Ermittlungsverfahren: Grund für eine Kündigung?
Besteht der Verdacht einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet - unabhängig von der tatsächlichen Schuld oder Unschuld des Verdächtigten. Um das eigene Unternehmensimage zu schützen, distanzieren Arbeitgeber sich häufig und sehen nur einen Ausweg: die Kündigung.
Recht auf Beschäftigung
Die Kündigung eines Arbeitnehmers, welcher sich mutmaßlich straffällig verhalten hat, ist dabei jedoch gar nicht so einfach. Im Gegenteil: "Im Ermittlungsverfahren gilt die Unschuldsvermutung. Die Existenz eines Ermittlungsverfahrens allein ist deshalb kein Kündigungsgrund", erklärt Peter Meyer gegenüber dem General-Anzeiger. Meyer ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin und Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). Auch Dr. Markus Diepold, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Rechtsanwaltskanzlei Dentons in Berlin, vertritt diese Ansicht. In einem Interview mit haufe.de erklärt er, dass der Arbeitnehmer ein Recht auf Beschäftigung habe, weshalb der Arbeitgeber sowohl für eine Kündigung als auch für eine Freistellung einen sachlichen Grund benötige. Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens stelle keinen solchen Grund dar.
Besonders bei einer außerordentlichen beziehungsweise fristlosen Kündigung bedarf es wichtiger Voraussetzungen gemäß Paragraf 626 BGB: Sie ist nur dann rechtens, wenn "Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann." Wurde der Arbeitnehmer auf frischer Tat ertappt oder sogar bereits verurteilt, kann davon ausgegangen werden, dass eine solche Tatsache vorliegt. "In diesen Fällen sprechen die meisten Arbeitgeber bei einer entsprechenden Schwere der Tat eine fristlose Kündigung aus.", so Diepold.
Immer eine Einzelfallentscheidung
Meyer betont jedoch, dass eine Kündigung nicht gerechtfertigt sei, wenn es sich um eine Geldstrafe handle oder die Straftat beziehungsweise Ordnungswidrigkeit nichts mit der beruflichen Tätigkeit zu tun habe: "Zum Beispiel kann ein Buchhalter, der wegen Trunkenheitsfahrt in der Freizeit seinen Führerschein verliert und verurteilt wird, weiter Buchhalter sein. Aber der Busfahrer, der wegen eines Verkehrsdelikts verurteilt wird und seinen Führerschein verliert, kann dann auch unzuverlässig für das dienstliche Führen von Fahrzeugen im öffentlichen Verkehr sein und je nach Einzelfall gekündigt werden." Außerdem bestünde dem Arbeitgeber gegenüber keine Aufklärungspflicht bezüglich der laufenden Ermittlungsverfahren oder Strafen, sofern die strafrechtlich relevante Handlung keinen Bezug zur beruflichen Tätigkeit habe.
Diepold konstatiert des Weiteren im Interview, dass die Grundsätze des Kündigungsschutzes gelten. Es stellt sich im Einzelfall also stets die Frage, ob eine "außerordentliche fristlose Kündigung aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung ausgesprochen werden kann." Diepold zufolge sollte zunächst geklärt werden, ob diese Pflichtverletzung im Arbeitsverhältnis vorliegt oder außerhalb festgestellt wurde. Handelt es sich um "außerdienstliches Fehlverhalten" sollten die Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis abgeklärt werden.
Gegen eine unrechtmäßige Kündigung vorgehen
Stellt der Arbeitnehmer fest, dass die zuvor genannten Voraussetzungen nicht gegeben sind, so ist es möglich "die Rechtsunwirksamkeit einer fristlosen Kündigung herbei[zu]führen", so das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). Hierfür ist es notwendig, dass der Arbeitnehmer "innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht erheb[t] (Paragraf 4 Satz 1 KSchG)." Auf Seite des Arbeitgebers gilt es vor Gericht Beweise darzulegen, welche die fristlose Kündigung rechtfertigen, so BMAS. Peter Meyer empfiehlt in einem solchen Fall jedoch stets, einen Rechtsbeistand zu konsultieren.
J. Vogel / Redaktion finanzen.net
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