Fondsmanager Kaldemorgen über seine Erfolge, seine Fehler
Seit 40 Jahren ist der DWS Vermögensbildungsfonds I am Markt, seit fast 17 Jahren lenkt ihn Klaus Kaldemorgen. Das Produkt steht für Kontinuität beim Investieren in globale Aktien.
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von Christoph Platt, Euro am Sonntag
Die Begegnung mit Klaus Kaldemorgen beginnt mit einer Überraschung: Der Manager des DWS Vermögensbildungsfonds I sitzt in einem Großraumbüro, in dem es hoch hergeht. Dabei hätte es nicht verwundert, die Galionsfigur der DWS, Fondstochter der Deutschen Bank, in einem eigenen eleganten Büro anzutreffen. Zugegeben, hinter seinem Rücken sitzt niemand, und Kaldemorgen hat von seinem Schreibtisch aus den ganzen Raum im Blick. Doch ansonsten ist nicht erkennbar, dass der 56-Jährige, der nicht nur Portfoliomanager, sondern auch globaler Aktienchef und oberster Investmentmanager der DWS Gruppe Europa ist, eine herausgehobene Position innehat. Kaldemorgens Platz unterscheidet sich nicht von dem seiner Mitarbeiter.
Auch im Gespräch gibt sich der Manager bodenständig und strahlt zudem große Ruhe aus. Dabei hätte er Grund genug, eine gewisse Anspannung zu zeigen. Denn er ist verantwortlich für die Verwaltung von mehr als acht Milliarden Euro. Das Geld steckt in den von ihm gemanagten Aktienfonds DWS Akkumula und DWS Vermögensbildungsfonds I – überwiegend im zweitgenannten Produkt: Mit einem Vermögen von fünf Milliarden Euro zählt der DWS Vermögensbildungsfonds I zu den größten international anlegenden Aktienfonds.
Das Flaggschiff der DWS ist seit 1970 auf dem Markt und hat viele Höhen und Tiefen durchlebt. Kaldemorgen lenkt das Vehikel seit 1994 – meist mit großem Erfolg. So steuerte er es überdurchschnittlich gut durch die Finanzkrise: Indem er teils hohe Barbestände hielt und Finanzwerte sowie stark gehebelte Unternehmen untergewichtete, konnte er die Verluste begrenzen.
In diesem Jahr allerdings schwächelt der Fonds: Mit einem Minus von 2,1 Prozent bleibt er bislang hinter seinem Vergleichsmaßstab, dem Weltaktienindex MSCI World, zurück. Hauptgrund für die derzeit mäßige Leistung ist eine schlechte Positionierung bei den Währungen. Zum einen hat Kaldemorgen die USA in seinem Fonds im Vergleich zum MSCI World stark untergewichtet. Sein Dollaranteil ist demnach geringer als im Vergleichsindex. Von der Stärke der amerikanischen Währung gegenüber dem Euro profitierte der Fonds daher nur unterdurchschnittlich.
Ebenfalls negativ ins Gewicht fiel die Positionierung im japanischen Yen. „In Bezug auf Japan habe ich mich grandios vertan“, gibt Kaldemorgen unumwunden zu. „Ich war Anfang des Jahres optimistisch hinsichtlich der dortigen Wirtschaft und hielt die Währung eigentlich schon damals für stark“, berichtet er. Der Manager kaufte daher japanische Exporttitel und sicherte den Fonds gegen Schwankungen des Yen ab. Eine Fehleinschätzung, denn die Währung entwickelte sich zu einer der stärksten der Welt. „Ich habe keine Erklärung dafür, doch manchmal muss man eingestehen, dass man mit einer Fundamentalanalyse auch nicht alles erklären kann“, sagt er nüchtern.
Egal, ob es um Erfolge oder Fehler geht: Kaldemorgen wirkt stets unaufgeregt und abgeklärt. Übertrieben markige Worte sind nicht sein Ding, und doch redet er Klartext. Seine Erfahrung und sein Alter schenken ihm diese Gelassenheit. Zu seinem Auftreten passt auch die Einschätzung seines Anlagestils: „Ich fühle mich als sehr konservativer Investor“ – das überrascht nicht, denn der Manager macht nicht den Eindruck eines Draufgängers.
Kaldemorgens Vorsicht tritt auch in der aktuellen Ausrichtung seines Portfolios zutage. Defensive Sektoren wie Telekommunikation, Versorger und Pharma hat er übergewichtet. Damit sieht sich der Fondslenker für die kommenden Wochen gut aufgestellt: „Die Stimmung am Markt trübt sich ein, und es gibt mehr Risiken nach unten als Chancen nach oben“, warnt er. Doch nicht alle Teile seines Portfolios sind defensiv ausgerichtet: Der eher zyklische Industriesektor hat sogar den größten Anteil am Fonds.
Hinsichtlich der Regionen ist Kaldemorgen für gewöhnlich in Europa übergewichtet. Das sei kein Muss, doch „ein Home Bias, die Neigung zu hiesigen Titeln, ist vorhanden“. Die Nähe zu den Unternehmen, insbesondere aus Deutschland, und die daraus folgende genauere Kenntnis seien dafür verantwortlich.
In Schwellenländern engagiert sich der Manager zurzeit nur begrenzt. „Wir halten lediglich einige Titel aus Singapur und Korea“, sagt er. Diese Zurückhaltung hat mehrere Gründe. Zum einen seien die dortigen Aktien nicht unbedingt günstig: „Diese Staaten sind nicht mehr unentdeckt, sondern eine arrivierte Anlageklasse mit entsprechend hohen Bewertungen.“ Zudem sieht er die Möglichkeit, vom Wachstum der Schwellenländer über Titel aus den Industrienationen zu profitieren. „Exportwerte bieten sich ebenso an wie Rohstoffunternehmen“, sagt er.
Der Prozess der Titelauswahl ruht auf zwei Säulen. Auf der einen Seite untersuchen Kaldemorgen und sein Team die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Diese Top-down-Analyse beinhaltet zum einen den Blick auf zahllose weltwirtschaftliche Faktoren wie Wachstumsraten, Zinsen, Inflation, Export oder Währungen. „Eine Top-down-Analyse bedeutet aber auch, Themen und Trends zu identifizieren, die über Regionen hinweg wichtig sind und die Kapitalmärkte beeinflussen“, sagt er.
Bei der titelbezogenen Bottom-up-Analyse werden die einzelnen Unternehmen betrachtet. „Wir untersuchen zum Beispiel, ob ein intakter Gewinntrend vorhanden ist, ein Unternehmen durch eine hohe Substanz besticht oder der Markt etwas übersieht, was einen höheren Aktienkurs rechtfertigen würde.“
Doch sosehr es auf die Auswahl der besten Unternehmen ankommt: Bei einem global ausgerichteten Portfolio sei die Gewichtung der Länder, Sektoren und Themen wichtiger als die Bottom-up-Entscheidung, ist Kaldemorgen überzeugt: „Deshalb ist die Top-down-Analyse der Anfang des ganzen Prozesses.“
Zur Zahl der Titel im Portfolio hat der Manager eine klare Meinung: „Ich kann keine Einschätzung zu mehr als 100 Aktien haben – diese Zahl muss ausreichen.“ Zudem sei das Risiko, lediglich den Vergleichsindex abzubilden, umso größer, je mehr Aktien in einem Portfolio enthalten sind. „Das kann aber nicht der Anspruch sein – mein Anspruch ist es, besser zu sein“, sagt er.
Die Auswahl der aussichtsreichsten Unternehmen ist nur ein Aspekt, den Kaldemorgen bei der Steuerung des Portfolios berücksichtigen muss. „Stock-Picking ist eine wichtige Ertragsquelle für den Fonds, doch keinesfalls die einzige“, sagt er. Andere wichtige Quellen, um Alpha, also Mehrertrag gegenüber dem breiten Aktienmarkt, zu generieren, seien die Auswahl aussichtsreicher Regionen oder Sektoren, das Währungsmanagement und das Steuern der Barquote. „Die Kasse steuere ich sehr aktiv“, betont er. „Die Anleger fordern von einem aktiven Fondsmanager, dass er sich nicht nur darauf beschränkt, Aktien zu selektieren, sondern dass er alle Quellen nutzt, aus denen er Performance ziehen kann.“ Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Aktionäre zweimal innerhalb von zehn Jahren massive Verluste erlitten hätten, sei die Forderung nach einer aktiven Steuerung der Kasse berechtigt.
Kaldemorgen sieht sich mit seinem Fonds als Investor mit einem Horizont von mehreren Jahren. „Ich habe ein Gerüst an Unternehmen, die sehr langfristig im Portfolio enthalten sind“, sagt er. „Bei diesen Unternehmen interessiert mich beispielsweise die Stabilität der Dividende, wie bei der Deutschen Telekom.“ Oder die Hoffnung auf langfristiges Wachstum wie im Fall des niederländischen Biotechnologieunternehmens Qiagen. „Kleinere Schwankungen eines solchen Werts stören mich nicht. Ich beobachte, ob die Wachstumsperspektiven intakt sind. Falls ja, bleibt der Wert im Portfolio“, erklärt er.
Über die Tatsache, dass er gelegentlich als Deutschlands bekanntester Fondsmanager bezeichnet wird, muss Kaldemorgen schmunzeln. „Es schmeichelt der eigenen Eitelkeit, wenn man so tituliert wird, doch ich muss das relativieren“, sagt er. „Ich bin halt schon lange dabei, und irgendwann kennen einen viele Leute“, meint der Manager, der 1982 direkt nach seinem Volkswirtschaftsstudium zur DWS kam. Für den Fonds sei es jedenfalls gut, ein bekanntes Gesicht zu haben: „Viele Anleger wollen nicht einer anonymen Organisation ihr Geld anvertrauen, sondern denjenigen kennen, der hinter dem Produkt steht“, sagt er.
Auch wenn die Wertentwicklung in diesem Jahr bislang zu wünschen übrig lässt, glaubt Kaldemorgen daran, in den kommenden Monaten noch solide Zuwächse erwirtschaften zu können. Für den DWS Vermögensbildungsfonds I gibt er ein konkretes Ziel für das Jahresende aus: „Ich will bis Ende 2010 dem Anleger eine gute absolute Performance liefern. Wenn ich ein Plus von fünf bis acht Prozent erreiche, habe ich das getroffen, was ich mir am Jahresanfang gewünscht habe.“
Investor-Info
DWS Vermögensbildungsfonds I
Aktienauswahl und mehr
Dank hoher Kassenhaltung und Untergewichtung von Finanztiteln konnte der Fonds den MSCI World in der Krise 2008 deutlich schlagen. Seit Spätsommer 2009 läuft es aber nicht mehr so gut. In diesem Jahr haben insbesondere falsche Währungspositionierungen zu Verlusten geführt. Der Mehrertrag gegenüber dem Weltaktienindex auf Fünfjahressicht beträgt nur noch 0,6 Prozentpunkte.
Vita Klaus Kaldemorgen
Manager des DWS Vermögensbildungsfonds I
Der 56-Jährige kam 1982 zur DWS. Seit 1991 leitet er das internationale Aktienfondsmanagement. 2003 wurde er in die Geschäftsführung berufen. Das Flaggschiff der DWS lenkt er seit 1994.