Klaus Kaldemorgen: Mehr Schmerzen als Gewinne
Klaus Kaldemorgen ist Deutschlands renommiertester Fondsmanager. Warum der DWS-Star jetzt lieber Aktien statt Staatsanleihen kauft, aber keine Rally an den Börsen erwartet.
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von Peter Gewalt, €uro am Sonntag
Klaus Kaldemorgen ist das Aushängeschild der DWS und war bis Ende 2010 Chef der Fondstochter der Deutschen Bank. Der 57-Jährige managt unter anderem die Flaggschiffe DWS-Vermögensbildungsfonds I und DWS Akkumula. Seit vergangener Woche ist zudem ein neuer Fonds mit seinem Namen auf dem Markt. €uro am Sonntag sprach mit dem Manager über Zeit, Rendite und Freiheit.
€uro am Sonntag: Herr Kaldemorgen, vor knapp einem halben Jahr haben Sie den Geschäftsführerposten bei der DWS mit der Begründung aufgegeben, sich wieder stärker auf Ihre eigentliche Aufgabe als Fondsmanager konzentrieren zu wollen. Bereuen Sie die Entscheidung?
Klaus Kaldemorgen: Nein, auf keinen Fall. Denn die Doppelfunktion als Geschäftsführer und Fondsmanager war zeitlich einfach nicht mehr zu schaffen. Ich habe zwar jetzt nicht mehr Zeit, kann die vorhandene aber wieder darauf verwenden, mich stärker um unsere Kunden, die Finanzmärkte und das Management meiner Fonds zu kümmern.
2010 haben der DWS-Vermögensbildungsfonds I und der DWS Akkumula vergleichsweise schlecht abgeschnitten. War die Belastung für Sie zu hoch?
Mit der Wertentwicklung beider Fonds im vergangenen Jahr kann ich tatsächlich nicht zufrieden sein. Ich habe die Schuldenkrise in Europa und die negativen Auswirkungen auf den Euro unterschätzt. Zudem habe ich nicht erwartet, dass die Weltwirtschaft so kräftig wächst, und daher zu stark auf defensive Titel gesetzt.
Auffällig ist, dass sich Ihre Fonds besser entwickeln, seitdem Sie sich wieder stärker dem Fondsmanagement zuwenden.
Wie gesagt, ich habe nun mehr Zeit, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Außerdem sind mir in diesem Jahr im Gegensatz zu 2010 keine größeren Fehleinschätzungen unterlaufen.
Sind große Aktienfonds wie der DWS-Vermögensbildungsfonds I angesichts der rasanten Entwicklungen auf den Finanzmärkten denn noch zeitgemäß? Den Dickschiffen scheint die nötige Beweglichkeit zu fehlen.
Das sehe ich nicht so. Es stimmt zwar, dass sich milliardenschwere Fonds schwerer tun, in kleine bis mittelgroße Unternehmenswerte zu investieren. Das ist sicher in Jahren wie 2010 ein Nachteil, wenn Aktien aus dem Small- und Mid-Cap-Segment besonders gefragt sind. Dennoch habe ich als Fondsmanager genug Möglichkeiten, über Investments in große Unternehmen von regionalen, zyklischen und sektoralen Trends zu profitieren.
Viele Investoren wenden sich aber stärker den Fonds zu, die flexibel sind und nicht nur auf eine Anlageklasse setzen können.
Das ist richtig. Viele Anleger erwarten heute, dass auch in schlechten Marktphasen Gewinne erzielt oder zumindest die Verluste eingedämmt werden. Und da tun sich reine Aktienfonds schwerer, die nicht einfach in 100 Prozent Cash gehen oder sogar auf fallende Kurse setzen dürfen.
Ist das der Grund, weshalb Sie nun mit dem DWS Concept Kaldemorgen auf den Markt kommen, der in verschiedene Anlageklassen investieren darf?
Ja, denn die Nachfrage ist da.
Das neue Produkt wird als Total-Return-Fonds vertrieben. Was dürfen sich Anleger darunter vorstellen?
Ziel des Fonds ist es, dass Anleger zu zwei Dritteln an steigenden, aber nur zu einem Drittel an fallenden Kursen beteiligt sind. Zudem wollen wir die jährlichen Verluste auf einen einstelligen Bereich begrenzen.
Wie wollen Sie das bewerkstelligen?
Ich genieße bei dem neuen Produkt als Fondsmanager sehr viele Freiheiten. Ich kann je nach Marktlage in Aktien, Anleihen, Währungen und Gold investieren. Ich habe zudem im Gegensatz zu meinen bisherigen Fonds die Möglichkeit, das Marktrisiko zu begrenzen, indem ich über Derivate absichere. Und ich kann bei einzelnen Aktien auf fallende Kurse setzen.
Im Prinzip ist der neue Fonds also ein Hedgefonds.
Wir bedienen uns einiger Hedgefondsstrategien, aber verzichten auf viele andere Methoden der Branche. So hebeln wir nicht über Kredite, und der Fonds ist täglich handelbar.
Wie haben Sie sich aktuell positioniert?
Wir haben uns eher auf eine Seitwärtsbewegung am Aktienmarkt eingestellt und sind erst zu 30 Prozent in Aktien investiert. Diese Position hat bisher auch keinen Beitrag zur Wertentwicklung des Fonds geleistet. Dagegen konnten wir mit Derivaten Gewinne erzielen, indem wir Calls geschrieben haben, als der Markt sehr fest war, und in Puts investiert waren, als es nach unten ging.
Seitwärtsbewegung am Aktienmarkt – das klingt nicht danach, als ob Sie mit starken Gewinnen rechnen?
Nein, derzeit ist es wirklich schwer, an den Börsen Geld zu verdienen.
Was sind die Ursachen?
Die Gemengelage weltweit ist schwierig. Es sind einige Trends gebrochen, die wie die Rohstoff- und Schwellenländermärkte im Vorjahr noch für starke Gewinne gesorgt haben. Gleichzeitig wächst die Sorge um die konjunkturelle Entwicklung der USA, und in Europa schlägt die Schuldenkrise auf die Stimmung. Die Börse verursacht Anlegern in diesem Jahr deutlich mehr Schmerzen als Gewinne. Dies gilt auch für den Anleihemarkt.
Inwiefern?
Auf der einen Seite ist das Zinsniveau vor allem in den Industriestaaten weiterhin sehr niedrig, Anleihen werfen daher nicht sehr viel ab. Gleichzeitig sind Staatsanleihen aufgrund der stark steigenden Verschuldung vieler Länder im Gegensatz zu früher keine absolut sicheren Investments mehr. So gesehen spricht meiner Meinung nach auch derzeit viel mehr für Aktien als für Staatsanleihen. Denn viele Unternehmen stehen heute besser da als manche Staaten. Gleichzeitig ist das Bewertungsniveau der Aktien im Schnitt noch nicht hoch.
Anfang des Jahres hatten Sie einen DAX-Stand von bis zu 7.600 Punkten prophezeit. Wie lautet Ihre Einschätzung heute, ein halbes Jahr später?
Damit lag ich richtig, denn die 7.600 Punkte haben wir ja schon gesehen. Aber angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen erwarte ich, dass sich der DAX den Rest des Jahres je nach Nachrichtenlage zwischen 6.900 und 7.600 Punkten bewegt.
Welche Sektoren sehen Sie als attraktiv an?
Defensive Werte wie Gesundheits- und Telekomunternehmen sind gefragt, während zyklische Unternehmen unter Druck sind. Diese Entwicklung dürfte noch eine Zeit lang anhalten.
Wie schätzen Sie die Chance ein, dass ein Staatsbankrott Griechenlands tatsächlich eintritt und die Märkte belastet?
Ich gehe davon aus, dass die Europäer den Weg des Durchwurstelns wählen. Alle Banken, mit denen wir geredet haben, setzen auf Zeit. Zeit, in der sie wieder Gewinne erzielen, um dann die drohenden Abschreibungen auf griechische Anleihen verkraften zu können. Das hat, so bin ich mir sicher, auch die Politik erkannt.
Klaus Kaldemorgen
Seine Karriere, seine Fonds
Klaus Kaldemorgen studierte Volkswirtschaftslehre an der Johannes-
Gutenberg-Universität in Mainz. Seit 1982 ist der heute 57-Jährige bei der DWS als Fondsmanager tätig. 1991 wurde er zum Leiter Internationales Aktienfondsmanagement ernannt, 2003 rückte er in die Geschäftsführung der DWS auf. Bis 2010 war er zudem vier Jahre lang DWS-Geschäftsführer.
Für den DWS Vermögensbildungsfonds I läuft es 2011 zwar besser, aber nicht wirklich gut. Der Fonds hinkt nicht mehr wie im Vorjahr dem MSCI World hinterher, verzeichnet aber wie der Vergleichsindex seit Jahresanfang ein Minus. Der DWS Concept Kaldemorgen ist seit vergangener Woche auf dem Markt. Interessantes Konzept, das sich aber erst beweisen muss. Daher sollten Anleger zunächst abwarten.