Marktanalyse

Russland: Auf der Suche nach Cash

03.08.10 10:03 Uhr

Russland will Anteile an Staatskonzernen verkaufen. Das spült Geld in die leeren Kassen und wirkt vertrauensbildend.

Werte in diesem Artikel

von Andreas Höß, Euro am Sonntag

Man könnte Russland mit einem Öltanker vergleichen: groß, schwer und den Bauch mit Öl gefüllt. Auch wirtschaftliche Kursänderungen dauern häufig etwas länger. Umso überraschender ist die Ankündigung, dass Russland die größte Privatisierungswelle seit der Ära Jelzin in den frühen 90er-Jahren starten will. Zumal Anteile von Staatskonzernen veräußert werden, die durchaus als Filetstücke zu bezeichnen sind.

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Unter den Angeboten sind das Pipelineunternehmen Transneft sowie der größte Ölförderer des Landes, Rosneft. Auch Staatsanteile der Großbanken Sberbank und VTB Group werden versilbert. Allerdings will der Kreml in den Konzernen jeweils eine strategische Mehrheit behalten. 22,3 Milliarden Euro sollen in den kommenden Jahren durch den Verkauf von Anteilen mehrerer Hundert Unternehmen erzielt werden. Nötig ist diese Finanzsspritze, um das Haushaltsdefizit in Moskau im laufenden Jahr unter fünf Prozent des Bruttinlandsprodukts zu drücken. 2009 lag das Defizit bei sechs Prozent, nachdem 2008 noch ein Überschuss von vier Prozent zu Buche stand. Doch im Vergleich zu anderen Staaten ist dieses Defizit kaum besorgniserregend. Besonders, da man im Kreml auf die Einnahmen aus dem Ölgeschäft bauen kann. Laut einer Studie des Ölkonzerns BP hat Russland 2009 Saudi-Arabien als weltweit größten Ölproduzenten überholt. Auf russischem Gebiet liegen zudem große Ölreserven. Und auch bei der Produktion von Erdgas rangiert Russland auf Platz 2, knapp hinter den USA.

Daneben geht es mit den wirtschaftlichen Fundamentaldaten berg­auf. Der IWF schätzt das Wirtschaftswachstum 2010 auf 4,3, Analysten von JP Morgan auf fünf Prozent. Die Industrieproduktion stieg im Mai um 12,6 Prozent gegenüber Mai 2009. Die Arbeitslosigkeit sank seit dem Höhepunkt der Krise von 8,7 auf 7,2 Prozent. Das kurbelt auch den Binnenkonsum an. Die Verkäufe im Einzelhandel legten im Juni um 5,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu.

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Trotz guter Wirtschaftsperspektiven stellt für Investoren der Umstand, dass der Markt von staatlichen Eingriffen und Korruption geprägt ist, noch immer ein großes Problem dar. Um die Modernisierung zu beschleunigen und Moskau wie geplant zu einem internationalen Finanzplatz auszubauen, sind aber ausländische Investoren nötig. Dass die Auktion der Staatsanteile bei Rosneft, Sberbank und Co für internationale Investoren offen sein soll, kann als Zugeständnis des Kremls an die ausländischen Geldgeber und deren Sorgen gesehen werden. Sie fordern nämlich schon lange einen besseren Zugang zum russischen Markt und zur russischen Börse, die in den vergangenen zwölf Monaten um 45 Prozent gestiegen ist. Spannend wird deshalb sein, ob der russische Öltanker nun tatsächlich marktwirtschaftlicheres Gewässer ansteuert.

Ausgewählte Russland-Aktienfonds
DWS Russia (ISIN LU 014 686 479 7), Wertentwicklung seit 1.1.2010: 19,2 % HSBC GIF Russia AC (ISIN: LU 032 993 109 0), Wertentwicklung seit 1.1.2010: 15,0 %
PIA Russia Stock VT (ISIN AT 000 066 827 2), Wertentwicklung seit 1.1.2010: 16,5 %