Arbeitszeugnis

Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Ein Arbeitszeugnis in Tabellenform ist nicht ausreichend

30.08.24 06:16 Uhr

Gerichtsurteil: So darf ein Arbeitszeugnis niemals aussehen | finanzen.net

Das Bundesarbeitsgericht beschäftigte sich mit der Frage, ob ein Arbeitszeugnis in Tabellenform inklusive standardisiertem Punktesystem zulässig ist oder nicht. Besonders das Problem einer differenzierten und individuellen Leistungsbewertung stand dabei im Vordergrund.

Arbeitszeugnis in Tabellenform

Das Bundesarbeitsgericht hatte im April 2021 über einen Fall zu entscheiden, bei dem ein angestellter Elektriker bei seinem Unternehmen kündigte und anschließend von seinem Arbeitgeber ein Arbeitszeugnis ausgehändigt bekam, dessen Form er jedoch nicht als angemessen ansah. Das Zeugnis war in Tabellenform ausgestaltet. Die Beurteilung der Kenntnisse und Fähigkeiten erfolgte anhand von stichwortartigen Kriterien und Schulnoten. Damit erinnerte das Arbeitszeugnis eher an ein Schulzeugnis. Der Arbeitnehmer bestand auf ein Arbeitszeugnis in Form eines Fließtextes, welches der Arbeitgeber jedoch nicht aushändigte. Daraufhin klagt der Arbeitnehmer vor dem Landesarbeitsgericht Hamm, welches der Klage teilweise stattgegeben hatte. Mit der vom Arbeitsgericht berichtigten Form waren beide Parteien jedoch nicht zufrieden. Da der Fall nicht auf der unteren Instanz abgeschlossen werden konnte, hatte nun das Bundesarbeitsgericht in der Sache zu entscheiden.

Standardisierte Leistungsbeurteilung reicht nicht aus

Das Bundesarbeitsgericht hielt die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, wonach ein Arbeitszeugnis in Tabellenform mit standardisierter Punktevergabe einen ausreichenden Informationsgehalt habe, für unzutreffend. Stattdessen genüge ein Arbeitszeugnis, in dem Leistungen und Verhalten des Beschäftigten mithilfe standardisierter Tabellen beurteilt werden, den Anforderungen des § 109 GewO nicht. Ein Arbeitszeugnis dürfe nicht wie ein standardisiertes Schulzeugnis aussehen, betonte das Gericht. Es müsse stattdessen an den jeweiligen Arbeitnehmer und seine konkrete Tätigkeit individuell angepasst werden. Eine differenzierte Beurteilung sei nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts jedoch nur möglich, wenn das Arbeitszeugnis in Form eines Fließtextes formuliert ist. Zudem betonte das Gericht, dass der übliche Adressatenkreis eines Arbeitszeugnisses sehr heterogen sei und nicht über ein einheitliches Verständnis in diesem Bereich verfüge. Für die Beurteilung von Inhalt und äußerer Form des Zeugnisses sei es deshalb entscheidend, wie ein objektiver und unbefangener Arbeitgeber, der über Berufs- und Branchenkenntnisse verfügt, das Zeugnis versteht. Zudem sei auch die Möglichkeit einer unterschiedlichen Gewichtung der Leistungen und Eigenschaften des Arbeitnehmers notwendig, da dies der Zeugnisleser erwarte und es für ein differenziertes Bild des Beschäftigten und seiner Leistungen wichtig sei. Außerdem können so auch besondere Eigenschaften, Kenntnisse oder Fähigkeiten Erwähnung finden, die den vormaligen Angestellten für künftige Arbeitgeber interessant machen könnten. Das Gericht kam somit zu dem Ergebnis, dass standardisierte Arbeitszeugnisse die Anforderungen des § 109 GewO nicht erfüllen. Arbeitnehmer könnten damit in Zukunft die Ergänzung oder Abänderung derartiger Zeugnisse verlangen.

M. Wieser / Redaktion finanzen.net

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