winzern oder auch Gemeinden angebotene Stellplätze für einen geringen Preis finden.
Ähnlich auch die Plakette von Landvergnügen. Dabei handelt es sich um einen Stellplatzführer, der ebenfalls verschiedene Bauernhöfe, Winzer oder andere ländliche Gastgeber in einem Katalog aufführt. Hat man einmal die Jahresplakette für das eigene Gefährt erworben, kann man sich teils sogar ohne Vorankündigung zu den Gastgebern begeben.
Unerwähnt lassen sollte man nicht, dass man nicht alle Camper unter Generalverdacht stellen kann. Diejenigen, die pfleglich und sorgsam mit dem Stellplatz, der Natur und den Hinterlassenschaften umgehen, sind wohl die ruhige Mehrheit.
Deniz Pense / Redaktion finanzen.net
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