Börsen im Stresstest - wie Sie sich am besten absichern
Handelskrieg, Iran-Konflikt, Schicksalswahl in Europa - das Risiko ist zurück an den Märkten. Und das mit Macht. €uro am Sonntag analysiert, auf was sich Anleger gefasst machen sollten und mit welchen Investments sie gut durch die Turbulenzen steuern.
Werte in diesem Artikel
von Andreas Hohenadl und Christoph Platt, Euro am Sonntag
Ab in die Schützengräben?", fragt die Fondsgesellschaft DWS provokativ in ihrem jüngsten Kommentar. Das Thema ist - natürlich - der Handelsstreit zwischen China und den USA. Die Warnung der Anlagestrategen lautet: Wenn in den kommenden Wochen kein schneller Abschluss der Gespräche zustande kommt, müssen sich die Märkte auf eine längere Zeit der wirtschaftlichen Grabenkämpfe einstellen.
Gerade hatten sich die Anleger mit dem freundlichen Umfeld an den Aktienbörsen angefreundet, da kommen Stimmungskiller in Serie. US-Präsident Donald Trump fährt im Handelskrieg mit China wieder schweres Geschütz auf und kündigt Strafzölle auf sämtliche chinesische Waren an. Peking seinerseits antwortet mit neuen Zollschranken auf US-Produkte. Die Hoffnung auf eine schnelle Einigung im Handelsstreit - erst mal vorbei.
Auch mit seinem rustikalen Vorgehen im Iran-Konflikt sorgt Trump für einen Adrenalinschub an den Märkten. Der US-Präsident verschärfte nicht nur die Sanktionen gegen den muslimischen Staat. Er lässt auch Kriegsschiffe und Kampfgruppen in den Persischen Golf verlegen, weil der Iran angeblich Anschläge auf amerikanische Soldaten und Ölförderanlagen plane. Eine Drohgebärde, die Beobachtern den Schweiß auf die Stirn treibt. "Wir sind sehr besorgt über das Risiko eines Konflikts, der sich versehentlich ereignet, mit einer Eskalation, die eigentlich von beiden Seiten unbeabsichtigt ist", so der britische Außenminister Jeremy Hunt.
Riskante Drohgebärde
All das verleitet Heinz-Werner Rapp, Leiter des Feri Cognitive Finance Instituts, zu der Erkenntnis, dass die USA innerhalb weniger Jahre vom Stabilisator der Geopolitik und Weltwirtschaft zum Risikofaktor Nummer 1 mutiert sind. "Den globalen Kapitalmärkten werden durch die Politik der USA ständig neue und kaum berechenbare Risikoszenarien und Risikobewertungen abverlangt", so Rapp. Entsprechend würden die Aktienmärkte durch höhere politische Risikoprämien belastet.
Was das bedeutet, war jüngst deutlich zu sehen. Zum Wochenstart, als China seine Vergeltungszölle auf US-Einfuhren verkündete, hagelte es weltweit an den Börsen Verluste. Zugleich sprangen Kriseninvestments an und der Goldpreis kletterte über die Marke von 1.300 US-Dollar. Ebenfalls verteuerte sich Brent-Öl im Zuge der Verschärfung des Iran-Konflikts. Und der Volatilitätsindex VIX, der die kurzfristig erwartete Schwankungsbreite beim US-Aktienindex S & P 500 widerspiegelt, stieg in der Spitze auf über 20 Punkte, während er im April noch meist unter 14 Zählern dümpelte.
Fragile Stimmungsaufhellung
Die Unsicherheit bei den Anlegern bleibt groß, auch wenn sich zwischenzeitlich die Wogen wieder etwas geglättet haben. Dazu trug bei, dass die USA offenbar planen, zeitnah eine Delegation nach Peking zu schicken, um die Handelsgespräche fortzuführen. Auch sandte Washington Signale, dass man eine diplomatische Lösung im Konflikt mit dem Iran anstrebe. Und schließlich wurde bekannt, dass Trump vorerst keine Strafzölle auf Autoimporte aus Europa anstrebt. Neben dem Handelskonflikt mit China möchte er wohl keine weitere Konfrontation dieser Art.
"Das Risiko aber bleibt 280 Zeichen lang", meint Marktanalyst Jochen Stanzl. "Ein Tweet von Trump und die Stimmung kann wieder kippen." Anleger tun also gut daran, sich vorerst auf stärker schwankende Börsen einzustellen und bei der Wahl ihrer Investments vorsichtshalber einen Gang zurückzuschalten. Generell nämlich bleibt das Umfeld für Aktien weiterhin attraktiv.
So weisen die Anlagestrategen von NN Investment Partners darauf hin, dass sich die Markttreiber in den vergangenen Wochen verschoben haben: von nachlassenden Rezessionsrisiken und dem Wechsel zu einer gemäßigteren Zentralbankpolitik im ersten Quartal hin zu Anzeichen für eine wirtschaftliche Belebung. Dies schürt Erwartungen an eine Erholung der Aktienmärkte im zweiten Halbjahr. Die Kombination aus Wachstumsbelebung, einer niedrigen Inflation und einer lockeren Geldpolitik erzeugt laut NN-Stratege Patrick Moonen ein Marktumfeld, das die Entwicklung von Aktienkursen begünstigt.
Diese Konstellation sollte auch europäischen Aktien helfen, die mit ganz anderem Gegenwind zu kämpfen haben. Der Brexit steht trotz der jüngsten Verzögerung weiterhin bevor, in vielen Ländern erstarken populistische Parteien. Proteste wie die der Gelbwesten in Frankreich setzen die nationalen Regierungen unter Druck.
Europawahl als Stimmungstest
Unter diesen Vorzeichen kam der Europawahl, die vom 23. bis 26. Mai stattfand, eine besondere Bedeutung zu - für die Bürger, die Wirtschaft und die Finanzmärkte. Denn erstmals mischen Eurokritiker in großem Stil mit. "Die kommende Abstimmung ist die erste Europawahl nach dem Aufstieg der populistischen Parteien", sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, Wochen vor dem Wahltermin. "Sie ist damit ein Stimmungstest für Europa."
Dass die Rechtspopulisten eine Mehrheit im Europäischen Parlament erreichen, war den Umfragen zufolge jedoch ausgeschlossen. Damit bleibt der überwiegende Teil des Parlaments in den Händen der gemäßigten europafreundlichen Parteien.
Je stärker die Populisten abschneiden, desto schlechter ist das für die Märkte. Denn diese Parteien gefährden die europäische Stabilität - eine Grundbedingung für viele Anleger, in der Alten Welt zu investieren. Dabei wäre weniger die Arbeit im EU-Parlament das Problem, als vielmehr die Signalwirkung für die nationalen Parlamente. "Am gefährlichsten wäre eine Demütigung Emmanuel Macrons", so Schmieding. Das könnte den Reformeifer des französischen Staatschefs bremsen, der die Wirtschaft ankurbeln möchte.
"Aber auch ein Triumph für Matteo Salvini oder Nigel Farage hätte negative Auswirkungen." Sowohl der italienische Innenminister als auch der britische Brexit-Hardliner stehen für harsche Europa-Kritik. "Ein starkes Abschneiden von Farage hätte zusätzlich zur Folge, dass ein harter Brexit wahrscheinlicher wird", sagt Schmieding.
Kurzfristige Folgen der Europawahl sind vor allem für die Renten- und Devisenmärkte zu erwarten. Werden Italiens Populisten unerwartet stark, dürfte das die Risikoaufschläge für italienische Staatsanleihen in die Höhe treiben. Feiert die britische Brexit-Partei unerwartete Erfolge, wird wohl das britische Pfund darunter leiden.
Mit unmittelbaren Auswirkungen auf die Aktienmärkte ist eher nicht zu rechnen. "Egal wie die Wahl ausgeht, es ist keine Änderung an der DNA der europäischen Wirtschaft zu erwarten", sagt Ökonom Kater. "Selbst die meisten populistischen Parteien wenden sich nicht gegen den Binnenmarkt, der die Grundlage der Wirtschaft in Europa ist."
Investor-Info
Europawahl
Populisten im Aufwind
Extrem rechte Parteien werden bei der Wahl zum Europa-Parlament vermutlich einen großen Zuspruch erhalten. Die Fondsgesellschaft Fidelity geht in ihrem Extremfall-Szenario davon aus, dass die Rechten auf 29 Prozent der Sitze kommen. Zusammen mit den extremen Linken hätten Euro-Skeptiker damit einen Anteil von 36 Prozent. Die gemäßigten Parteien behalten die Mehrheit, doch sie schrumpft.
FvS Multiple Opportunities
Stabilität durch Streuung
Wie auch immer sich die Märkte entwickeln werden - eine breite Streuung des Vermögens bleibt das A und O eines soliden Depots. Im FvS Multiple Opportunities kümmert sich Fondsmanager Bert Flossbach um die Aufteilung des Geldes. Zurzeit hat er Aktien viel höher gewichtet als Anleihen, Erstere sichert er regelmäßig ab. Ein rund zehnprozentiger Anteil Gold dient als Versicherung gegen Extremrisiken des Finanzsystems.
Comgest Monde
Sicherheit durch Qualität
Auch in unruhigen Zeiten sollten Anleger Aktien nicht vollständig den Rücken kehren. Mit dem Comgest Monde setzen sie auf qualitativ hochwertige Unternehmen. Der globale Aktienfonds kauft Firmen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit aus eigener Kraft stabil wachsen. Gemieden werden Titel, die stark von der Konjunktur oder Rohstoffpreisen abhängig sind, zudem Banken, deren Bilanzen aus Sicht der Fondsmanager keine verlässlichen Prognosen zum Wachstum ermöglichen.
Anmerkung der Redaktion: Die Original-Veröffentlichung dieses Artikels erfolgte am 18. Mai 2019 in der Wirtschaftszeitung €uro am Sonntag.
________________________________
Weitere News
Bildquellen: Richard Drew/AP, Natis/AdobeStock