Euro am Sonntag

Immobilienfonds: Frischzellenkur für die Branche

23.11.18 06:59 Uhr

Immobilienfonds: Frischzellenkur für die Branche | finanzen.net

Neue Produkte bereichern das Angebot und sind eine Alternative zu den etablierten Fonds. Was sie bieten, welche Vor- und Nachteile sie haben.

von Christoph Platt, Euro am Sonntag

Glitzernde Bürotürme oder niedliche Miniaturhäuser? Establishment oder Newcomer? Riesenvermögen oder überschaubare Größe? Anleger haben die Qual der Wahl. In der Branche der Offenen Immobilienfonds tut sich etwas, und die Zahl der verfügbaren Produkte ist in den vergangenen Jahren stetig ­gewachsen. Tiny Houses, wie auf dem Foto unten zu sehen, sind zwar noch nicht als Anlageobjekte dabei. Aber mehrere der jungen Fonds konzentrieren sich auf Wohnimmobilien und erweitern so das Angebot für Investoren.



Seit 2013 sind sechs neue Offene Immobilienfonds fürs breite Publikum auf den Markt gekommen. Das klingt nach wenig, ist aber durchaus beachtlich für eine Branche, die nach den Verwerfungen durch die Finanzkrise auf gerade einmal neun geöffnete Produkte für Privatanleger geschrumpft war.

Zwei Faktoren haben es in den vergangenen Jahren erschwert, neue Immofonds aufzulegen. Einer davon hat mit ihrer Eigenart zu tun und gilt für jede Marktphase: Anders als Aktien oder ­Anleihen lassen sich Immobilien nicht über Nacht in großer Menge erwerben und in ein Portfolio packen. Der Aufbau eines Gebäudebestands kostet Zeit und benötigt Geduld. Mal fix einen Offenen Immobilienfonds aufzulegen, ist nicht möglich.


Der andere Faktor galt speziell für die Jahre nach der Finanzkrise und hat etwas mit der Bereitschaft zu tun, neue Produkte anzubieten. Während der Finanzkrise waren zahlreiche Fonds in Schieflage geraten. Eine große Zahl an Anlegern wollte binnen weniger Tage ihr Geld aus den Produkten abziehen. Weil dieser Ansturm die vorhandenen Barmittel aufzehrte und so schnell keine Immobilien versilbert werden konnten, mussten etliche Fonds schließen. Nachdem die Wiederöffnung gescheitert war, mussten viele Portfolios liquidiert werden.

In der Folgezeit neue Produkte auf­zulegen, erschien beinahe undenkbar. Als einer der Ersten versuchte es der Anbieter KanAm Grund. Er brachte im Juli 2013 den Leading Cities Invest auf den Markt (siehe Investor-Info unten). "Zuvor hatten wir intensive Marktbefragungen durchführen lassen, um herauszufinden, ob wirklich Bedarf an einem neuen Fonds besteht", berichtet ­Michael Birnbaum, Sprecher der Kan­Am-Gruppe. Das Experiment gelang: Der Leading Cities Invest ist mittlerweile 285 Millionen Euro schwer, und bei Kan­Am Grund ist man stolz darauf, der Erste nach der Krise der Branche ge­wesen zu sein.


Im Lauf der Jahre folgten der grundbesitz Fokus Deutschland, der Fokus Wohnen Deutschland, der Deka-ImmobilienNordamerika und der Swiss Life European Real Estate Living + Working. Jüngster Spross der Immobilienfonds-Familie ist der UniImmo: Wohnen ZBI, der im Juli 2017 aufgelegt wurde.

Markt kommt in Bewegung

Der frische Wind tut der Branche gut. "Wir begrüßen es, dass der Wettbewerb sich verstärkt und es Alternativangebote jenseits der vier großen Anbieter gibt", sagt Sonja Knorr, Immobilien­expertin bei der Ratingagentur Scope. Die großen Vier, von denen sie spricht, sind diejenigen Gesellschaften, deren Immofonds die Krise unbeschadet überstanden haben. Dazu zählen Union Investment, Deka, Commerzbank und die Deutsche-Bank-Tochter RREEF.

Wer eine echte Alternative zu den vier Anbieterriesen sucht, wird allerdings nur bei drei der sechs jungen Fonds ­fündig: beim Leading Cities Invest, dem Fokus Wohnen Deutschland und dem Living + Working. Die drei anderen Neulinge stammen aus der Werkstatt der Branchengrößen Deutsche Bank, Deka und Union Investment.

Sowohl die etablierten Produkte als auch die Newcomer haben Vor- und Nachteile. Die jungen Fonds können als Pluspunkt für sich verbuchen, dass ihre Anleger allesamt nach neuem Recht eingestuft werden - sogenannte Altanleger sind nicht beteiligt. Darunter versteht man Anteilseigner, die bis zu 30.000 Euro pro Kalenderhalbjahr ohne Einhaltung von Fristen zurückgeben können - ein Überbleibsel aus der Zeit, als neue gesetzliche Rahmenbedingungen für Offene Immobilienfonds geschaffen wurden. Heute müssen Anleger ihre Anteile mindestens zwei Jahre halten und beim Verkauf eine einjährige Kündigungsfrist beachten, früher konnten sie börsentäglich zurück­gegeben werden. In der Übergangsphase wurde die 30.000-Euro-Regelung etabliert.

Weil die neuen Fonds nicht auf überraschende Rückgaben von Altanlegern vorbereitet sein müssen, können sie ihre Liquiditätsquoten niedriger halten als die etablierten. "Dadurch wird die Rendite weniger stark geschmälert, denn Liquidität wird von den Banken derzeit mit Strafzinsen belegt", sagt Christian Roch, Geschäftsführer der RP Rheinische Portfolio Management.

Weiterer Vorteil der Neulinge: Sie sind flexibler. Mit einem Vermögen von meist wenigen Hundert Millionen Euro sind sie in der Lage, kleinere Objekte zu kaufen und gleichzeitig ihr Profil an­zupassen. Für die Schwergewichte, die teils mit mehr als zehn Milliarden Euro Volumen aufwarten, ist es unpraktikabel, Gebäude zu kaufen, die nur zehn oder 20 Millionen Euro wert sind. Gerade hier können sich aber lukrative ­Gelegenheiten ergeben, die die Neulinge gern nutzen.

Auch die Ausrichtung der Riesen lässt sich nur schwer ändern, weil einzelne Anpassungen kaum Auswirkungen auf das Gesamtportfolio entfalten. "Kleinere Fonds können hingegen leichter neuen Trends folgen", sagt Roch.

Einige der Neulinge bieten zudem den Vorteil, mit ihnen in den Wohnimmobilienmarkt einsteigen zu können. Dieser verhält sich wesentlich stabiler als der Markt für Büroimmobilien, deren Bedarf sich nach dem Auf und Ab der Konjunktur richtet.

Wenig günstige Gelegenheiten

Nachteilig wirkt sich auf die jungen Immofonds das aktuelle Preisniveau aus. "Sie müssen ihr Portfolio während einer Hochpreisphase aufbauen", erklärt Scope-Expertin Knorr. "Die alten Produkte haben dagegen den Vorteil, über verschiedene Marktphasen angekauft zu haben." Das verschafft Letzteren einen gewissen ­Puffer im Fall eines Abschwungs.

Drei empfehlenswerte junge Fonds stellt €uro am Sonntag in der Investor-Info vor. Sie reichen vom klassischen Profil mit dem Schwerpunkt auf Gewerbe­immobilien über einen breiten Mix der Nutzungsarten hin zu einem reinen Wohnimmobilienfokus. Anleger, die ihr Depot mit einem Offenen Immobilienfonds ergänzen möchten, erhalten mit diesen solide Produkte.

Investor-Info

Leading Cities Invest
Europas stärkste Städte
Der Leading Cities Invest von KanAm Grund ist der älteste der neuen Immobilienfonds und seit etwas mehr als fünf Jahren auf dem Markt. In dieser Zeit erwirtschaftete er knapp über drei Prozent Rendite im Jahr. Aktuell dominieren Bürogebäude das Portfolio mit einem Anteil von 73 Prozent. Objekte der Nutzungsarten Handel, Hotel und Logistik sowie Ärztehäuser ergänzen es. Investiert wird in Städte mit besten Zukunftsaussichten in ganz Europa.

SL Living + Working
Ausgewogene Mischung
Der Name des Swiss Life European Real Estate Living + Working ist Programm. Gekauft werden Immobilien, die verschiedene Facetten der Bereiche Leben und Arbeit abdecken. Büros, Einzelhändler, Gesundheitszentren und Wohnungen sollen jeweils ungefähr ein Viertel des Portfolios ausmachen. Der Living + Working ist damit bei den Nutzungsarten sehr breit diversifiziert. Bisher wurden neun Gebäude in Deutschland und den Benelux-Staaten erworben.

Fokus Wohnen Deutschland
Gewohnt wird immer
Wohnimmobilien stehen beim Fokus Wohnen Deutschland im Mittelpunkt. Darüber hinaus investiert der Fonds in Nutzungen, die für ein lebenswertes Umfeld wichtig sind. Dazu zählen Senioren- und Sozialimmobilien sowie Ärztehäuser und Kindergärten. Auch Wohnhäuser mit integrierten Gewerbeeinheiten werden gekauft. Zurzeit sind Anteile des Fonds nur über die Börse erhältlich, weil ein Cash-Stopp gilt. Dieses Verfahren gewähr­leistet, dass nur dann frisches Geld zufließt, wenn Investitionen anstehen.





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