Euro am Sonntag-Interview

Fondsmanagers Albrecht: "Leben momentan in der besten aller Welten"

03.07.17 13:02 Uhr

Fondsmanagers Albrecht: "Leben momentan in der besten aller Welten" | finanzen.net
DWS-Fondsmanagers Tim Albrecht

Aktien sind die große Leidenschaft des DWS-Fondsmanagers Tim Albrecht. Schon als Schüler investierte er an der Börse. Heute leitet er mehrere milliarden-schwere Deutschland-Fonds.

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Fonds

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von Christoph Platt, Euro am Sonntag

Manche Manager sind schon mit der Leitung eines einzelnen Fonds überfordert. Tim Al­brecht lenkt gleich drei Portfolios - alle milliardenschwer, alle sehr erfolgreich. Der 44-Jährige ist der Herr der deutschen Aktien bei Deutschlands größter Fondsgesellschaft, Deutsche Asset Management, vielen Anlegern besser bekannt unter ihrer Publikumsfondsmarke DWS.



Chef für Aktien aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ist ­Albrecht schon lange, doch die dreifache Fondsverantwortung ist neu für den Manager. Im Januar hat er die Leitung des DWS Aktien Strategie Deutschland und des DWS Investa übernommen - ­zusätzlich zur Führung des DWS Deutschland, den er seit exakt 15 Jahren verantwortet.

Lange stand Albrecht im Schatten von Henning Gebhardt, der bis Ende 2016 für die DWS tätig und der Starmanager für deutsche Aktien war. Dabei muss sich Albrecht mit dem DWS Deutschland nicht verstecken - im Gegenteil. Langfristig orientierten Anlegern versüßte er ihre Ausdauer mit einem Plus von 137 Prozent in zehn Jahren. Der von Gebhardt ehemals gelenkte DWS Aktien Strategie Deutschland kommt in diesem Zeitraum auf 114 Prozent.


Langfristiges Aktienengagement - das ist es, was Albrecht umtreibt. Wieder und wieder verweist er auf die Vorzüge von Aktien bei der langfristigen Geldanlage. Es ist ihm wichtig, dass die Menschen verstehen: Bleibe geduldig bei Aktien und du wirst belohnt.

Der Fondsmanager ist zwar ein Aktienfan, doch ein ausgeprägter Bulle ist er nicht. Dabeibleiben, Schwankungen aushalten, regelmäßig sparen sind seine Credos. Nicht die Reich-in-sechs-Wochen-Masche.


Dabei zockte Albrecht bei seiner ersten Berührung mit dem Aktienmarkt kräftig. In Bad Honnef bei Bonn startet die Kreissparkasse Mitte der 80er-Jahre ein Börsenspiel, an dem sich Schüler aus der Region beteiligen sollten. Zusammen mit einigen Mitschülern gewinnt Alb­recht den Wettbewerb, indem er auf eine einzelne Aktie eines südafrikanischen Rohstoffunternehmens setzt. Das widerspreche allen Regeln der Geldanlage und sei nicht nachahmenswert, gibt der Manager heute unumwunden zu.

€uro am Sonntag: Seit Anfang des Jahres sind Sie nicht mehr nur für den DWS Deutschland verantwortlich, sondern auch für den DWS Aktien Strategie Deutschland und den DWS Investa. Wie läuft es?
Tim Albrecht:
Es ist natürlich viel Arbeit, aber wir haben ein erfreuliches Börsenumfeld, und die Fonds haben sich besser entwickelt als ihre Vergleichsindizes. Kurz gesagt: Das erste Halbjahr war anstrengend, aber erfolgreich.

Gibt es unter Ihrer Führung ­Änderungen am Investmentprofil der drei Fonds?
Nein, wir halten an den bisherigen Konzepten fest. Weder beim DWS Aktien Strategie Deutschland noch beim DWS Investa gab es Änderungen in der Anlagestrategie.

Wer in deutsche Standardwerte ­investieren will, hat in Ihrem Haus die Wahl zwischen drei Fonds - alle gelenkt vom gleichen Manager. Wo liegen die Unterschiede?
Der DWS Aktien Strategie Deutschland ist ganz klar der offensivste der drei. Hier stehen Wachstumstitel im Vordergrund, und wir investieren am stärksten in Nebenwerte. Rund 40 Prozent des Vermögens steckt in kleinen und mittleren Unternehmen. Beim DWS Deutschland mischen wir ebenfalls Small und Mid Caps bei, aber in geringerem ­Umfang. Außerdem verfolgen wir keinen ausdrücklichen Wachstumsansatz, sondern sind beim Kauf der Aktien flexibel. Der DWS Investa ist dem DAX am nächsten. Er enthält kaum Nebenwerte, stattdessen fügen wir gelegentlich europäische Bluechips hinzu.

Also sind die Fonds für unterschiedlich risikobereite Anleger?
Ja, danach lässt es sich unterteilen. Wichtig ist aber auch, auf die Zeitachse zu achten. Wer langfristig orientiert ist, für den ist der DWS Aktien Strategie Deutschland die erste Wahl. Historisch betrachtet weisen Nebenwerte auf lange Sicht die höchste Rendite auf. Diese Chance nutzen Anleger mit dem DWS Aktien Strategie Deutschland am besten.

Der große Erfolg des Fonds hat zu einem Ansturm der Anleger geführt. Um die Strategie ohne Einschränkungen fortzuführen, haben Sie den Fonds vor 15 Monaten geschlossen. Wann dürfen die Anleger mit einer Wiedereröffnung rechnen?
Seit der Schließung flossen knapp eine Milliarde Euro aus dem DWS Aktien Strategie Deutschland, als im Jahr 2016 viele Anleger ihre Gelder in andere Regionen umschichteten. Wegen der Schließung war ein Wiedereinstieg bisher nicht möglich, obwohl der Fonds stark zugelegt hat - um 30 Prozent. Wir haben also jetzt wieder Luft nach oben und arbeiten daran, den Fonds bald wieder zu öffnen.

Sie managen den DWS Deutschland exakt seit 15 Jahren. Wie sind Sie zu dem Fonds gekommen?
Ich hatte knapp zwei Jahre zuvor bei der DWS angefangen, direkt nach meinem Studium. Gestartet bin ich im Team für europäische Nebenwerte. Dort war ich zuständig für deutsche Nebenwerte aus der Old Economy. Das war natürlich alles andere als sexy im Jahr 2000. Doch ich fand das interessant. Mitte 2002 wurde dieser Bereich dann mit dem Team von Henning Gebhardt zusammengelegt. Das bestand damals aus sage und schreibe zwei Personen. Mir wurde die Leitung des DWS Deutschland übertragen.

Der Fonds war damals nicht gerade eine Erfolgsgeschichte …
Ganz und gar nicht - er war ein ­Restrukturierungsfall. Der Fonds enthielt New-Economy-Titel und war nach dem Zusammenbruch des Neuen Markts furchtbar eingestürzt. Zu diesem Zeitpunkt habe ich das Portfolio übernommen. Henning Gebhardt sagte damals zu mir: "Schlechter kannst du es nicht machen." Der Fonds war also genau das Richtige für einen Newcomer wie mich. Gebhardt riet mir damals, mit ruhiger Hand und der Beimischung einiger Nebenwerte das Produkt wieder auf Vordermann zu bringen.

Was gut gelungen ist.
Mittlerweile ja. Doch in der Zeit, als ich den Fonds übernahm, gab es immer wieder Überlegungen, ihn zu schließen. Davor bewahrt hat uns zum einen die lange Historie des Fonds - er war bereits rund zehn Jahre auf dem Markt - und sein Name.

Sein Name?
DWS Deutschland - das ist eine sehr klare und wahre Bezeichnung. Dieses Basisprodukt wollten wir nicht schließen. Zum Glück.

Wenn Sie auf Ihre 15 Jahre als Fondsmanager zurückblicken: ­Welche markanten Änderungen gab es in dieser Zeit?
Wir haben früher kurzfristigere Entscheidungen getroffen. Der Fokus lag klar auf Quartalszahlen. In der Berichtssaison war es unerlässlich, früh im Büro zu sein, um ganz schnell auf die Zahlen reagieren zu können. Heute haben wir eine viel langfristigere Sichtweise. Natürlich analysieren wir die Quartalszahlen noch immer, aber wir fangen nicht an, auf ihrer Basis hektisch zu handeln.

Woher dieser Sinneswandel?
Dass wir weniger taktisch vorgehen müssen, sondern mehr strategisch und mit ruhiger Hand, war ein langer Lernprozess. Das hat etwas ­damit zu tun, dass der Informationsvorsprung heute geringer ist. Zum einen gibt es mehr Analysten, auch für Nebenwerte. Zum anderen ­erhalten Privatanleger immer umfangreicheren Zugang zu Informa­tionen. Hinzu kommen die Hedgefonds. Diese positionieren sich ­bereits frühzeitig so eindeutig, dass die Quartalszahlen oft gar keinen starken Einfluss auf die Kurse mehr haben. Deshalb ist es bei Aktien heute viel entscheidender, auf aussichtsreiche langfristige Trends zu setzen.

Wenn Sie auf das große Ganze beim deutschen Aktienmarkt schauen - stimmt hier der Trend?
Ja, allerdings. Wir leben momentan in der besten aller Welten für deutsche Aktien. Die Wirtschaft kommt mehr und mehr in Schwung, die Zinsen sind niedrig, Indikatoren wie der Ifo-Geschäftsklimaindex oder Kennzahlen zur Konsumentenstimmung sind auf Allzeit- oder Mehrjahreshochs. Ein echtes Goldilocks-­Szenario, eine ideale Welt.

Ist Ihnen die anhaltende Rally nicht unheimlich?
Nein. Schauen Sie sich die Gewinn­erwartungen der Unternehmen an. Zum ersten Mal seit Jahren ist 2017 wieder ein zweistelliges Gewinnwachstum möglich. Die Stimmung ist gut bis sehr gut. Ich sehe keinen Grund, warum der DAX nicht auf 13.500 oder 14.000 Punkte steigen könnte. Die Menschen sollten ein bisschen Vertrauen in die heimische Wirtschaft haben. Das Chance-Risiko-Profil für deutsche Aktien ist hervorragend.

Was ist mit den zahlreichen Risiken weltweit?
Ich verstehe, dass es viele Gründe gibt, sich Sorgen zu machen. Die Unberechenbarkeit von Donald Trump, der Ablauf des Brexit, die expansive Geldpolitik der Notenbanken. Doch vor lauter Angst vergessen die Menschen das Investieren. Anfang des Jahres wurde ich gefragt, was das größte Risiko 2017 sei. Ich habe gesagt: vor lauter Risiken die Chancen außer Acht zu lassen. Das hat sich bislang bewahrheitet.

Bei Ihrer sehr positiven Einschätzung ist aber auch viel Berufsoptimismus dabei, oder?
Wenn Sie damit meine Begeisterung für Aktien meinen: nein. Aktien haben nun einmal langfristig die höchste Rendite. Natürlich bin ich optimistisch für Aktien, aber nicht nur aufgrund meiner Arbeit. Meine ersten Aktien habe ich schon Mitte der 80er-Jahre erworben - als Teenager mit der Erlaubnis meiner Eltern. Während der Börsenkrise 1987 habe ich gleich mal erleben dürfen, was es bedeutet, wenn die Kurse einbrechen. Da habe ich ein paar Hundert Mark verloren. Das hat mich trotzdem nicht davon abgehalten, weiter zu investieren.

Also Aktien als Investment für ­jedermann?
Prinzipiell schon, aber es gibt einige wenige Einschränkungen. Wer mit den hohen Schwankungen nicht klarkommt, sollte kein Geld in Aktien investieren. Wer das investierte Geld in zwei Jahren wieder braucht, sollte es ebenfalls sein lassen. Doch wer Geduld hat, sollte einsteigen. Bitte seht die Sache langfristig, sage ich Anlegern immer wieder. Und nutzt Sparpläne, wenn ihr nicht so viel Geld auf einmal investieren wollt.

Wo Sie jetzt die Anleger direkt ansprechen: Reden Sie eigentlich lieber mit Laien oder mit Fachleuten über Aktien und Geldanlage?
Ich unterscheide nicht zwischen Laien und Experten, sondern lieber zwischen Interessierten und Unin­teressierten. Auch wer Ahnung von der Materie hat, kann im Gespräch uninspiriert sein. Lieber unterhalte ich mich mit Menschen, die das Thema ernsthaft interessiert.

Was Ihre Investmententscheidungen angeht: Sind Sie eher der Typ, der auf persönliche Treffen mit Vorständen steht oder eher ein Freund nackter Zahlen aus Bilanzen?
Ich denke, eine gute Mischung ist wichtig. Früher brachten Unternehmensbesuche mehr, gerade im Bereich Nebenwerte. Heute sind alle wesentlichen Infos frei zugänglich. Das heißt nicht, dass Treffen mit Firmenlenkern überflüssig geworden sind. Ich muss aber nicht jedes Unternehmen in jedem Quartal sehen, um eine Anlageentscheidung zu treffen.

Vita

Der Aktien-Fan
Tim Albrecht ist seit 2000 für die Deutsche Asset Management tätig. Er begann seine Laufbahn im Team für europäische Nebenwerte und war dort für deutsche Titel aus klassischen Sektoren wie Industrie zuständig. Am 1. Juli 2002 wurde ihm die Leitung des DWS Deutschland übertragen. Später wurde er stellvertretender Manager des DWS Aktien Strategie Deutschland und des DWS Investa, seit Anfang 2017 ist er allein für die Produkte verantwortlich. Der 44-Jährige ist gelernter Bankkaufmann und studierte Betriebswirtschaftslehre in Würzburg.

Unternehmen

Der Platzhirsch
Die Deutsche Asset Management, Tochter der Deutschen Bank, hat mehrere Fonds für deutsche Aktien im Programm. Am bekanntesten sind die drei von Tim Albrecht gelenkten Schwergewichte DWS Deutschland, DWS Investa und DWS Aktien Strategie Deutschland, in denen fast 14 Milliarden Euro verwaltet werden. Der Konzern ist die größte in Deutschland ansässige Fondsgesellschaft und betreut weltweit ein Vermögen von 723 Milliarden Euro. Im Angebot sind sowohl aktiv gemanagte Produkte unter der Marke DWS als auch ETFs unter der Marke X-trackers.

Bildquellen: Deutsche Asset Management International GmbH