Aus dem ETF Magazin: Öl - der perfekte Anlegermarkt
Nach Ansicht des ETF Magazins strebt der Ölmarkt einem Gleichgewicht entgegen. Johannes Heinritzi erklärt wie und mit welchen Produkten Investoren selbst bei stagnierenden Ölpreisen profitieren könnten.
10. April 2018. München (ETF Magazin). Es ist nur ein Mythos. Hierzulande. Aber in Saudi-Arabien ist es Realität: Die meisten Frauen können nicht Auto fahren. Dies hat einen simplen Grund. Frauen dürfen im Königreich keinen Führerschein machen. Doch König Salman hat per Dekret befohlen, dass dieses Verbot Mitte des Jahres der Vergangenheit angehören soll. Das streng islamisch-konservative Saudi-Arabien ist weltweit das einzige Land, in dem Frauen Autos nicht selbst steuern dürfen. Schluss damit. Sowohl Männer wie Frauen werden ab Juni Führerscheine erhalten können.
Die Gleichberechtigung hat nicht nur gesellschaftliche Auswirkungen. Die Energiemärkte, wenn auch nur in vergleichsweise geringem Umfang, sind ebenfalls davon betroffen. Denn obwohl Saudi-Arabien rund zehn Millionen Barrel (je 159 Liter) Öl am Tag aus seinem Boden fördert, muss das Land Benzin importieren. Die Analysten des Nachrichtendienstleisters Bloomberg Intelligence haben errechnet, dass eine fünfprozentige Erhöhung der Benzinnachfrage auf Grund der dann Auto fahrenden Damen einen täglichen Bedarf von zusätzlich 28.000 Barrel bedeuten würde.
Dies ist jedoch nur ein kleines - dennoch richtungsweisendes - Beispiel, das zeigt, dass die Erdölnachfrage in den nächsten Jahren durchaus weiter steigen dürfte. Denn gerade die aufstrebenden Länder, wie eben Saudi-Arabien, aber insbesondere China und Indien, stehen für eine steigende Rohölnachfrage. Die Energieberatungsfirma FGE erwartet zum Beispiel, dass der Höhepunkt der Benzinnachfrage in Asien erst im Jahr 2040 erreicht sein dürfte.
Neben den Impulsen, die der steigende Wohlstand insbesondere in Asien auf den Ölabsatz hat, bedeutet die in den Industrieländern florierende Konjunktur einen Nährboden für einen steigenden Bedarf an dem Energieträger. Bereits Ende 2018 dürfte die Nachfrage zum ersten Mal die 100-Millionen-Barrel-Schwelle pro Tag überschreiten. Für 2019 erwartet die EIA (Energy Information Administration), eine dem US-Energieministerium unterstellte Behörde, einen Rohölbedarf von 101,76 Millionen Barrel pro Tag. Allein China dürfte dann knapp zehn Millionen Barrel pro Tag importieren.
Spannender Markt
Auf der Angebotsseite sieht es auf den ersten Blick eigentlich relativ entspannt aus. Die Opec (Organisation Erdöl exportierender Länder) besitzt freie Kapazitäten von rund 2,5 Millionen Barrel pro Tag. Zudem steigt die Ölproduktion in den USA sukzessive an. Im November 2017 verzeichneten die USA mit täglich 10,038 Millionen Barrel die höchste Förderung seit November 1970, so Angaben der EIA. 2018 könnte die durchschnittliche US-Produktion 10,3 Millionen und 2019 circa 10,9 Millionen Barrel pro Tag erreichen. Durch die seit 2016 bestehenden Selbstbeschränkungen der Opec und Russlands bei der Produktion wird derzeit ein Angebotsüberhang vermieden.
Auf den zweiten Blick erscheint die Versorgung der Welt mit Öl gar nicht so üppig. Denn es gibt mit Venezuela schon mal einen Wackelkandidaten in der Opec. Bereits in den vergangenen Monaten ging dort die Erdölproduktion deutlich zurück. Mit 1,7 Millionen Barrel pro Tag ist die Produktion im lateinamerikanischen Land auf den tiefsten Stand seit 15 Jahren gefallen. Eskaliert die Situation auf Grund der extremen Verschuldung, Inflation und Unterversorgung mit lebenswichtigen Dingen, dann könnte Venezuela als großer Ölproduzent ganz ausfallen. Auch andere geopolitische Unsicherheiten können schnell zu weiteren Ausfällen führen. Die Produktion in Libyen, Nigeria, Irak und Iran ist nie 100-prozentig sicher. Ein Risikoaufschlag ist dem Ölpreis daher durchaus zuzurechnen.
In den USA ist das Wachstumstempo in der Ölindustrie ebenfalls nicht als so sicher anzusehen, wie die EIA-Schätzungen weismachen wollen. Immerhin werden dort zuerst die ergiebigsten Erdölquellen erschlossen, damit die Kosten, Investitionen und Kredite finanziert werden können. Nun kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu. Die Welt der Finanzierung von Ölunternehmen hat sich geändert. Einige Institutionen wie die Weltbank und Großbanken wie BNP Paribas ziehen sich aus diesen Finanzierungen und Investments mehr und mehr zurück. Hinzu kommt eine größere Risikoaversion der Kreditgeber. Sie wollen weniger Verschuldungsgrad bei den Unternehmen sehen, was auf Grund höherer Risikoaufschläge Ausleihungen für die gesamte Branche im Durchschnitt teurer machen wird. Das wird zu weniger Investitionen führen. Wichtige Investitionen im Ölsektor sind ohnehin jahrelang ausgeblieben, als der Ölpreis ab 2014 in die Knie ging. Das wird sich bei der Produktion in den nächsten Jahren rächen. Ab 2020 oder 2021 könnte es dadurch sogar zu Engpässen beim Angebot kommen.
Günstige Zukunft
Die Terminmärkte scheinen dieses Szenario derzeit kaum zu beachten. Denn seit einigen Monaten ist der Ölmarkt in eine Situation der Backwardation gerutscht. Das war zuletzt 2014 der Fall (siehe Grafik). Backwardation bedeutet, der Spot-Preis, also der aktuell zu zahlende Ölpreis, über dem zukünftig erwarteten Preis liegt, also dem, der den Futures-Kontrakten unterlegt ist. Eine starke Backwardation-Situation hat zum einen Einfluss auf die Renditen, die Investoren an den Terminmärkten erreichen können. Zum anderen kann Backwardation im aktuellen Fall durchaus das Angebot am Markt beeinflussen.
Die Wirkung auf den physischen Markt kommt insbesondere durch die US-Produzenten zu Stande. Denn diese sichern in der Regel größere Portionen ihrer zukünftigen Produktion über die Terminmärkte ab. Dieses sogenannte Hedging erfolgt, indem die Ölunternehmen den Rohstoff am Terminmarkt verkaufen. Derzeit bekommen sie weniger, als sie erwirtschaften würden, wenn sie direkt am Kassamarkt verkaufen. Daher dürften die US-Schieferölproduzenten in der aktuellen Situation nicht ganz vom gestiegenen Ölpreis profitieren.
Da die Förderung in den Schieferölgebieten jedoch stark ölpreisabhängig ist, nimmt die Backwardation-Situation den letzten Teil der möglichen Angebotsausweitung, die beim Kassapreis verwirklicht würde, vom Markt. So erwarten die Experten der Bank of America Merrill Lynch zum Beispiel, dass die Schieferölproduktion bei einem WTI-Ölpreis von 61 US-Dollar im Jahr 2019 um rund 150.000 Barrel pro Tag niedriger ausfallen würde als bei 66 US-Dollar. Durch das bereits getätigte und zukünftige Hedging dürfte der erzielbare Ölpreis für die 2019er-Poduktion der US-Unternehmen jedoch eher unter 61 als über 66 US-Dollar liegen.
Nun zum Terminmarkt: Investitionen im Ölmarkt werden in der Regel mittels Terminkontrakten getätigt. Der Anleger kauft sich damit das Recht, in der Zukunft zu einem bestimmten Preis Öl zu beziehen. Würde er sich direkt Öl kaufen, müsste er es selbst lagern. Das ist in den überwiegenden Fällen nicht praktikabel. Aktuell geht die Terminkurve beim Brent-Öl in den ersten 24 Monaten relativ steil nach unten, ehe sie sichtlich abflacht. Das bedeutet: Aktuell müssen Investoren rund 69 Dollar je Barrel bezahlen. Bei Futures-Kontrakte mit zwölf Monaten Laufzeit beträgt der Ölpreis nur rund 64,50 Dollar und für Kontrakte mit 24 Monaten nur 61 Dollar (Stichtag 1. Februar 2017). Die Analysten des Investmenthauses Pimco haben herausgefunden, dass solche starken Backwardation-Phasen durchaus Aufschlüsse auf den zukünftigen Ölpreis geben können. So war es in der Vergangenheit so, dass die Futures auf Sicht von vier und zwölf Monaten 1,3 Prozent beziehungsweise 2,9 Prozent Rendite abwerfen konnten. Dies kann während der Laufzeit durch eine Verschiebung der Futures-Kurve nach oben oder durch ein früheres Abflachen geschehen.
Hinzu kommen Roll-Gewinne. Bei einer Backwardation-Phase können Anleger kurzlaufende Futures-Kontrakte in einen nächstfälligen günstigeren Kontrakt rollen. Aus dem Weiterschieben der Fälligkeit erzielen sie eine positive Roll-Rendite. Diese wird zusätzlich zu den Erträgen aus der Bewegung des Ölpreises vereinnahmt. Bleibt der Ölpreis konstant oder zieht nach oben, was, wie oben erwähnt, historisch gesehen erwartet wird, erreicht der Anleger somit Gewinne. Sollte der Ölpreis fallen, schmälert dies die Rendite oder das Investment schlittert sogar ins Minus.
Breite Anlagepalette
Für Investoren bieten Exchange Traded Commodities (ETC) die Möglichkeit, ohne die Risiken der Terminmärkte an den Gegebenheiten des Ölmarkts zu partizipieren. Sowohl auf die Ölsorten Brent und West Texas Intermediate (WTI) gibt es verschiedene Ausgestaltungen wie auch auf die veredelten Erdölprodukte
Wer etwas risikobereiter eingestellt ist, kann zum Beispiel auf Benzin als Depotbeimischung setzen. Denn die robuste Weltwirtschaft befeuert die Benzinnachfrage. Speziell in Asien dürfte sie in den kommenden Monaten doppelt so stark zunehmen wie der Ausbau der Raffineriekapazitäten. Doch auch in den USA könnte eine gestiegene Reiselust auf Grund der guten Arbeitsmarktverhältnisse den Markt mit unerwartet hoher Benzinnachfrage überraschen. Im ersten Quartal werden zudem traditionsgemäß in den Raffinerien Wartungsarbeiten durchgeführt. Das Volumen der geplanten Unterbrechungen dürfte sich im März weltweit auf rund 5,58 Millionen Barrel pro Tag belaufen. Daher dürften die Benzinlager wegen der geringeren Verarbeitung kaum kräftig aufgefüllt werden. Der Lagerbestand liegt derzeit ohnehin schon deutlich unter dem 2017er-Niveau zur selben Jahreszeit. Ein höherer Benzinpreis könnte daher in den nächsten Monaten die Folge sein.
Die Ölkonzerne verdienen an dieser Ausgangssituation prächtig. So verdreifachte zum Beispiel Shell den Gewinn im vierten Quartal 2017. Für Anleger, die insbesondere in die großen integrierten europäischen Ölkonzerne oder auch in internationale, insbesondere nordamerikanische Ölproduzenten investieren möchten, stehen entsprechende Exchange Traded Funds (ETS) zur Verfügung.
von Johannes Heinritzi, © März 2018, ETF Magazin
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