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Lateinamerika: Profiteure und Verlierer der US-Politik

18.12.16 15:00 Uhr

Lateinamerika: Profiteure und Verlierer der US-Politik | finanzen.net

Die Entwicklungen in den USA bewegen die Volkswirtschaften in Mittel- und Südamerika. Manche leiden darunter, andere könnten profitieren.

Werte in diesem Artikel

von Christoph Platt, Euro am Sonntag

Es war eine der markantesten Forderungen im Wahlkampf Donald Trumps: Der Republikaner versprach, eine Mauer zwischen den USA und Mexiko zu errichten, um der illegalen Einwanderung Einhalt zu gebieten. Das bejubelten die einen und schockierte die anderen.



Nun wird Trump Präsident der Ver­einigten Staaten. Wer seine Forderung bislang für Irrsinn hielt, könnte bald eines Besseren belehrt werden. Anders als an manch anderem Versprechen will Trump am Mauerbau festhalten.

Schon während des Wahlkampfs haben seine Äußerungen tiefe Spuren hinterlassen. Vor allem Mexiko litt und leidet unter dem Gepolter des Milliardärs. Die Kurse mexikanischer Aktien und stärker noch der Wechselkurs des Peso fielen, sobald Trumps Umfragewerte stiegen. Am 9. November, dem Tag, als Trumps Sieg feststand, brachen sie ein (siehe Investor-Info unten).


Mexiko wurde von allen Staaten Mittel- und Südamerikas am härtesten getroffen. Doch auch andere Länder der Region sind direkt oder indirekt betroffen. Der Brasilianische Real etwa gab im November um fast sechs Prozent nach, die Börse in São Paulo um 4,7 Prozent.

Dass Mexiko besonders unter Druck steht, liegt an seiner engen Verbundenheit mit den USA. "Rund 80 Prozent der Exporte gehen in die Vereinigten Staaten", sagt Peter Taylor, Experte für Lateinamerika-Aktien bei Aberdeen Asset Management. Die Wirtschaft beider Länder, besonders die Automobilindustrie, ist eng miteinander verwoben. "Viele Produkte gehen während ihrer Fertigung mehrmals über die Grenze."


Die Ankündigung wirtschaftlicher Brüche belastet das Land deshalb besonders stark. So tönte Trump, Waren aus dem Ausland mit Einfuhrzöllen von 35 Prozent belegen zu wollen. Gleichzeitig stellte er das NAFTA-Abkommen infrage, das einen weitgehend freien Handel zwischen Kanada, den USA und ­Mexiko ermöglicht. Eine Aufkündigung wäre ein Desaster für Mexiko, dessen Wirtschaft nach dem Inkrafttreten des Abkommens 1994 deutlich zulegte.

Die Schwäche der anderen Länder Lateinamerikas nach Trumps Sieg resultiert weniger aus der Sorge, der Handel könne eingeschränkt werden. Denn sie sind weniger eng mit den Vereinigten Staaten verbunden. Den zweithöchsten Anteil an Exporten in die USA hat ­Kolumbien, doch er beträgt nur 25 Prozent - eine signifikante Größe zwar, doch gering im Vergleich zu Mexiko.

Steigende Zinsen als Belastung

Unter Druck gerieten lateinamerikanische Aktien und Währungen vielmehr, weil Trumps Pläne den Dollar stärkten und die US-Zinsen steigen ließen. Dadurch werden die Vereinigten Staaten für heimische Anleger attraktiver und sie müssen weniger ins Ausland ausweichen, um höhere Erträge zu erzielen. Vor allem Schwellenländer sind von diesen Mittelabflüssen betroffen. Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed sind für sie deshalb unerfreulich.

Die Chancen für eine schnelle und deutliche Zinserhöhung durch die Fed sind jedoch gering. "Trump hat schließlich versprochen, Arbeitsplätze zu schaffen, und muss für Wachstum sorgen, um das halten zu können", so Thomas Rutz, Fondsmanager für Schwellenländeranleihen bei MainFirst. "Wenn sich die Lage weltweit nach dem US-Wahlergebnis wieder beruhigt hat, könnten die Schwellenländer zu den Profiteuren gehören."

Brasilien, die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas, hat auch ohne Trump genug eigene Probleme. Noch immer ist das Land in einer Rezession gefangen, der lähmende Korruptionsskandal um den halbstaatlichen Ölkonzern Petro­bras dauert an. Präsident Michel Temer bemüht sich zwar, Staatshaushalt und Wirtschaft zu sanieren, doch der Weg ist weit und Temer muss verkraften, dass sein Kabinett erodiert. Sechs Mitglieder hat er seit seinem Amtsantritt vor sechs Monaten verloren, zuletzt Senatspräsident Renan Calheiros am Mittwoch. Für Entspannung sorgen immerhin die gestiegenen Rohstoffpreise, die dem so wichtigen Grundstoffsektor höhere Einnahmen bescheren.

Die Börse hat die Hoffnung auf bessere Zeiten bereits vorweggenommen. Der Leitindex Bovespa stieg 2016 um 42 Prozent. Und weil sich gleichzeitig die Landeswährung Real erholte, kletterten die Kurse aus Sicht von Euro-Anlegern um rund 60 Prozent.

Trotz aller Unwägbarkeiten könnten Trumps Pläne Brasilien sogar nützlich sein. Der designierte Präsident will massiv in Infrastruktur investieren - und die Rohstoffe dafür könnten aus Brasilien kommen. "Aus Sicht von Rohstoffproduzenten ist das, was Trump vorhat, sicher förderlich", sagt Rutz. Die Staaten Lateinamerikas seien größtenteils Nettoexporteure von Rohstoffen, erklärt er.

Wie sich die Länder Lateinamerikas entwickeln werden, hängt zum einen von der Wirtschafts- und Geldpolitik der USA ab, für die Rohstoffproduzenten entscheidender ist jedoch die Entwicklung Chinas, dessen Rohstoffhunger vielen Ländern Lateinamerikas nützt. Am bedeutsamsten wird indes sein, ob es den Ländern gelingt, Wirtschaftsreformen anzustoßen - hier besteht ein großer Nachholbedarf.

Für Mexiko wird es vor allem darum gehen, ob Trump seine Vorhaben wie angekündigt umsetzt. "Fällt seine Politik moderater aus als befürchtet, ist eine Erholung in Mexiko möglich", sagt Taylor. Für Brasilien wird wie meist die Entwicklung der Rohstoffpreise entscheidend sein. Maßgeblich ist zudem, ob es der Wirtschaft gelingt, wieder auf den Wachstumspfad zurückzukehren.

Jenseits der Schwergewichte

Andere Volkswirtschaften Lateinamerikas, etwa Argentinien, Chile und Peru, spielen eine kleinere Rolle. "Argentinien ist zwar die größte Turn­around-Geschichte der Region in den vergangenen Jahren", so Taylor, "doch der Weg zu einer echten wirtschaftlichen Erholung ist noch lang." Für Aktienanleger ist der Markt zudem recht klein. In Chile und Peru finden sich zwar durchaus einige attraktive Unternehmen, auf der Aktienseite ist von diesen beiden Ländern aber nur Chile, das reichste Land der Region, nennenswert in Lateinamerika-Fonds vertreten. "In Chile ist die linke Regierung ziemlich unbeliebt", sagt Taylor. Die Hoffnung der Anleger ruht darauf, dass bei der Präsidentschafts- und Parlamentswahl in knapp einem Jahr eine gemäßigte Partei ans Ruder kommt und eine wirtschaftsfreundlichere Politik betreibt.

In Peru dürfte sich unter dem im Juni gewählten Präsidenten Pedro Pablo ­Kuczynski eine wirtschaftsliberale Politik etablieren. "Dieser Wechsel von Populisten zu Technokraten tut dem Land gut", sagt Taylor. Die Umsetzung eines wirtschaftsfreundlicheren Kurses sei für ganz Lateinamerika die Voraussetzung für Fortschritt.

Investor-Info

Mexikanischer Peso
Wahlindikator wider Willen

Die mexikanische Währung wurde zum Gradmesser für die Erfolgsaussichten Donald Trumps bei der Wahl zum US-Präsidenten. Wenn er in den Umfragen zulegte, verlor die Devise gegenüber dem Dollar und umgekehrt. Als Trump die Wahl gewann, stürzte der Peso um zwölf Prozent ab.

Stewart Latin America
Aktienklassiker mit Format

Von 2012 bis 2015 war Lateinamerika keine lukrative Anlageregion. Dem Stewart Latin America gelang es dennoch, auf Fünfjahressicht eine anständige Rendite von 34 Prozent zu erzielen. Damit ist er bester Fonds für Lateinamerika-Aktien in diesem Zeitraum. Brasilianische und chilenische Titel haben zurzeit das höchste Gewicht. Leider ist der Fonds momentan nur mit vollem Ausgabeaufschlag von vier Prozent erhältlich.

Mainfirst EM Corp. Bond BAl.
Zinssammler ohne Furcht

Der MainFirst Emerging Markets Corporate Bond Fund Balanced investiert in Unternehmensanleihen aus Schwellenländern, die in Hartwährungen notieren. Fondsmanager Thomas Rutz sucht weltweit nach attraktiven Werten mit hohen Zinsen, ist zuletzt aber vor allem in Lateinamerika fündig geworden: Sein Portfolio besteht zu 63 Prozent aus Anleihen aus dieser Region. Diese seien im Vergleich zu Titeln aus anderen Schwellenländern sehr günstig bewertet.

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Bildquellen: Bryan Busovicki / Shutterstock.com, Filipe Frazao / Shutterstock.com

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