Nach Durchmarsch von NVIDIA & Co: Das muss Europas Halbleiterindustrie 2026 besser machen

Der KI-Boom stützt sich insbesondere auf Techriesen aus den USA. Wie kann es europäischen Chipherstellern gelingen, diesen Abstand zu verkleinern?
Werte in diesem Artikel
• Europa hinkt den USA im KI-Boom hinterher
• Experten: Europa sollte Stärken weiter ausbauen
• Aufbau von Innovationsclustern sollte gefördert werden
Seit dem Launch des Chatbots ChatGPT im November 2022 herrscht ein regelrechter KI-Hype. Viele Unternehmen wollen bei solchen Anwendungen mithalten, das steigert den Bedarf an spezialisierter Technik in Rechenzentren. Hiervon kann insbesondere NVIDIA stark profitieren, denn dank seines technologischen Vorsprungs beherrscht der US-Konzern etwa 80 Prozent des Weltmarktes für KI-Hochleistungsprozessoren. An der Börse entwickelt er sich folglich zum Überflieger: Ende Oktober hat NVIDIA als erstes Unternehmen überhaupt einen Börsenwert von über fünf Billionen US-Dollar erreichen.
Während der Chipdesigner zweifellos zum Aushängeschild des KI-Booms wurde, profitieren aber auch viele andere Konzerne enorm davon - jedoch handelt es sich hierbei überwiegend um US-Konzerne. Was müssen ihre europäischen Konkurrenten wie ASML und Co. also unternehmen um stärker zu werden?
Merck-Manager Kai Beckmann sieht Chancen
Laut Kai Beckmann, CEO des Merck-Unternehmensbereichs Electronics, verfügt Europa über die technologische Exzellenz, die industrielle Tiefe sowie die Innovationskraft, um im KI-Zeitalter eine gestaltende Rolle einzunehmen. Unternehmen wie die niederländische ASML oder Merck und Siemens aus Deutschland seien bereits europäische Vorreiter in der Halbleiterindustrie. Was es aber noch brauche, sei ein vernetzter, strategischer Ansatz, der auf vorhandenen Stärken aufbaut und systemische Hürden abbaut.
Der Experte kritisiert, dass die europäische Politikarchitektur derzeit noch fragmentiert sei, mit isolierten Gesetzen und getrennten Finanzierungsprogrammen. Da KI und Halbleiter jedoch miteinander verbunden seien, müsse auch die Halbleiter-, KI- und Industriepolitik vereinheitlicht werden. Erforderlich sei deshalb eine strategische Koordinierung der Einzelmaßnahmen unter dem gemeinsamen Ziel, Europas Führungsrolle bei GenAI-relevanten Technologien zu sichern.
Damit Europa im globalen Technologiewettbewerb bestehen kann, sollte es seiner Meinung nach keine vollständigen Autonomie, sondern eine strategische Souveränität anstreben, indem es sich auf den Ausbau globaler Schlüsselpositionen in der KI- und Halbleiter-Wertschöpfungskette konzentriert. Stärken sieht er etwa in den Bereichen EUV-Lithographie, Materialwissenschaften und industrieller KI. Wichtig sei es, gezielt in Forschung und Entwicklung zu investieren, so der Experte.
Er argumentiert weiter, dass GenAI-zentrierte Innovationsökosysteme aufgebaut werden sollten. Da er die Zukunft in stark vernetzten Innovationsclustern sieht, empfiehlt Beckmann, dass sich öffentliche Investitionen auf "Innovationsanker" konzentrieren sollten - also Fabriken und Einrichtungen, die strategische neue Fähigkeiten in die europäische Industrie bringen.
Ferner fordert der Merck-Manager von der Politik auch einen Abbau von Bürokratie und regulatorische Vereinfachungen sowie eine durchdachte Talentstrategie für Deep-Tech an der Schnittstelle KI-Halbleiter. Dazu müssten attraktive Karrieremöglichkeiten für die durchaus vorhandenen Talente in Europa geschaffen werden, ergänzt durch wettbewerbsfähige Visa-Regelungen.
Bezüglich der Sicherung der KI- und Halbleiterlieferketten empfiehlt Beckmann, protektionistische Reflexe zu vermeiden und stattdessen auf strategische Reziprozität zu setzen. "Unsere Stärken in Bereichen wie Lithographie, Materialwissenschaft und industrieller IP könnten wir in "Technologie-gegen-Zugang"-Abkommen mit anderen Regionen einsetzen, um den Zugang zu GenAI-relevanten Kapazitäten sicherzustellen", so der Manager.
BDI-Digitalexpertin Iris Plöger setzt auf Europas Stärken
Auch Iris Plöger, in der BDI-Hauptgeschäftsführung zuständig für den Bereich Digitales, führt ganz ähnliche Argumente ins Feld. Laut dem "Handelsblatt" sieht sie Europa und insbesondere Deutschland in der globalen Zuliefer- und Komponentenkette für Halbleiter gut positioniert: Deutschland und die Niederlande etwa würden die Welt mit Maschinen zur Chipproduktion beliefern, diese Stärken müsse Europa unbedingt gezielt ausbauen. In anderen Bereichen sollten ihrer Meinung nach die Entstehung von Clustern und hochinnovativen Ökosystemen gefördert werden, damit Europa wechselseitige Abhängigkeiten reduzieren kann.
Außerdem fordert sie den Abbau regulatorischer Hürden, die Vereinfachung von Planungs- und Genehmigungsprozessen sowie die Bekämpfung des Fachkräftemangels, damit schnell neue Produktionskapazitäten entstehen können.
Daneben kritisiert Plöger, dass die deutsche Bundesregierung mit ihrer Hightech Agenda zwar wichtige Impulse setzte, es fehlen jedoch klare Ziele und definierte Meilensteine. Das sei ein Manko, denn im schnelllebigen Halbleitermarkt komme es auf Geschwindigkeit an.
Redaktion finanzen.net
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Bildquellen: ASML, Juergen_Wallstabe / Shutterstock.com
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