Warum Edelmetalle in unruhigen Zeiten Gold wert sein können
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Im Gespräch mit Sven Kuhlbrodt, von Baker Steel Capital Managers, wird ein umfassender Blick auf das bisherige Jahr geworfen. Außerdem werden Themen besprochen, die in den aktuellen Zeitgeist fallen. So sind die Themen ESG, Inflation und Kryptowährung im Fokus, als auch die Unsicherheiten, mit denen sich viele Anleger konfrontiert sehen.
Herr Kuhlbrodt, wie fällt Ihr bisheriges Fazit für 2023 im Edelmetallsektor aus?
Gold, Silber und Platingruppenmetalle haben sich in Euro größtenteils zufriedenstellend entwickelt. So stieg beispielsweise der Goldpreis in Euro bis dato (Stand: 30.10.) um 10,4%, nachdem er letztes Jahr bereits um 8,5% nach oben schnellte. Allerdings werden über Edelmetallpreise in den Wirtschaftsmedien normalerweise in US-Dollar berichtet. Und danach hat Gold dieses Jahr bis heute zwar um 9,3%, jedoch das Jahr zuvor nur um 1,6% zugelegt. Die "magische Grenze" von 2.000 Dollar wurde im Mai dieses Jahres gerissen; danach fiel Gold aber bis auf unter 1.900 Dollar zurück nachdem klar war, dass die US-Zentralbank (Fed) die Leitzinsen aufgrund starker Arbeitsmarktdaten und weiterhin zu hoher Inflation nochmals mehrere Male erhöhen würde. Zurzeit notiert der Goldpreis in US-Dollar wieder knapp unter der 2.000 Dollar-Grenze. Der Marktkonsensus ist nun, dass es lediglich eine weitere Fed Funds-Erhöhung in den USA um 0,25%, bis Ende 2023 geben wird und danach das Niveau entweder beibehalten oder angefangen wird, die Leitzinsen wieder abzusenken. Die Fed Fund Futures-Derivate implizieren beispielsweise, dass die US -Leitzinsen bis Ende 2025 wieder gegen null geschraubt werden. Diese Entwicklung wird aufgrund fallender Realzinsen ohne Frage für den Goldpreis positiv sein, daher rechnen wir mit einem starken Jahr 2024.
Wie bewerten Sie die Auswirkungen der aktuellen globalen und wirtschaftlichen Unsicherheit? Welche Beobachtungen können Sie hinsichtlich der Inflation im Edelmetallsektor feststellen?
Historisch hat sich Gold oft als "sicherer Hafen" in Zeiten geopolitischer Risiken erwiesen. Nun könnte man argumentieren, dass wir uns seit geraumer Zeit in einer Art Dauerkrise befinden (erst Covid, dann die Ukraine-Invasion, jetzt der Israel-Hamas-Krieg; dazu kommen der neue kalte Krieg zwischen den westlichen Demokratien und verschiedenen autokratisch regierten Ländern des Ostens [bspw. China, Russland, Iran, Nordkorea], Immigrationsschübe - und natürlich die Klimaveränderung und die damit im Zusammenhang stehenden Naturkatastrophen). Allerdings vergessen wir leicht, dass es ähnliche Krisen immer wieder in der Geschichte gab und dass bspw. das relativ ruhige Jahrzehnt der 1990er eher die Ausnahme war. Insofern halten viele Anleger Gold auch dauerhaft, um sich vor einem (plötzlichen) Verfall Ihrer Währung oder starken Rückschlägen, in verschiedenen Anlageklassen, zu schützen. Auch eine erhöhte Inflation fand in der jüngeren Vergangenheit statt, allerdings seit der Finanzkrise 2008 das erste Mal wieder. Während das Ansteigen der Inflation oft zyklisch bei einer überhitzen Wirtschaft zu beobachten ist, haben wir es diesmal, wie auch in den 70er Jahren während der Ölkrise, mit exogenen Schocks zu tun. Der Ukraine-Krieg hat, wie wir wissen, zur Nahrungsmittelknappheit und höheren Lebensmittel-, als auch Energiepreisen geführt. Darüber hinaus hat sich die aufgestaute Nachfrage, die durch Covid-Beschränkungen entstand, preisbeschleunigend auf die Märkte ausgewirkt. Eine darauf folgende Lohn-Preisspirale verschlimmerte die Situation weiter. In einem gewissen Maße legen einige Anleger, aus Furcht vor Inflation, sicherlich in Gold an, aber auf der anderen Seite wirken sich hohe Leitzinsen, als Antwort auf eine zu hohe Inflation, auch negativ auf Gold aus. Eine geringere Kerninflation, die aber trotzdem über dem 2%-Ziel der Zentralbanken liegt, bei gleichzeitig fallenden Leitzinsen, ist ein Szenario, was unser Meinung nach unmittelbar bevorsteht und sich sehr positiv auf den Goldpreis auswirken wird.
Aktuell herrscht steigendes Interesse an umweltfreundlichen und nachhaltigen Investitionen. Inwiefern verändert diese Entwicklung, Ihrer Meinung nach, die Auswahl von Edelmetallinvestitionen?
Für die Privatanleger ist es sehr schwierig festzustellen, ob das Gold oder Silber, welches erworben werden soll, verantwortlich abgebaut wurde. Da ist es bei Investitionen in Edelmetallaktien schon wesentlich einfacher. Es ist tatsächlich so, dass die Minenindustrie generell signifikante Fortschritte bezüglich ökologischer-, sozialer- und Governance-Kriterien gemacht hat. Allerdings existieren weiterhin Unterschiede, je nach Metallproduzent. Baker Steel hat hier ein sehr detailliertes ESG-Scoring entwickelt, welches für unsere Anlageentscheidung von enormer Bedeutung ist.
Kryptowährungen wie Bitcoin wurden in den letzten Jahren als digitales Gold bezeichnet. Wie betrachten Sie diese Konkurrenz in Bezug auf traditionelle Edelmetalle, und gibt es Synergien oder Konflikte in Ihrer Anlagestrategie?
SK: Man kann sicherlich argumentieren, dass Bitcoin eine gewisse Aufbewahrungs- und Werterhaltungsfunktion, ähnlich wie Gold, hat. Bitcoin ist auf 21 Millionen Einheiten begrenzt, ähnlich zu dem Goldvorkommen, das ebenfalls endlich ist. Beides kann jedoch, im Gegensatz zu Fiat Währungen, signifikant inflationieren. Trotzdem haben wir bisher wenig Substitution gesehen, da die Mehrheit von Bitcoin-Anlegern entweder aus technologischen Gründen (bspw. Fortschritte bei den sogenannten ZK-Rollups [L2-Lösungen], womit sich Bitcoin wesentlich schneller, günstiger und volumenstärker als Zahlungsmittel nutzen lässt) oder aus reiner Spekulation im Retail-Markt investieren. Andere digitale Assets, wie Smart Contract-Protokolle (am bekanntesten ist hier Ethereum) oder NFTs haben keinerlei Ähnlichkeiten zu Gold. Wir betrachten den Krypto-Markt daher nur sehr begrenzt als Konkurrenz zu Edelmetallen. Allerdings verfolgen wir genau die Gemeinsamkeiten der Anlegermotivation bei Gold und Bitcoin und ggf. potenzielle Synergien.
Die Nachfrage nach seltenen Edelmetallen wie Palladium und Rhodium ist gestiegen, insbesondere in der Automobilindustrie. Inwiefern berücksichtigen Sie diese spezifischen Metalle und welche langfristigen Aussichten sehen Sie für sie?
Alle drei "PGMs" (darüber hinaus gibt es auch noch Osmium, Ruthenium, Iridium und Rhenium, die eine geringere Signifikanz haben) werden in der Tat hauptsächlich in der Automobilindustrie gebraucht - und zwar für die Katalysatoren der Diesel- und Benzinfahrzeuge. Platin ist traditionell eher bei Dieselautos und Palladium bei Benzinern das bevorzugte Katalysatormetall, Rhodium wird in beiden Fällen zur Verhärtung verwendet. Allerdings hat die Kfz-Industrie Methoden entwickelt, bei denen sowohl Platin, als auch Palladium, mit dem jeweiligen anderen Metall substituiert werden können. Hier sind die jeweiligen Metallpreise von entscheidender Bedeutung. Für Platin gibt es darüber hinaus eine Vielzahl anderer Anwendungen, bspw. bei Schmuck, Zahnersatz, Thermoelementen, Computerlaufwerken, Herzschrittmacher, Turbinenschaufeln und Zündkerzen. Palladium ist nicht so vielseitig in der Anwendung, spielt aber auch in der Zahnmedizin eine große Rolle. Der neueste und größte Wachstumsmarkt ist allerdings die Wasserstofftechnologie, in der sowohl Platin, als auch Palladium in der Brennstoffzelle eingesetzt wird.
Bildquellen: IPConcept