Offene Wohnimmobilienfonds im Blick: Gewohnt wird immer
In der aktuellen Situation verschieben sich die Investmentstrategien vieler Anleger. Plötzlich stehen dabei wieder Offene Wohnimmobilienfonds im Blick.
von Klaus Niewöhner-Pape, Gastautor von Euro am Sonntag
Krisen wie die aktuelle Corona-Pandemie bringen gewohnte Investmentstrategien häufig durcheinander. Während Aktien plötzlich von vielen Privatanlegern gemieden werden, rücken andere Assetklassen, die als sicherer beziehungsweise weniger volatil gelten, in den Fokus. Eine dieser "sicheren Bänke" sind Wohnimmobilien. Sollten Anleger also in Wohnimmobilienfonds investieren?
Zunächst muss eingeräumt werden, dass auch Wohnimmobilienfonds sich den Folgen der Krise nicht ganz entziehen können. Allerdings sind sie im Vergleich zu Immobilien anderer Nutzungsarten wie Gastronomie, Hotel oder Einzelhandel nicht unmittelbar von der Krise betroffen. Tangiert wurden sie jedoch vor allem von den Auswirkungen des Corona-Hilfspakets der Bundesregierung, das Wohnungsmieter vor der Kündigung schützt, wenn sie ihre Miete aufgrund der Corona-Krise nicht bezahlen konnten. Diese Regelung galt aber nur bis zum 1. Juli, Mietschulden für April bis Juni 2020 müssen bis spätestens 30. Juni 2022 bezahlt werden.
Preise der Anteile werden von Immobilienwerten bestimmt
Trotz dieser Einbußen auf der Einnahmenseite haben Offene Immobilienfonds im Vergleich zu Aktien einen großen Vorteil in der Corona-Krise: Es handelt sich bei den Fonds um eine sehr schwankungsarme Assetklasse. Ausgabe- und Rücknahmepreise des Anbieters (Kapitalverwaltungsgesellschaft) werden von den Werten der Immobilien bestimmt, die alle drei Monate bewertet werden - im Gegensatz zur Börse, wo der Kurs täglich im Zusammenspiel zwischen Angebot und Nachfrage entsteht und Erwartungen an die Zukunft viel schneller eingepreist werden.
Auch eine weitere Besonderheit der Immobilienbewertung trägt zur großen Stabilität der Fonds bei: Bei jeder Bewertung muss laut Wertermittlungsverordnung ein "ordentlicher Geschäftsverlauf" unterstellt werden. Das heißt: Die Auswirkungen einer solch außergewöhnlichen Situation wie der Corona-Pandemie werden nicht berücksichtigt. Hinzu kommt, dass die Verkehrswerte der Immobilien generell sehr konservativ angesetzt sind. Das heißt auch, dass sie die "Übertreibungen" des Markts in den Jahren vor der Corona-Krise nicht vollständig abgebildet haben. Damit ist nun aber auch das Risiko von Abwertungen geringer.
Neben der stabilen Wertentwicklung profitieren Wohnimmobilien in der Krise vor allem von ihrer hohen Konjunkturunabhängigkeit. Allerdings ist Wohnung nicht gleich Wohnung. Kaufpreis- und Mietrückgänge infolge der Krise sind am ehesten im hochpreisigen Segment - Stichwort Luxuswohnen - und im Segment "Temporäres Wohnen", wozu Studentenwohnheime und Serviced Apartments zählen, zu erwarten. Im Bereich der geringen und mittleren Mieten rechnen wir nicht mit sinkenden Mieten. Dies liegt im Wesentlichen daran, dass Wohnen ein nicht substituierbares Gut ist. Anders ausgedrückt: "Gewohnt wird immer."
Neben diesen Marktfaktoren gibt es auch Vorgaben des Gesetzgebers, die die Fonds in Krisenzeiten sehr stabil machen. Ein wichtiger Punkt ist hier die Begrenzung des Fremdkapitaleinsatzes auf maximal 30 Prozent. Diese Quote ist - im Marktvergleich - niedrig und insgesamt als sehr konservativ zu bewerten. Zum Vergleich: Institutionelle Immobilienfonds dürfen bis 50 Prozent gehen, viele Geschlossene Immobilienfonds gehen bis 60 Prozent. Die hohe Eigenkapitalquote von 70 Prozent - in der Praxis sind es sogar oft mehr - machen die Fonds deutlich weniger anfällig für Marktschwankungen.
Ein weiterer stabilisierender Faktor für die Fonds sind Mindesthalte- und Kündigungsfristen, die 2013 infolge der Finanzmarktkrise 2009 eingeführt wurden. Anleger können ihre Gelder seitdem nicht mehr börsentäglich aus den Fonds abziehen, sondern müssen dies zwölf Monate im Voraus ankündigen. Hinzu kommen Mindesthaltefristen von 24 Monaten.
Unterm Strich führt gerade die aktuelle Situation dazu, dass Offene Wohnimmobilienfonds ihre Stärken zeigen: eine große Konjunkturunabhängigkeit, konservative Bewertungen und eine Stabilität der Anteilspreise, die nicht von den Börsen beeinflusst wird.
Klaus Niewöhner-Pape
Geschäftsführer der Industria Wohnen
Niewöhner-Pape ist seit 2006 Geschäftsführer der Industria Wohnen GmbH. Berufliche Stationen zuvor waren die HPE Hausbau GmbH & Co, die Hausbau Rheinland Pfalz AG und langjährig die Deutsche- Bank-Gruppe. Er verantwortet heute für private und institutionelle Kunden ein Immobilienportfolio mit mehr als 16.000 Wohneinheiten und über drei Milliarden Euro Investitionsvolumen.
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Bildquellen: Industria Wohnen GmbH, Tobias Machhaus/Thinkstock