Anti-Spar-Regierung in Griechenland
Die Linkspartei Syriza ist siegreich aus den Parlamentswahlen hervorgegangen, obschon sie die absolute Mehrheit knapp verfehlte.
Alexis Tsipras, seines Zeichens Vorsitzender der Syriza und neuer Ministerpräsident, hat sich für eine Koalition mit der rechtskonservativen Partei der Unabhängigen Griechen ent-schieden. Zwar verfolgen diese beiden Parteien bei einer Vielzahl von Themen völlig unterschiedliche Richtungen, doch ist ihnen die Entschlossenheit, den Sparkurs zu beenden und einen Schuldenschnitt auszuhandeln, gemein. Für die Märkte stellt sich die bange Frage: Wird Tsipras dem Beispiel Argentiniens aus dem Jahre 2001 folgen oder dem Brasiliens aus dem Jahre 2002? Letzteres wäre der Fall, sofern Tsipras still und leise seine Wahlversprechen bricht und die Strukturreformen seiner Vorgängerregierung fortsetzt. In diesem Fall mag die Troika ihrerseits zu mehr Entgegenkommen bereit sein.
Auf den ersten Blick wäre ein Staatsbankrott zum gegenwärtigen Zeitpunkt weniger katastrophal, als dies 2012 der Fall gewesen wäre. So gibt es inzwischen einen primären Haushaltsüberschuss und die Schulden Griechenlands bestehen überwiegend gegenüber ausländischen (staatlichen) Gläubigern. Dennoch wäre dieser Prozess wirtschaftlich außerordentlich schmerzhaft: rapider Verfall der Währung, aus dem Ruder laufende Inflation und Inflationserwartungen, drastischer Anstieg der Zinsen sowie ein Rückfall in eine tiefe Rezession. Tsipras weiß um dieses Risiko, daher sein Hinweis, am Euro festhalten zu wollen.
Und das ist auch ein gewichtiger Grund, warum sich das Machtgleichgewicht in den Verhandlungen mit der Troika zu ihren Gunsten verschoben hat. Ferner kann die EZB nicht nur offen, sondern auch hinter den Kulissen erheblichen Druck ausüben. Die Zentralbank hat es geschickt verstanden, Griechenland aus ihrem Anleihenprogramm auszuschließen. Zunächst einmal müssen Non-Investment-Grade eingestufte Staaten durch ein Rettungsprogramm vor der Pleite geschützt sein, damit ihre Anleihen für den Aufkauf durch die EZB infrage kommen. Zudem darf die EZB nicht mehr als 33 Prozent der Anleihen eines bestimmten Emittenten aufkaufen, damit die Zentralbank bei Abstimmungen über eine etwaige Umstrukturierung keine Sperrminorität hat (das Verbot der monetären Finanzierung verlangt von der EZB, stets gegen einen "Haircut" zu stimmen). Da die EZB immer noch einen erheblichen Bestand an in den Jahren 2010/11 gekauften griechischen Staatsanleihen hält, kann sie sich insoweit frühestens im Juli 2015 erneut engagieren. Draghi hat bereits darauf hingewiesen, dass die Aussetzung der Sicherheitenanforderungen für griechische Banken endet, falls Griechenland seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommt. (Die gegenwärtige Regelung erlaubt den Banken als Non-Investment-Grade eingestufte Sicherheiten zu stellen.)
Daneben kann die EZB ihre aufsichtsrechtlichen Befugnisse ausüben. Es machen bereits Gerüchte die Runde, dass die EZB sich bemühen werde, den Kauf griechischer T-Bills durch griechische Banken zu beschränken. Das würde eine wichtige Einkommensquelle der griechischen Regierung ausschalten und den Fluss öffentlicher Mittel (zumindest zeitweise) unterbrechen. Doch das wirksamste Druckmittel der EZB ist die Möglichkeit, die Vergabe weiterer Darlehen im Rahmen der Emergency Liquidity Assistance ("ELA") zu stoppen. Diese Kredite werden von der griechischen Zentralbank vergeben, die das Kreditrisiko vollumfänglich auf ihre Bilanz nimmt. Sofern die griechische Zentralbank einer ELA-Sperre entspricht, könnten die massiven Kapitalabflüsse eine Bankenkrise auslösen. Entspricht der griechische Währungshüter hingegen nicht den EZB-Vorgaben, könnte die EZB Griechenland aus dem Interbank-Zahlungssystem ausschließen. Damit würde das Risiko eines Grexit Realität.
Der Rest der Eurozone hat ganz klar gute Gründe, weitestgehend an ihrer Position festzuhalten. Man will den Wählern in anderen Peripherieländern auf keinen Fall den Eindruck vermitteln, die Troika könne durch die Wahl von Parteien an den Extremen des politischen Spektrums zu weitreichenden Zugeständnissen gezwungen werden. Insofern wird die Troika aller Wahrscheinlichkeit nach weiter auf fortgesetzten Strukturreformen und dauerhaften Primärüberschüssen bestehen. Auch im Hinblick auf den Kapitalwert staatlicher Schulden wird die Troika kaum zu Zugeständnissen bereit sein. So wird sich der Barwert nur im Gegenzug für Reformen weiter verringern lassen. Das bedeutet allerdings nicht, dass es keinerlei Verhandlungsspielraum für eine weitere Senkung des Barwertes öffentlicher Schulden gibt. Auch die Laufzeiten könnten noch verlängert werden. Das käme letztlich einer Akzeptanz der griechischen Staatsschuldensituation als Dauerzustand gleich, wobei sowohl die Zinszahlung als auch der Zinssatz von der künftigen Wirtschaftsentwicklung abhängen würde. Last but not least könnte man noch etwas Entgegenkommen bei der Vorgabe zeigen, dass Griechenland den Primärüberschuss von 4,5% bereits 2016 erreicht. Wäre das der Fall, so könnte das die Wirtschaft deutlich ankurbeln.
Im Rahmen unseres Basisszenarios gehen wir weiterhin davon aus, dass Griechenland und die Troika sich auf einen Kompromiss einigen können, bei dem das Primärüberschussziel sich immer noch im positiven Bereich bewegt und der Barwert der Schulden noch weiter reduziert würde. Im Gegenzug würde Tsipras weiteren Strukturreformen zustimmen. Andererseits sind die Abwärtsrisiken infolge der unerwartet starken Unterstützung der Antispar-Parteien bei den Wahlen etwas gestiegen. Damit steigt auch das Risiko, dass derartige Parteien in an deren Peripherie-Ländern ebenfalls erheblichen Zulauf erhalten.
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**Stand: Q3 2014, 30. September 2014;
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