Workaholics: Wenn der Beruf zur Sucht wird
Eine Studie der Technischen Universität Braunschweig zeigt: Rund zehn Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland weisen Symptome von Arbeitssucht auf. Doch woran erkennt man, dass man arbeitssüchtig ist? Und was kann man dagegen tun?
Diese Anzeichen weisen auf Arbeitssucht hin
Viele Menschen in Deutschland haben mit Suchtverhalten zu kämpfen: Ob Alkohol oder Zigaretten, übermäßig viel Sport oder Kaufsucht, die Liste der Dinge, die abhängig machen können, ist lang. Und auch der Beruf ist davon keine Ausnahme. Wie eine aktuelle Studie der Technischen Universität Braunschweig sowie des Bundesinstituts für Berufsbildung zeigt, sind etwa zehn Prozent der Berufstätigen in der Bundesrepublik arbeitssüchtig. Doch woran erkennt man, ob jemand süchtig nach Arbeit ist? Laut der Handelszeitung definierte der Psychologe Wayne E. Oates den Begriff 1971 als den unaufhörlichen Drang zur Arbeit. Arbeitspsychologin Barbara Körner fügt hinzu: "Arbeitnehmenden in dieser Situation fällt es schwer, von der Arbeit abzuschalten." Ein schwerwiegendes Problem, das damit einhergeht, ist das beinahe vollständige Ausbleiben von Erholungsphasen und der daraus folgende Verlust der Motivation und der Arbeitszufriedenheit. In weniger schlimmen Fällen kann es zu einem Leistungseinbruch kommen, doch geht die Sucht zu weit, droht ein Burnout.
Experten definieren Arbeitssucht als das übermäßige und unkontrollierte Verlangen nach Arbeit, das sich in exzessivem beziehungsweise zwanghaftem Arbeiten manifestiert. Obwohl Arbeitssucht nicht offiziell als Diagnose laut Internationaler Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) anerkannt ist, kann auch diese Form von Abhängigkeit die Kriterien einer Sucht erfüllen, wozu beispielsweise die Einordnung als unkontrollierbares Verhalten gehört.
Für Führungskräfte sind Workaholics oft schwer zu erkennen
Vorgesetzte haben es oft nicht einfach, festzustellen, ob einer ihrer Mitarbeiter möglicherweise Symptome von Arbeitssucht aufweist. Denn es gibt einige frühe Indikatoren, die den Führungskräften zunächst sehr gelegen kommen und sogar von diesen begrüßt werden. Mitarbeiter haben das Gefühl, ständig erreichbar sein zu müssen, sie beantworten E-Mails zu jeder Tageszeit, sogar nachts, sie halsen sich Arbeit auf, die genauso gut von einem Kollegen erledigt werden könnte, weil sie nicht als unmotiviert oder faul abgestempelt werden wollen. Und durch die Corona-Pandemie und dem damit einhergegangenen Triumphzug des Homeoffice fällt es immer mehr Erwerbstätigen schwer, ihr Privatleben vom Beruf zu trennen. Der Psychologe Stefan Poppelreuter erklärt gegenüber der WirtschaftsWoche: "Die Niederschwelligkeit von überall arbeiten zu können, macht es dem Arbeitssüchtigen noch mal schwerer aufzuhören."
Deswegen ist es von enormer Wichtigkeit, dass auch die Vorgesetzten das Arbeitspensum ihrer Mitarbeiter im Auge behalten. Und hierbei bleibt es laut Poppelreuter nicht bei Überstunden und nächtlichen Mails: "Workaholics sind oft unfähig Aufgaben abzugeben, wollen alles selbst machen und das wirkt sich negativ auf die Teamarbeit aus", so der Experte.
So kann man der Sucht nach Arbeit vorbeugen
Um sich vor Arbeitssucht zu schützen, gibt es durchaus einige präventive Maßnahmen, die ergriffen werden können, um zu verhindern, dass ein Mitarbeiter ein unkontrollierbares Verlangen nach Arbeit entwickelt. Damit es nicht dazu kommt, sind vor allem die Arbeitgeber gefragt. Unternehmen sind in der Pflicht, für ihre Angestellten ein sicheres und so weit wie möglich von übermäßigem Druck befreites Arbeitsklima zu schaffen. So rät die Arbeitspsychologin Barbara Körner Unternehmen, E-Mails außerhalb der Arbeitszeit zu sperren und eine gesunde Work-Life-Balance zu fördern, wozu beispielweise gehört, Ferientage tatsächlich auch voll zu beziehen und Überstunden eher zur Ausnahme als zur Regel zu machen.
Welche Maßnahmen helfen gegen Arbeitssucht?
Für Menschen, die Symptome von Arbeitssucht zeigen, ist der schwerste Schritt oftmals, sich ihr Problem einzugestehen. Denn die Leistungsgesellschaft fördert das beschriebene Verhalten in vielen Fällen und lässt es in einem positiven Licht erscheinen. Doch wie Gesundheit.gv.at erklärt, ist die Einsicht, dass das eigene Arbeitsverhalten problematische Züge ausweist, für den Therapieerfolg unbedingt notwendig. In Abhängigkeit von der Schwere der Suchtausprägung können verschiedene Maßnahmen zur Unterstützung und Behandlung ergriffen werden, zu denen beispielweise auch die Psychotherapie gehört.
Experten zufolge steht der Umgang mit dem Suchtverhalten im Mittelpunkt der Behandlung. Das Ziel der Therapie ist es, den Menschen beizubringen, einen gesünderen Umfang mit ihrer Arbeit zu pflegen, sodass nicht das ungesunde Verlangen entsteht, sich mehr aufzubürden, als gut für einen ist. Anders als bei Alkohol oder Nikotin kann man auf Arbeit natürlich nicht einfach so verzichten. Es gilt also zu lernen, wie man Maß hält und sich zwischen den Arbeitseinheiten entspannen und erholen kann.
Gegenüber der Handelszeitung rät die Komplementärtherapeutin Djurdja Petrina Bucher Betroffenen, über Wege wie Meditation, Atemübungen und Sport zu erlernen, wie man sich richtig entspannt, um nicht in ein suchtartiges Verhalten abzugleiten. Auch sie stellt jedoch klar, dass eine begleitende Psychotherapie unabdingbar ist. "Man sollte sich möglichst bald Hilfe suchen, wenn man merkt, dass die Arbeit nie fertig ist", so Petrina Bucher. Darüber hinaus rät die Expertin, im Beruf bewusst klare Grenzen zu setzen. Wer schlichtweg zu viel arbeitet, dem bleibt nichts anderes übrig, als das eigene Pensum herunterzuschrauben. Manchmal kann auch ein Positionswechsel innerhalb des Unternehmens hilfreich sein.
Thomas Weschle / Redaktion finanzen.net
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