Publikumsfonds

Neuer Schock bei Offenen Immobilienfonds

17.02.10 18:00 Uhr

Der deutliche Wertverlust eines semiinstitutionellen Immobilienfonds sorgt für Empörung. Ein weiterer Publikumsfonds wird eingefroren.

von Christoph Platt, Euro am Sonntag

Einmal ist keinmal, heißt es: Ein Ausrutscher ist jedem erlaubt. Auf dieses Sprichwort kann sich die Branche der Offenen Immobilienfonds seit dieser Woche nicht mehr berufen. Nachdem im Sommer der Morgan Stanley P2 Value mit einer massiven Senkung seines Anteilswerts schockiert hatte, tat es ihm der Degi Global Business nun gleich: Sein Wert fiel am Montag um 21,6 Prozent und übertraf damit den Rückgang des P2 Value noch einmal deutlich. Der Verlust war der höchste eines Offenen Immobilienfonds in der 50-jährigen Geschichte der Produktgattung.

Grund für den Rückgang sind Berichtigungen im Immobilienbestand des Fonds. Ihm attestierten die Gutachter einen um 13,8 Prozent verringerten Wert. In Verbindung mit den Krediten, die der Fonds aufgenommen hat, reduzierte das den Wert eines Anteils um gut ein Fünftel. Weil der Degi Global Business ein semiinstitutioneller Fonds mit einer Mindestanlagesumme von 75 000 Euro ist, sind private Anleger kaum von dem Desaster betroffen. Auch spielt das Vehikel im Universum der Immobilienfonds wegen seiner relativ geringen Größe nur eine unter­geordnete Rolle.

Beides kann jedoch nicht über die Schockwirkung hinwegtäuschen, die die Nachricht auslöste. „Der psychologische Schaden für die Branche ist enorm“, sagt Max Schott, Manager des Immobiliendachfonds Smart-invest Liquid Real Estate. „Die Abwertung ist ein mittlerer Tsunami.“ Von der Monsterwelle wurde am Dienstag der TMW Immobilien Weltfonds erfasst. Das Produkt, das nach halbwegs ausgestandener Liquiditätskrise erst vor zwei Monaten wieder geöffnet hatte, musste erneut dichtmachen. Institutionelle Anleger, die beim TMW-Fonds fast zwei Drittel der Anteilseigner ausmachen, hatten nach der Hiobsbotschaft des Degi-Fonds Geld abgezogen. Damit wurde das relativ dünne Liquiditätspolster, das Ende Januar bei 5,8 Prozent lag, weiter verringert, sodass die Schließung nötig wurde.

TMW zeigte sich empört über die Abwertungen bei Degi. „Wir fühlen uns in Sippenhaft genommen“, monierte Klaus Trescher, Aufsichtsratsvorsitzender der TMW Pramerica Property Investment GmbH. „Es ist mir völlig unverständlich, wie ein turnusmäßig bewertetes Portfolio derart schlagartig implodieren kann“, übte er Kritik an Degi.

Die Abwertung weckt in der Tat Zweifel an den Bewertungen. Ein Büro­gebäude in Bukarest wurde um 48 Prozent abgewertet, ein Einkaufszentrum in Zagreb um gut ein Drittel – beides in weniger als einem Jahr. „Dass Wertberichtigungen kommen würden, war zwar klar“, sagt Branchenkenner Schott, „doch das Ausmaß überrascht und ist sicherlich Grund genug, hier auch Nachforschungen anzustellen.“

Seit gut 15 Monaten kommt die Branche der Offenen Immobilienfonds nicht zur Ruhe. Im Oktober 2008 stellte ein gutes Dutzend Fonds die Rücknahme der Anteile ein. Die Finanzkrise hatte dafür gesorgt, dass Anleger massiv ihr Geld abzogen – damals nicht aus Misstrauen gegenüber der Branche, sondern weil nach der Lehman-Pleite so gut wie alle Vermögenswerte zu Geld gemacht wurden.

Vielen Fonds gelang es im Lauf des vergangenen Jahres, ihre Pforten wieder zu öffnen. Sie erhöhten ihre Liquiditätsquote, indem sie Festgelder auflösten, Gebäude verkauften und neue Kredite aufnahmen. Sobald sie sich in der Lage sahen, den ersten Ansturm der ausstiegswilligen Anleger zu überstehen, öffneten sie.

Bei vier Immobilienfonds fruchteten die Maßnahmen jedoch nicht: Sie mussten im Oktober 2009 die Aussetzung der Anteilsscheinrücknahme um ein Jahr verlängern. Zu diesen Fonds gehörten der Degi Eu­ropa, der KanAm US-Grundinvest, der Morgan Stanley P2 Value und der TMW Immobilien Weltfonds.

Letzterer schaffte es im Dezember 2009, seine Liquidität dank einiger Objektverkäufe so weit zu erhöhen, dass er wieder öffnen konnte. Dass er jetzt erneut dichtmachen musste, schockt Finanzbranche und Anleger genauso wie die neuerliche Schließung des AXA Immoselect und des Degi International im November 2009. Beide Fonds hatten im Oktober 2008 die Rücknahme ihrer Anteilsscheine aussetzen müssen, konnten aber 2009 im Januar (Degi International) und August (AXA Immoselect) den Handel wieder aufnehmen.

Anlegern der sechs eingefrorenen Fonds, die an ihr Geld kommen möchten, bleibt derzeit nur der Weg über die Börse. An der Fondsbörse in Hamburg können sie ihre Anteile verkaufen – doch nur zu einem Preis, der deutlich geringer ist als der von der jeweiligen Fondsgesellschaft veröffentlichte Wert.

Hinter den Preisabschlägen steckt die Angst, dass weitere Ab­wertungen drohen. Diese müssen nicht unbedingt durch gutachtlicher Wertberichtigungen ausgelöst werden: Da auf dem Immobilienmarkt derzeit wenig gehandelt wird, könnte es passieren, dass einige Fonds ihre Objekte zwecks Liquiditätsbeschaffung zu einem niedrigen Preis verkaufen müssen. Gleichwohl halten einige Experten die Abschläge an der Börse für übertrieben. Sie attestieren insbesondere dem TMW Immobilien Weltfonds und dem AXA Immoselect werthaltige Portfolios.

Ab wann die fünf Gesellschaften die Anteile ihrer Fonds wieder zurücknehmen werden, ist offen. Angesichts des neuerlichen Rückschlags für die Branche ist damit nicht so bald zu rechnen. Trotz der Krise haben Offene Immobilienfonds ihre Daseinsberechtigung nicht verloren. Denn sie sind die einzige Möglichkeit, mit überschaubaren Beträgen in Immobilien zu investieren, ohne sich den Schwankungen der Aktienmärkte auszusetzen. Anleger, die einen Fonds kaufen wollen, sollten aber genau hinschauen. Zum einen hilft ein Blick auf die Jahresperformance: Eine gute Wertentwicklung in den vergange­nen zwölf Monaten ist ein Zeichen für Stabilität. Darüber hinaus sollten die Restlaufzeiten der Mietverträge möglichst lange oder zumindest ausgewogen verteilt sein. Momentan empfehlenswert ist zudem, dass die Gebäude im Portfolio größtenteils in Westeuropa stehen.