Fondsmanager Stevenson: "Europa - wieder ein sicherer Hafen"
23.04.17 14:00 Uhr
Tim Stevenson, Fondsmanager bei Henderson
Henderson-Fondsmanager Tim Stevenson im Interview über politische Risiken, wirtschaftliche Erholung und Wachstums-Aktien.
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von Astrid Zehbe, Euro am Sonntag
€uro am Sonntag: Herr Stevenson, Europa muss einiges aushalten, außenpolitisch wächst der Druck, auch innenpolitisch brodelt es seit einiger Zeit. Die Börsen beeindruckt das alles recht wenig. Warum?
Tim Stevenson: Weil die wirtschaftliche Entwicklung eine andere Sprache spricht. Für Europa wird dieses Jahr ein Wirtschaftswachstum von bis zu 1,5 Prozent erwartet, die Arbeitslosigkeit sinkt und in vielen Staaten steigen die Staatsausgaben, was die Wirtschaft beflügelt.
Dafür müssen viele Länder Kredite aufnehmen. Dabei ist der hohe Schuldenstand in Europa eines der größten Probleme des Kontinents.
Steigende Schulden sind ohne Frage ein Problem, vor allem wenn die Länder nicht wachsen. Allerdings sehen wir in vielen Ländern sinkende Haushaltsdefizite, was ein ermutigendes Zeichen ist. Noch ist allerdings nicht abzusehen, wie kräftig die Erholung ausfällt und wie lange sie anhält.
Könnte eine weitere Zunahme des Populismus in Europa diesen Aufschwung gefährden?
Aktuell sehe ich diese Gefahr eher nicht, auch wenn einige Entwicklungen besorgniserregend sind. Für Frankreich rechnen wir nicht mit einem Sieg der rechtsnationalen Marine Le Pen. Selbst wenn sie in die Stichwahl kommt, wovon derzeit auszugehen ist, wird höchstwahrscheinlich ihr Herausforderer das Rennen machen. In Deutschland wird Angela Merkel gewiss unter Druck geraten, allerdings nicht durch die AfD, sondern durch Martin Schulz.
Großbritannien wird aus der EU austreten - auch das kam unerwartet. Wie schätzen Sie die wirtschaftlichen Folgen des Brexit ein?
Was mich am Brexit am meisten ärgert, ist, dass ihn die Alten herbeigeführt haben und die Jungen ihrer Chancen, die die EU bietet, beraubt werden. Je nachdem, wie hart der Brexit durchgeführt wird, könnte es teuer werden. Das ist im Moment schwierig abzusehen. Am schwerwiegendsten wäre die Wiedereinführung von Zöllen. Sie stören gewachsene Handelsbeziehungen zwischen Regionen und Unternehmen und werden Wachstumspunkte kosten - in Großbritannien und der EU.
Dennoch raten Sie zum Kauf europäischer Aktien?
Europäische Unternehmen sind sehr aktionärsfreundlich - in den Bewertungen spiegelt sich das jedoch noch nicht wider. Die europäischen Märkte wurden in den vergangenen 18 Monaten von Anlegern vernachlässigt. Das bietet Einstiegschancen, vor allem vor dem Hintergrund der aktuellen wirtschaftlichen Erholung, des investitionsfreundlichen Klimas und aufkommenden Inflationsdrucks. Ich kann mir vorstellen, dass Europa wieder zum sicheren Hafen wird.
Welche Regionen sind besonders interessant?
Wo ein Unternehmen seinen Sitz hat, spielt für uns eine untergeordnete Rolle. Für uns zählt, wie es international aufgestellt ist. Allerdings schauen wir uns französische Titel genauer an, dort wird es nach der Wahl eine Neubewertung geben.
In den vergangenen Monaten waren vor allem Substanzwerte gefragt. Ist es an der Zeit, auch wieder Wachstumswerte ins Visier zu nehmen?
Ja, denn die Schere zwischen Wachstums- und Substanzwerten ist in den vergangenen Monaten weit aufgegangen. Value-Aktien haben in den vergangenen Wochen Höchststände erreicht, Wachstumsaktien waren weniger gefragt. Darum setzen wir auf wachstumsstarke Qualitätsunternehmen. Viele konnten ihre Gewinne steigern, sind angesichts politischer Unsicherheiten jedoch unter Druck geraten.
Henderson Pan Europ. Eq.
Mit je rund einem Viertel sind deutsche, französische und britische Aktien am schwersten gewichtet. Die größten Einzelpositionen sind SAP, Fresenius und Deutsche Post.
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Bildquellen: Henderson