Euro am Sonntag-Einschätzung

China im Wandel: Performer fürs Depot

28.06.16 15:00 Uhr

China im Wandel: Performer fürs Depot | finanzen.net

Chinas Wirtschaft wandelt sich, doch noch hakt es an vielen Stellen. Bei welchen Schritten sich das Reich der Mitte gedulden muss, wo die Risiken und Chancen für Anleger liegen.

von Christoph Platt, Euro am Sonntag

Richtig glücklich sieht Angela Merkel nicht aus, doch zumindest die Mitglieder ihrer Wirtschaftsdelegation lächeln zufrieden. Während des Besuchs der Bundeskanzlerin in China zu Beginn der vergangenen Woche wurden 24 Vereinbarungen mit einem Wert von knapp drei Milliarden Euro getroffen. Ökonomisch gesehen war die Reise ­somit ein Erfolg.



Doch es läuft nicht alles rund zwischen China und Deutschland. Die Kanzlerin wandert auf einem schmalen Grat - einerseits will sie wirtschaftliche Beziehungen pflegen, andererseits Missstände ansprechen. Letzteres tat sie auch: Produktpiraterie macht deutschen Unternehmen Sorgen, die Rechtsunsicherheit ist hoch, ausländische Investoren werden bürokratisch behindert und ungleich behandelt. Ganz zu schweigen von der Situation der Menschenrechte.

China will mehr Anerkennung China ist bereits Großmacht. Doch das Land würde gern noch weiter vorn mitspielen. Es gilt weiterhin nicht als Marktwirtschaft. Diesen Status hat die EU vor 15 Jahren dem Reich der Mitte für 2016 in Aussicht gestellt, doch aktuell hält sie sich mit dieser Anerkennung zurück. Zu groß ist die Angst, nach einem solchen Schritt nicht mehr gegen Chinas Dumpingpreise vorgehen zu können.

Auch auf dem Aktienmarkt müssen sich die Chinesen in Geduld üben. Schon länger steht im Raum, dass die in Shanghai gehandelten A-Aktien in den Leit­index für Schwellenländer, den MSCI Emerging Markets, aufgenommen werden. Doch am Dienstag entschied sich der Indexanbieter MSCI vorerst dagegen: Der Zugang von Ausländern zu den Finanzmärkten sei noch verbesserungswürdig. "Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis A-Aktien in den Index aufgenommen werden", so Wolfgang Fickus, Mitglied im Investmentkomitee der Fondsgesellschaft Comgest, die vor allem in Schwellenländern aktiv ist.


Von Mitte 2014 bis Juni 2015 hatten A-Aktien eine Hausse erlebt, bei der die Kurse um fast 150 Prozent in die Höhe geschossen waren. Vor genau einem Jahr kam dann der Rückschlag: Binnen weniger Wochen fiel der CSI 300, der die wichtigsten A-Aktien enthält, um mehr als 40 Prozent. Der Hype, der vor allem durch chinesische Privatanleger getrieben wurde, war vorüber.

Global wäre das früher nur eine Randnotiz gewesen. Doch heute bewegen Wirtschaftsdaten und Börsenkurse aus China auch im Rest der Welt die Aktienkurse enorm. Immer wieder wird die Gefahr diskutiert, dass Chinas Wirtschaft ihr starkes Wachstum nicht beibehält.


Zuwächse beim Bruttoin­lands­produkt (BIP) von acht Prozent und mehr pro Jahr gehören ­ohnehin schon länger der Vergangenheit an. Die chinesische Regierung hat für das laufende Jahr 6,5 Prozent als Ziel ausgegeben. Anfang 2016 sah es so aus, als könne selbst diese - für chinesische Verhältnisse moderate - Zahl nicht erreicht werden.

Aber die jüngsten Daten lassen hoffen, dass dies doch gelingt. Nach aktuellen Zahlen aus der Industrie und vom Einzelhandel deutet ein Indikator der Nachrichtenagentur Bloomberg auf ein BIP-Plus von 6,9 Prozent hin. So ist der Industrieausstoß im Vergleich zum Vorjahr um sechs Prozent gestiegen, der Umsatz im Einzelhandel um zehn Prozent. Zuvor hatten sich auch die Importdaten und die Entwicklung der Verbraucherpreise aufgehellt - beides Indizien für eine wieder anziehende Inlandsnachfrage.

Wandel im Reich der Mitte

Das moderatere Wachstum ist Zeichen einer Umwälzung, die China seit einigen Jahren durchläuft. Nicht mehr der Export, sondern der inländische Konsum soll Stütze der Wirtschaft sein. Auf diese Weise will man ein zwar langsameres, aber stabiles und beständiges Wachstum erreichen. Und das Konzept scheint aufzugehen. "Mittlerweile stammen zwei Drittel des Wachstums aus dem inländischen Konsum", sagt Mike Shiao, der den Aktienfonds Invesco Greater China managt.

Gleichwohl kämpft das Land weiterhin mit Problemen. Der Staat kontrolliert den Großteil der Unternehmen, Ineffizienzen werden nur langsam abgebaut. "Weitere Reformen sind dringend notwendig, um die Wirtschaft zu deregulieren", sagt Shiao. Zudem ist die Verschuldung enorm: Sie liegt - nimmt man Staat, Private und Unternehmen zusammen - bei knapp 300 Prozent des BIP. Sorgen bereiten auch die zahllosen faulen Kredite, auf denen die Banken sitzen. "Die faulen Kredite sind eine der großen Un­bekannten, die Anleger derzeit vor chinesischen Aktien zurückschrecken lässt", sagt Comgest-Experte Fickus.

Differenzierte Betrachtung

Fondsmanager Shiao hält die Skepsis vieler Anleger jedoch für übertrieben. Er verweist auf das große Potenzial, das sich Firmen im Reich der Mitte insbesondere aufgrund der hohen Bevölkerungszahl von mehr als 1,3 Milliarden Menschen bietet.

Außerdem warnt er davor, China undifferenziert zu betrachten. "Investoren neigen dazu, China als eine riesige Einheit zu sehen, ohne auf die Details zu achten", sagt er. Wichtig sei, sich auf wirtschaftsstarke Regionen und auf schnell wachsende Unternehmen, die nicht vom Staat beherrscht werden, zu konzentrieren.

Dass China wieder zu Wachstumszahlen wie vor zehn Jahren zurückkehren wird, ist so gut wie ausgeschlossen. Anleger werden sich auf BIP-Zuwächse von sechs bis 6,5 Prozent einstellen müssen. Inwiefern sich dieses absolut betrachtet noch immer hohe Wachstum in den Aktienkursen widerspiegeln kann, hängt von wirtschaftlichen Reformen und der Professionalisierung des Kapitalmarkts ab. "Strukturell gesehen ist China langfristig auf einem guten Weg", sagt Fickus. Kurzfristig gesehen wird die Skepsis der ­Anleger gegenüber China aber vorerst wohl anhalten.

Investor-Info

Comgest Gr. Greater China
Qualität mit Wachstum

Der Comgest Growth Greater China kauft qualitativ hochwertige Unternehmen aus China, Taiwan und Hongkong, die mit großer Wahrscheinlichkeit stabil wachsen. Fast ein Drittel des Vermögens steckt im IT-Sektor. Auch die Sektoren zyklische Konsumgüter, Industrie und Finanzen spielen eine signifikante Rolle, Banken bleiben aber außen vor. Neben guter Langfristperformance überzeugt er mit fairen Kosten und einem konzentrierten Portfolio.

Invesco Greater China
Erfolgsrezept Konsumgüter

Wer schwerpunktmäßig auf Konsum setzen will, findet im Invesco Greater China ein sehr gutes Produkt. Fast die Hälfte des Vermögens steckt in den Sektoren zyklischer Konsum und Basiskonsum. Auch Aktien aus der IT-Branche spielen mit 28 Prozent ­Anteil eine große Rolle. Finanzwerte sind momentan überhaupt nicht im Portfolio. Ebenfalls langfristig top.

Chinesische Wirtschaft
Dynamik lässt nach

Zwischen 2002 und 2011 wuchs Chinas Wirtschaft jährlich um mehr als neun Prozent. 2015 fiel das Wachstum erstmals seit 25 Jahren auf weniger als sieben Prozent. Das schürt Ängste, die Verlangsamung könne sich fortsetzen. Für 2016 und 2017 rechnet der Internationale Währungsfonds mit einem Plus von 6,5 und 6,2 Prozent. Anschließend soll sich das Wachs­tum bei sechs Prozent pro Jahr einpendeln.

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