Aus dem ETF Magazin: "ETF-Sparpläne, ungenutzte Chancen"
Das ETF Magazin rechnet vor, wie viel Geld Arbeitnehmer verlieren, die entweder gar keine VL-Zuschüsse beziehen oder diese in Bausparverträge fließen lassen.
7. Mai 2018. München (ETF Magazin). Landauf, landab sind Vertriebsexperten ständig auf der Suche nach neuen Geschäftsideen und ungenutzten Potenzialen. Dabei wird das VL-Sparen gern übersehen. Zu kleinteilig, zu unbedeutend - so lautet das vorschnelle Urteil. Dass die Investmentbranche damit das Feld den Bausparkassen überlässt? Geschenkt! Aber dass ein Potenzial von bis zu 1,6 Milliarden Euro im Jahr ungenutzt bleibt? Das sollte hellhörig machen.
VL-Sparen steht für das Sparen im Rahmen der sogenannten Vermögenswirksamen Leistungen, eine Form des staatlich geförderten Sparens für Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber kann dabei bis zu 40 Euro monatlich an den Arbeitnehmer zum VL-Sparen auszahlen. Zusatzgeld vom Chef, das klingt gut. Jedoch: "20 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland haben Anspruch auf vermögenswirksame Leistungen, aber rund sieben Millionen nutzen diese Chance nicht", sagt Christoph König von der Münchner Fondsbank Ebase. Umgerechnet bleiben dadurch rund 1,6 Milliarden Euro im Jahr liegen, berechnete das Research Center for Financial Services unter Leitung von Professor Jens Kleine.
Jetzt wollen die ersten Anbieter den Schatz heben. Den Anfang machte die Münchner Ebase. Mit ihrer Initiative "Deutschland spart VL" will sie Arbeitnehmer animieren, die ihnen zustehenden VL-Leistungen zu nutzen - am besten mit ETF-Sparplänen. Ziel des Gesetzgebers ist es, mit den VL-Leistungen Arbeitnehmern bei der Vermögensbildung unter die Arme zu greifen. Dafür ist die Förderung zugegebenermaßen überschaubar: Je nach Berufsgruppe und Tarifabschluss schießt der Arbeitgeber zwischen monatlich 6,65 und 40 Euro zu. Je nach Einkommen des VL-Sparers legt der Staat noch bis zu 80 Euro im Jahr obendrauf. Bei regelmäßiger Anlage und dank des Zinseszinseffekts kann dennoch aus diesen bescheidenen Beträgen mit der Zeit ein kleines Vermögen wachsen. Noch schneller geht es, wenn Sparer die Sparprämien mit zusätzlichen eigenen Beiträgen aufstocken.
Stattliche Rendite
Professor Kleine berechnete auch, dass ein Investment in den DAX in den vergangenen 30 Jahren rund sieben Prozent im Jahr einbrachte. Umgerechnet auf einen Sparplan, bei dem monatlich 40 Euro zurückgelegt werden, kommen somit in sieben Jahren über 4.000 Euro zusammen. Die VL-Regeln sehen vor, dass sechs Jahre lang in einen Sparplan eingezahlt und danach ein Jahr Ruhepause angehängt wird, bevor der Sparplan ausläuft. Dieser kann aber sofort wieder verlängert werden, sodass das zunächst kleine Vermögen im Lauf der Zeit dank des Zinseszinseffekts zu einem richtig großen anwächst. Nach 20 Jahren zeigt das Konto unter den genannten Bedingungen rund 20 000 Euro an, nach 30 Jahren rund 44 000. Wer schon in frühen Jahren beginnt, für die Rente anzusparen, hätte in diesem Beispiel nach 40 Jahren VL-Sparen rund 150 000 Euro auf der hohen Kante.
Mit den üblicherweise von deutschen Arbeitnehmern genutzten Anlageinstrumenten sind solche Renditen nicht zu erreichen. Einer Analyse der Volksbanken zufolge werden mehr als die Hälfte der VL-Sparpläne als Bausparvertrag abgeschlossen. Ein weiterer erklecklicher Teil geht in Banksparpläne und Sparverträge. Nur rund 10 Prozent der VL-Beiträge fließen in Fonds.
Ebase kann bei seiner ETF-Initiative auf Erfahrungen mit rund 175.000 VL-Verträgen für aktiv geführte Investmentfonds zurückgreifen. Auch bei ETFs geht es jetzt voran: Bei der Einführung der ETF-VL-Sparpläne im Jahr 2011 hätte die Quote der Neuabschlüsse nur bei rund 1 Prozent gelegen, berichtet König. Heute käme bei 41 Prozent der Abschlüsse ein ETF zum Zug.
Die am häufigsten gewählten ETFs sind Tracker von MSCI-World, DAX, MDAX und Dow-Jones-Global-Titans. Ebase empfiehlt für das VL-Depot ähnliche Indizes. Bei den ETF-Empfehlungen setzt Ebase überwiegend auf preiswerte Core-ETFs vom Marktführer iShares. Kriterien für die Auswahl seien unter anderem das Vorliegen einer VL-Zulagenberechtigung, eine "voll replizierende" Abbildungsmethode und ein Volumen von mehr als 100 Millionen Euro gewesen, erklärt Projektleiter König. Daneben könnten VL-Sparer allerdings auch andere ETFs aus dem Ebase-Angebot für ihren Sparplan auswählen.
Um Sparern den Abschluss zu erleichtern, hat Ebase unter www.dsvl.de eine eigene Mini-Homepage eingerichtet, auf der sich Interessierte informieren und auch gleich ein VL-Konto eröffnen können. Hintergrund: Vor allem bei jungen Deutschen ist die Neigung gering, VL-Sparpläne abzuschließen. Die Gründe dafür sind mangelnde Kenntnisse, Furcht vor Börsenengagements, die geringen Sparsummen, Bequemlichkeit und nicht zuletzt das Ignorieren der Notwendigkeit einer privaten Altersvorsorge, zeigt eine Untersuchung der Union Investment.
Bislang ist Ebase der einzige Anbieter für VL-Sparen auf ETF-Basis. Das liegt nach Einschätzung von König unter anderem daran, dass nicht jeder technisch in der Lage sei, "Bruchstücke bis sechs Stellen nach dem Komma abzurechnen", was es ermögliche, auch die Anlage von Kleinstbeträgen kostengünstig und effizient abzubilden.
von Wilhelm Nordhaus, © März 2018, ETF Magazin
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